Auch das neue BND-Gesetz ist verfassungswidrig

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Allen freundlichen Worten zum Trotz, Herr Kollege Kiesewetter und auch Kollege Grötsch: Eigentlich ist es kaum zu glauben. Nachdem das 2016 beschlossene Gesetz zur Auslands- Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes im Mai letzten Jahres beim Bundesverfassungsgericht krachend gescheitert ist, sind Bundesregierung und die Koalition aus Union und SPD wirklich so dreist, dem Bundestag heute einen Gesetzentwurf vorzulegen, der mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut von den Karlsruher Richtern kassiert werden wird. Das ist nicht nur politisch bescheuert – entschuldigen Sie den drastischen Ausdruck –, das ist auch ein durch nichts zu rechtfertigender Affront gegen das höchste Gericht dieses Landes.

(Beifall bei der LINKEN)

Union und SPD wollen die anlasslosen Massenüberwachungen des Bundesnachrichtendienstes im Ausland mit ein paar kosmetischen Korrekturen ungeniert fortsetzen, und das trotz der sehr aufschlussreichen Anhörung diverser Sachverständiger im Innenausschuss, die im

Februar stattfand. Dabei wurde nicht nur die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes mehrfach infrage gestellt, sondern es wurden auch konkrete Änderungsvorschläge unterbreitet. Umgesetzt wurde davon nahezu nichts, auch nicht im Änderungsantrag der Koalition.

Das Parlamentarische Kontrollgremium wird eben nicht entscheidend gestärkt. Es hat weder ein Vorschlags- noch ein Auswahlrecht für die personelle Besetzung des neu zu bildenden Unabhängigen Kontrollrates, und die Bundesregierung kann sich auch weiterhin hinter dem absurden Konstrukt der sogenannten Third-Party-Rule verstecken, wenn es bestimmte Operationen unter Verweis auf die Zusammenarbeit mit anderen Geheimdiensten vor den Parlamentariern verschweigen will.

(Hans-Jürgen Irmer [CDU/CSU]: Das ist auch richtig so!)

Es reicht dann, einfach zu behaupten, der Partnerdienst stimmte einer Unterrichtung des Bundestages nicht zu. Wir als Abgeordnete bleiben bei der Kontrolle völlig außen vor. Hilfsweise kann die Regierung auch angebliche Staatswohlinteressen vorschieben. Eine derartige Praxis ist nicht nur absurd, sondern zum Beispiel in den USA oder Großbritannien völlig undenkbar.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Mag ja sein, dass der BND von einem solchen Zustand träumt. Wir als Linke werden so etwas niemals mitmachen!

(Beifall bei der LINKEN)

Aber zurück zum Gesetzentwurf: Der Schutz von Reportern, Redakteuren und anderen Berufsgeheimnisträgern vor Ausspähung ist nach wie vor unzureichend geregelt, obwohl dies ein zentraler

Punkt der Klageführer in Karlsruhe war. Nicht einmal der Begriff des Journalisten wird im Gesetz definiert; vielmehr soll er allein in einer geheimen Richtlinie des BND interpretiert werden.

(Zuruf von der LINKEN: Unglaublich!)

Die völlige Freigabe der Ausspähung von Maschine- zu-Maschine-Kommunikation, also Handys, Computer, Laptops, und auch zwischen Mensch und Maschine umfasst millionenfach Lebenssachverhalte, auch von deutschen Grundrechtsträgern, darunter Online- Banking, Hotelbuchungen, GPS- und Bewegungsdaten von Mobilfunkgeräten. All das soll künftig anlasslos überwacht werden können,

(Hans-Jürgen Irmer [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

obwohl der Europäische Gerichtshof erst im Oktober 2020 entschieden hat, dass diese Übermittlung an Sicherheitsbehörden und Geheimdienste europarechtswidrig ist.

Wir als Linke – letzter Satz – sind gegen einen Freibrief für staatliches Hacking, und deshalb werden wir den Gesetzentwurf ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)