Bericht über meine Reise zu den 2. European Games in Minsk (Belarus) vom 20. bis 25. Juni 2019

Nach den 1. European Games im Jahr 2015 in Baku (Aserbaidschan) erklärte sich Minsk relativ kurzfristig bereit, die 2. Europaspiele vom 21. bis 30. Juni 2019 auszutragen, nachdem die Niederlande aus finanziellen Gründen die Bewerbung beim Europäischen Olympischen Komitee (EOC) zurückzog.

Über die Teilnahme Deutschlands bzw. einen Boykott der Europaspiele gab es zuvor im Bundestag und mit der Bundesregierung längere Diskussionen. Dies belegen auch meine diesbezüglichen parlamentarischen Anfragen ebenso wie die Erklärung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Bundestages vom 26.06.2019, die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion („Beachtung der Menschenrechte während und nach den Europaspielen in Belarus“, Drs. 19/10885) und weitere schriftliche Fragen von Abgeordneten bis hin zu medialen Äußerungen der Vorsitzenden des Sportausschusses, Dagmar Freitag („Sportausschuss-Chefin kritisiert Europaspiele:<Völlig überflüssig>“, siehe u.a. dpa vom 19.06.2019). Dabei ging es sowohl um das sportliche Format der Spiele im Rahmen des internationalen Sportkalenders aus auch um die politische Situation in Belarus.

Im Ergebnis meiner persönlichen Erlebnisse vor Ort, des Fazits des DOSB und der zahlreichen Gespräche während und nach den Spielen bin froh, dass Deutschland mit einer repräsentativen Delegation des DOSB mit 149 Sportlerinnen und Sportlern sowie weiteren ca. 80 DOSB-Vertretern (Funktionäre, Trainer/innen usw.) unter Leitung der DOSB-Vizepräsidentin Leistungssport, Uschi Schmitz, an den Spielen teilgenommen hat, dass das Parlament Bundesmittel für die Entsendung einer Mannschaft des DOSB nach Minsk zur Verfügung gestellt hat und auch Vertreter der Bundespolitik zu den European Games fuhren.

Insgesamt nahmen rund 4.000 Sportlerinnen und Sportler aus 50 europäischen Staaten an den Spielen mit 200 Wettkämpfen in 15 Sportarten teil.

Am 20. Junireiste ich in Begleitung meines Büroleiters André Nowak nach Belarus. Zeitgleich reiste der Vorsitzende der deutsch-belarussischen Parlamentariergruppe, Mark Hauptmann (CDU) nach Minsk. Am 21. Juni folgten die Mitglieder des Sportausschusses Dieter Stier (CDU) und Eberhard Gienger (CDU), mit denen ich das Programm ab dem Nachmittag des 21. Juni gemeinsam absolvierte. Nach uns kam noch der Parlamentarische Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) in die belarussische Hauptstadt.

  1. Juni 2019

Am Vormittag nahm ich am Treffen des Kollegen Mark Hauptmann mit dem Vorsitzenden des Rates der Republik der Nationalversammlung der Republik Belarus, Herrn Mikhail Myasnikovitsch und im Anschluss an dem Treffen mit Mitgliedern der Arbeitsgruppe der Republik Belarus für die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Bundestag teil. Schwerpunkt dieser Gespräche war die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Wirtschaft, Forschung und Technologie. 300 deutsche Unternehmen sind derzeit in Belarus aktiv. Wirtschaft und Handel entwickeln sich in beide Richtungen positiv, auch wenn noch viele Potentiale nicht genutzt werden. Mitgeteilt wurde, dass die Sanktionen der EU gegen Russland gewollt oder auch ungewollt die wirtschaftliche Entwicklung in Belarus beeinträchtigen. Themen waren u.a. die IT-Branche, belarussische Hochtechnologieprodukte wie die Elektrobusse, die Landwirtschaft, die Energiepolitik, das Projekt der neuen Seidenstraße, der Maschinenbau, die Gesundheitswirtschaft und die Einführung eines Flaschenpfandsystems. Gewürdigt wurde der Besuch von Bundespräsident Steinmeier in Belarus im Jahr 2018. Mark Hauptmann lud abschließend zu einem Freundschaftsspiel einer belarussischen Parlamentsmannschaft gegen den FC Bundestag ein

Um 16 Uhr war ich gemeinsam mit meinen Kollegen Dieter Stier und Eberhard Gienger zum Gespräch mit Herrn Aleksandr Starowoitow, stellv. Vorsitzender des Sportausschusses, sowie weiteren Mitgliedern des Ausschusses und der belarussisch-deutschen Parlamentariergruppe des Repräsentantenhauses der Nationalversammlung der Republik Belarus, darunter mehrere aktive bzw. ehemalige Olymioniken und Paralympiker.

