Petition zur Rettung der Schwimmbäder nicht zu den Akten legen

„Gut, dass der Bundestag die von fast 120.000 Menschen getragene Petition zur Rettung der Schwimmbäder unterstützt, denn Deutschland darf sich nicht zum Nichtschwimmerland entwickeln. Nun muss das Bundesinnenministerium möglichst bald in Abstimmung mit den Ländern den zugesagten „Dritten Goldenen Plan Sport“ vorlegen; ein Vorschlag der LINKEN dazu liegt bereits auf dem Tisch,“ erklärte Dr. André Hahn, stellv. Vorsitzender und sportpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE in einer Erklärung zur Abstimmung im Bundestagsplenum am 2. Juli 2020 zur Abstimmung über diese Petition.

 


Auszug aus dem Plenarprotokoll vom 02.07.2020 – 19. Wahlperiode – 170. Sitzung –

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Am 25. September 2019 landete um 13.45 Uhr ein Boot der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft am Spreeufer vor dem Paul-Löbe-Haus, um den zahlreich erschienenen Abgeordneten aus allen Fraktionen öffentlichkeitswirksam eine Petition zur Rettung der Schwimmbäder zu überreichen, die insgesamt von fast 120 000 Menschen unterstützt wurde. Es wurden viele schöne Fotos gemacht, viele Abgeordnete versprachen in die anwesenden Kameras und Mikrofone, sich darum zu kümmern, sich für dieses Anliegen zu engagieren. Und heute schließen wir hier im Bundestag die Petition mit einer Beschlussempfehlung ab, durch die das darin verfolgte Anliegen der Bundesregierung bzw. dem Bundesinnenministerium zur Erwägung überwiesen und auch den Parlamenten der 16 Bundesländer zugeleitet wird. Ich war bei der Übergabe am 25. September ebenso anwesend wie bei der öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses am 9. Dezember und bei der Expertenanhörung des Sportausschusses am 15. Januar und möchte hier erklären, warum ich wie auch die anderen Abgeordneten der Fraktion Die Linke der Beschlussempfehlung zustimmen werden.

Die Schwimmkompetenz in Deutschland ist innerhalb von 25 Jahren von über 90 Prozent der Bevölkerung auf unter 50 Prozent gesunken. Deutschland wird zum Nichtschwimmerland. Rund 60 Prozent der zehnjährigen Kinder können nicht sicher oder gar nicht schwimmen. Aber schwimmen können oder nicht schwimmen können entscheidet im Zweifel über Leben und Tod. In den 1960er-Jahren hatte fast jede größere Kommune ein eigenes Schwimmbad, auch durch staatliche Förderprogramme, und zwar in Ost wie in West. Zuletzt waren aufgrund von Finanznöten immer weniger Städte in der Lage, ihre Bäder zu sanieren und zu betreiben. Jedes Jahr werden etwa 100 Bäder in Deutschland geschlossen. Das alles hat natürlich auch Folgen für den Schwimmunterricht, der an vielen Schulen gar nicht mehr angeboten werden kann. Zudem gibt es eine soziale Schieflage; denn Einkommensschwächere und deren Kinder sind laut Statistik deutlich weniger schwimmfähig als der Bundesdurchschnitt. Viele können sich die Eintrittsgelder für Schwimmhallen oder kommerzielle Schwimmkurse schlichtweg nicht leisten.Deshalb haben meine Fraktion und ich persönlich seit fünf Jahren immer wieder gefordert, das Thema unter Federführung des Sportausschusses des Bundestags gemeinsam mit den verschiedenen Akteuren sowie den Vertretern von Ländern und Kommunen ergebnisorientiert anzugehen. Dabei sollte es neben der Wiederaufnahme eines Goldenen Plan Sport mit einem Programm zur Sanierung von Schwimmhallen auch um die Förderung des Schwimmunterrichts an den Schulen gehen, um eine Stärkung des Vereinssports sowie den Abbau von finanziellen und kulturellen Barrieren.

Leider hat die Koalition dieses Ansinnen, insbesondere mit dem Verweis auf die angeblich fehlende Zuständigkeit, mehrfach abgelehnt. Ich verweise hier auf die Antwort der Bundesregierung vom 18. März 2015 auf meine diesbezüglichen schriftlichen Anfragen und auf die Debatte hier zur Aktuellen Stunde im Juni 2017, die Die Linke gefordert hatte. Deshalb bin ich der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft sehr dankbar dafür, dass und wie sie mit dieser Petition die Situation der Schwimmbäder auf die Agenda unseres Hauses hier im Bundestag gesetzt hat.

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Sehr gut!)

Die aktuelle Coronakrise hat leider auch spürbare Auswirkungen auf die Schwimmbäder und die Schwimmkompetenz. Seit März gibt es in Deutschland faktisch keinen Schwimmunterricht und keinen Schwimmsport mehr. Schwimmhallen und Freibäder waren geschlossen und sind nun – das ist von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich – immer noch und vielleicht auf lange Sicht nur sehr eingeschränkt nutzbar. Kommunen wie auch Sportvereinen fehlt zunehmend das Geld zum Betreiben und für die Sanierung von Schwimmbädern.Von daher steht die Frage im Raum, wie es nun mit dem Anliegen der Petenten weitergeht. Wird jetzt angesichts anderer drängender Probleme die Petition einfach zu den Akten gelegt und der von Innenminister Seehofer auf der DOSB-Mitgliederversammlung am 7. Dezember 2019 in Aussicht gestellte dritte Goldene Plan Sport auf unbestimmte Zeit verschoben? Ich hoffe nicht und erwarte, dass Bundesregierung und Bundesländer nach der heutigen Abstimmung auch endlich spürbare und nachhaltige Maßnahmen zur Rettung der Schwimmbäder ergreifen. Mit dem Antrag der Linken „Dritter Goldener Plan Sport – 10 mal eine Milliarde für Sportstätten in Deutschland“ auf Drucksache 19/20035 liegt bereits ein guter Vorschlag auf dem Tisch.

Letzte Bemerkung, meine Damen und Herren. Morgen geht der Bundestag in die parlamentarische Sommerpause. Die Urlaubszeit steht bevor, und viele Menschen, junge wie ältere, zieht es ans Meer.

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Das ist ein Werbeblock für die Linkspartei! Das hat mit der Geschäftsordnung nichts mehr zu tun, Herr Kollege!)

– Ich würde den Satz trotzdem gern zu Ende bringen, Herr Kollege. –

Viele Menschen zieht es jetzt in den nächsten Tagen ans Meer und an die Seen. Ich hoffe und wünsche mir – ich denke, das wünschen wir uns alle; deshalb ist die Petition so wichtig und zu unterstützen –, dass es in diesem Sommer im Schwimmbereich möglichst wenig Unfälle und schon gar keine Toten zu beklagen gibt. Und deshalb ist es dringend geboten, etwas dagegen zu unternehmen und Schwimmbäder zu retten und, wo nötig, auch neue zu bauen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Die DLRG ist uns allen wichtig!)