LINKE gegen Law and Order-Antrag von CDU/CSU zur Bundespolizei

DIE LINKE sagt nein zum Law and Order-Antrag von CDU/CSU, nein zum Einsatz von Gummigeschossen und Tasern, zur Zulassung von Lauschangriffen auf den privaten Wohnraum und den Einsatz von Staatstrojanern für die Bundespolizei. Wir sagen aber ja zu einem unabhängigen Polizeibeauftragten sowie einer Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten.


Auszug aus dem Plenarprotokoll vom 16.12.2022 – 20/77

Dr. André Hahn (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es war ja irgendwie schon zu erwarten, dass CDU und CSU passend zur Weihnachtszeit noch ein paar Wünsche für den Law-and-Order-Geschenkekorb präsentieren würden.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Alexander Throm [CDU/CSU]: Danke für das Lob! – Philipp Amthor [CDU/CSU]: Vielen Dank!)

Mit dem vorliegenden Antrag hat die Union nun tatsächlich geliefert. Akzeptabel sind die allermeisten der darin enthaltenen Forderungen aus Sicht der Linken allerdings nicht.

Fangen wir mal mit dem unabhängigen Polizeibeauftragten an, den Sie immer wieder leidenschaftlich ablehnen. Wovor haben Sie eigentlich Angst, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union?

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Vor Bürokratie! –Philipp Amthor [CDU/CSU]: Vor Kriminellen!) (D)

Eigentlich müssten doch alle Demokraten ein Interesse daran haben, dass die übergroße Mehrheit der Polizisten, die verantwortungsbewusst ihren Dienst versehen, dadurch geschützt wird, dass schwarze Schafe mit übergriffigem oder gar rechtswidrigem Verhalten möglichst schnell aus dem Dienst entfernt werden können.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Carmen Wegge [SPD] – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Da sind wir uns einig!)

In dieser Woche antwortete das Innenministerium auf unsere Anfrage zu den Zahlen über Beschwerden, die entlang von Racial-Profiling-Vorwürfen eingegangen sind. Vom Januar 2021 bis Ende November 2022 wurden danach 100 Beschwerden eingereicht. Darunter ist allerdings nicht eine einzige Beschwerde, die nach Prüfung als begründet eingestuft worden wäre; acht Fälle seien nicht aufklärbar, drei noch in Bearbeitung.

Nun will ich den Einsatzkräften und der Bundespolizei keine Falschmeldungen oder Beschwerdeunterdrückung unterstellen. Aber schon rein statistisch gesehen ist es höchst unwahrscheinlich, dass nicht eine einzige begründete Beschwerde in einem Zeitraum von zwei Jahren dabei gewesen sein soll. Mir sagt das: Wir brauchen mehr denn je einen unabhängigen Polizeibeauftragten.

(Beifall bei der LINKEN)

Kollege Throm von der Union beklagt in der aktuellen Ausgabe des Lobbymagazins „Moderne Polizei“ das angeblich zu große Misstrauen gegenüber Polizisten.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Da hat er recht!)

Wir müssen uns – gerade jetzt in der Weihnachtszeit – auch gar nicht streiten, wie die vorliegenden Zahlen auszulegen sind, wer recht hat mit seiner Wahrnehmung und wer falsch liegt.

Zwei Dinge allerdings geben mir schon zu denken: Zahlreiche zivilgesellschaftliche Initiativen nehmen ein Problem wahr, das sich dann aber nicht mal ansatzweise in den Aufklärungsraten widerspiegelt. Dass sich nur wenige von Racial Profiling betroffene Menschen überhaupt dazu durchringen, eine offizielle Beschwerde einzureichen, ist angesichts dieser Zahlen nicht verwunderlich. Ich könnte Ihnen jetzt hier einige persönliche Erfahrungen berichten, die ich in den letzten Jahren im Zug von der tschechischen Grenze bei Bad Schandau auf dem Weg nach Berlin erlebt habe; aber dafür fehlt mir leider die Zeit.

Die Fakten machen aber deutlich, lieber Kollege Throm, dass Sie doch eigentlich genau jetzt einen unabhängigen Polizeibeauftragten begrüßen müssten. Wenn Sie dann recht behalten und sich nahezu alle Beschwerden als unbegründet erweisen würden, dann schaffen wir den Beauftragten eben wieder ab. Aber für Ihre komplette Verweigerungshaltung habe ich keinerlei Verständnis.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, auch sonst ist der Antrag voll von Geschenken an die Bundespolizei, die die Union verteilen will. Gummigeschosse und Teaser sollen eingeführt werden,

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Was heißt denn hier „Geschenke“? – Philipp Amthor [CDU/ CSU]: Schutz unserer Beamten!)

ohne dass überhaupt belegbar ist, dass dadurch der Einsatz von Schusswaffen wirklich vermieden werden kann.

Und natürlich ist die Union auch weiterhin gegen eine Pflicht zur anonymisierten Kennzeichnung für Polizistinnen und Polizisten. Haben Sie sich eigentlich mal im Rest von Europa oder in den USA umgeschaut? Da ist diese Kennzeichnung längst etabliert, und das ist auch gut so. Geben Sie endlich Ihren Widerstand dagegen auf!

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, als vom Bundestag gewähltes Mitglied des Gremiums, das die Eingriffe in die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13 Grundgesetz überprüfen soll,

(Stephan Brandner [AfD]: Schlimm genug, dass Sie dabei sind!)

muss ich einer entsprechenden Befugnis für die Bundespolizei eine klare Absage erteilen. Für die Abwehr einer dringenden Gefahr für Leib und Leben ist der Lauschangriff auf den privaten Wohnraum ebenso ungeeignet wie der Einsatz von Staatstrojanern, den die Union jetzt für die Bundespolizei fordert. Wir als Linke lehnen das ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Abschließend sage ich in Richtung Koalition: Legen Sie endlich einen eigenen Gesetzentwurf für ein neues Bundespolizeigesetz vor. Dann könnten Sie sich erstmals innenpolitisch als sogenannte Fortschrittskoalition beweisen.

Vielen Dank und frohe Weihnachten.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Uli Grötsch [SPD])