Herr Starovoitov berichtete über den hohen Stellenwert des Breiten- und Spitzensports in Belarus (als eine der führenden 20 Sportnationen). Grundlage ist das 2014 verabschiedete Gesetz über Körperkultur und Sport, welches 2018 novelliert wurde. Auch ein Gesetz über Dopingkontrollen wurde unlängst verabschiedet. Das Ministerium für Sport und Tourismus ist für alle Bereiche des Sports (mit dafür ca. 100 Mitarbeiter/innen) zuständig.

25 Prozent der Belarussen treiben regelmäßig Sport. Es gibt 483 Mittelschulen mit erweitertem Sportunterricht (in allen Regionen) und ca. 22.000 Sportstätten. Schwerpunkte für den Spitzensport sind faire Sportspiele ohne Doping. Spitzensportler/innen und Trainer/innen (Paralympiker gleichermaßen) sind vom Staat angestellt. Gewürdigt wurde die wachsende Zusammenarbeit mit dem deutschen Sport, verbunden mit dem Wunsch, die Zusammenarbeit zu vertiefen. Nach dem Gespräch hatten wir noch die Gelegenheit, den Plenarsaal zu besichtigen.

Am Abend nahmen wir am Empfang der Stadt Minsk und des Sportministers von Belarus, Herrn Sergey Kovaltschuk, für die internationalen Gäste aus 50 Nationen sowie an der anschließenden sehr beeindruckenden Eröffnungsveranstaltung im Olympiastadion Minsk teil.

  1. Juni 2019

Um 8 Uhr gab es in unserem Hotel ein „Briefing“ mit Frau Silke Bellmann von der Deutschen Botschaft in Minsk.

Um 9 Uhr folgte ein Gespräch beim stellv. Minister für Sport und Tourismus, Herrn Aleksandr Baraulia.

Herr Baraulia betonte die gute Zusammenarbeit mit dem deutschen Sport, besonders mit der Leichtathletik, dem Ruderverband und dem Schießsport sowie mit der Universität in Leipzig. Gewünscht wird der Ausbau des Tourismus (Belarus hat u.a. die Visafreiheit für Bürger*innen aus Deutschland und vielen weiteren Staaten eingeführt, umgekehrt ist das noch nicht erfolgt) und den Austausch von Sportdelegationen.

Der Sport wird in Belarus vor allem über den Staatshaushalt finanziert, die Strukturen wurden weitgehend auch nach dem Zerfall der Sowjetunion beibehalten. 156 Sportarten werden in Belarus aktiv betrieben, darunter 46 mit staatlicher Förderung (auch nichtolympische Sportarten). In Belarus gibt es 16 Olympiazentren mit einzelnen Spezialisierungen.

1200 Sportler/innen und Trainer/innen in 46 Sportarten sind im Ministerium angestellt (weitere Nachwuchssportler/innen werden über die Regionen gefördert). Sie erhalten Grundgehälter, Sportstipendien (1 – 4 Jahre) und Erfolgshonorare. Die Arbeitsverträge sind an den aktiven Sport gebunden, eine Karriere in der Behörde nach Beendigung der Laufbahn ist möglich. Nach 5 Jahren Zugehörigkeit zur Nationalmannschaft gibt es einen Anspruch auf eine „Sportrente“, ein Zuschuss zur staatlichen Altersrente.

Ein Problem war/ist die Abwanderung von (an der staatlichen Universität für Körperkultur) sehr gut ausgebildeten Trainern ins Ausland, bessere Bezahlung, soziale Absicherung und gute Arbeitsbedingungen haben den Prozess z.T. gestoppt oder auch umgekehrt. Gute Erfahrungen gibt es auch mit Trainern aus Deutschland, z.B. Bernd Stange.

