Linke für Neustart in der Sportpolitik

Die Sportpolitik der sogenannten Fortschrittskoalition ist gescheitert. Statt von einem neuen Fußball-Sommermärchen und weiteren Olympiabewerbungen zu träumen, sollte Olaf Scholz den Sport zur Chefsache machen und endlich zu einem Sportgipfel ins Kanzleramt einladen.

Die Rede im Wortlaut:

Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Dr. André Hahn für die
Gruppe Die Linke.
(Beifall bei der Linken – Dieter Stier [CDU/CSU]: Tosender Beifall!)

Dr. André Hahn (Die Linke):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP hat 177 Seiten. Gerade mal 1 Seite davon benennt die Ziele in der Sportpolitik. Manches ist inzwischen realisiert; aber bei den zentralen Vorhaben dominieren die Ankündigungen und vollmundigen Versprechungen der Sportministerin. Deshalb kann ich den Antrag der Union auf diese Aktuelle Stunde gut nachvollziehen, wenngleich Sie mit Ihren damaligen Sportministern Seehofer und de Maizière bei der Spitzensportreform auch nicht sehr viel weitergekommen sind. Trotz großem Getöse beim ersten Bewegungsgipfel der aktuellen Bundesregierung im Dezember 2022 ist die Bilanz anderthalb Jahre später schlichtweg verheerend: Der massiv kritisierte und finanziell nicht untersetzte Sportentwicklungsplan wurde von der Ministerin zurückgezogen, das Sportfördergesetz liegt bis heute nicht vor, und beim zweiten Bewegungsgipfel haben alle 16 Landessportbünde aus Protest gegen eine völlig verfehlte Sportpolitik ihre Teilnahme abgesagt. So etwas hat es zuvor noch nie gegeben – zweifelsohne ein Tiefpunkt im Verhältnis zwischen dem BMI und dem organisierten Sport!
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der zweite Anlauf zu einer großen Spitzensportreform wird voraussichtlich erneut scheitern, auch weil trotz aller Mahnungen eine gesellschaftliche Debatte über die Rolle des Sports in unserem Land nicht angeschoben wurde. Stattdessen setzen Bundesregierung und leider auch der DOSB nach wie vor auf eine vermeintlich unabhängige Sportagentur, die künftig alles regeln und das vorhandene Geld verteilen soll. Das ist ein Offenbarungseid des Innenministeriums mit seiner großen Sportabteilung, die nicht in der Lage ist, die anstehenden Aufgaben zu erfüllen.
Wir haben in Deutschland unter dem Dach des Deutschen Olympischen Sportbundes über 27 Millionen Mitgliedschaften in rund 87 000 Vereinen. Hinzu kommen weitere Millionen Menschen, die ohne Verein Sport treiben. Das zeigt die Bedeutung von Sport und Bewegung.
Aber gerade deshalb ist es aus Sicht der Linken nicht hinnehmbar, dass die Rahmenbedingungen, die Bund, Länder und Kommunen zu schaffen haben, derzeit völlig unzureichend sind.
(Beifall bei der Linken)

Während im Profifußball und einigen wenigen anderen Sportarten völlig absurde Geldsummen im Spiel sind, fehlen anderswo die Sportstätten, Trainerinnen und Trainer sowie eine angemessene Förderung für das in Sonntagsreden so viel gepriesene Ehrenamt. Menschen mit Behinderungen, Menschen mit niedrigem Einkommen und Menschen im ländlichen Raum haben aufgrund von baulichen, ÖPNV- sowie finanziellen Barrieren kaum die Möglichkeit, angemessen am Sport teilzuhaben. Auch fordert Die Linke seit Langem, dass Sport und Kultur endlich als Staatsziel ins Grundgesetz kommen.
(Beifall bei der Linken)

Wir brauchen einen Goldenen Plan Sportstätten, eine deutlich bessere Förderung des Breiten-, des Gesundheits- und des Spitzensports sowie mindestens drei Stunden Sport pro Woche in den Schulen und einen Schwimmunterricht, bei dem im Ergebnis alle Kinder am Ende der Grundschule sicher schwimmen können.
(Beifall bei der Linken sowie des Abg. Jörn König [AfD])

An alledem, meine Damen und Herren – letzte Bemerkung –, hat die sogenannte Fortschrittskoalition zu keinem Zeitpunkt ernsthaft gearbeitet – das kritisieren wir –; deshalb braucht es einen grundlegenden Neustart, vielleicht auch mal einen Gipfel im Kanzleramt, wo sich
der Kanzler für dieses wichtige Thema interessiert. Bisher war er immer abgetaucht.
(Beifall bei der Linken)