Belarus hat im Jahr ca. 80 internationale Sportereignisse, darunter 2021 die Eishockey-WM und 2022 die Weltschacholympiade.

Anschließend besuchten wir einige Sportwettkämpfe mit deutscher Beteiligung (3×3 Basketball, Boxen, Judo) und das Athletendorf (ein Hochschulcampus). Hier gab es, wie auch am Rande von verschiedenen Wettkämpfen interessante Gespräche mit unseren Sportler/innen und Trainer/innen.

  1. Juni 2019

An Sportwettkämpfen standen das Trap-Schießen, die Leichtathletik (mit einem neuen interessanten Format) und am Abend Tischtennis auf dem Programm.

Emotionaler Höhepunkt war für mich der gemeinsame Besuch und die Kranzniederlegung in der Gedenkstätte Chatyn mit einer Delegation des DOSB unter Leitung der Vizepräsidenten Uta Schmitz und Andreas Silbersack. Mit dabei waren auch Vertreter der deutschen Botschaft. Chatyn wurde wie über 500 weitere Dörfer im 2. Weltkrieg durch deutsche Truppen zerstört. 149 Dorfbewohner/innen wurden grausam ermordet, darunter 76 Kinder. Nur 3 Menschen überlebten das Massaker am 22. März 1943, darunter der Dorfschmied Josif Kaminskij, der als überragende Skulptur mit seinem sterbenden Sohn Adam auf dem Arm im Mittelpunkt der Gedenkstätte steht. Beeindruckend auch der Friedhof, der an die 186 nicht wieder aufgebauten Dörfer erinnert und die ewige Flamme für die 2.300.000 Belarussen, die in diesem Vernichtungskrieg ihr Leben verloren – ein Viertel der damaligen Bevölkerung.

  1. Juni 2019

Rückreise nach Berlin

Abschließende Bemerkungen

Die Gastfreundschaft der Belarussen war äußerst herzlich und zuvorkommend. Die European Games wurden von den Gastgebern auf höchstem Niveau organisiert, dies betrifft die Wettkämpfe, die Sportstätten, die Unterkünfte für die Sportlerinnen und Sportler, die Transportfragen, das (fast unsichtbare) Sicherheitskonzept, das Rahmenprogramm (mehrere sehr gut besuchte Volksfeste) und die allgemeine Stimmung in der Stadt. Minsk hat bei der Organisation der Spiele auf Nachhaltigkeit gesetzt, auf Neubauten wurde verzichtet, bestehende Sportstätten wurden aber in einen Top-Zustand versetzt. Beeindruckend war auch die Sauberkeit der modernen Großstadt.

Die deutsche Mannschaft belegte mit 7x Gold, 6x Silber und 13x Bronze im Medaillenspiegel Platz 6 und errang einige Europameistertitel sowie Olympiaqualifikationen für Tokio 2020. Ich halte es trotz aller konkurrierenden Veranstaltungen grundsätzlich für möglich, dass die European Games einen festen Platz im internationalen Sportkalender bekommen könnten und finde, dass der deutsche Sport sich diesbezüglich im EOC stärker engagieren sollte. Auch eine deutsche Bewerbung als Ausrichter sollte ernsthaft diskutiert werden.

Leider gab es seitens der Deutschen Botschaft keinen (bei Sportgroßveranstaltungen sonst üblichen) Empfang für die deutsche Mannschaft und auch kein Treffen mit dem (scheidenden) Botschafter Peter Dettmar.

Neben dem Dank an die Gastgeber einschließlich der Botschaft von Belarus in Berlin, die im Vorfeld aktiv die Reise mit vorbereitete, bedanke ich mich auch bei Herrn Christian Sachs, der uns als Vertreter des DOSB während der Reise hervorragend betreute.

Anmerkungen: Der Reisebricht wurde auch dem Präsidenten des Deutschen Bundestages, Dr. Wolfgang Schäuble, sowie den Mitgliedern des Sportausschusses des Bundestages übergeben. Die Fotos sind von André Nowak