Schweigekult im Bevölkerungsschutz beenden!

Schweigekult im Bevölkerungsschutz beenden!

„Wenn ich für jedes ungelöste Problem im Katastrophenschutz einen Sirenenalarm auslösen könnte, hätten wir eine Dauerbeschallung über etliche Jahre“, sagt André Hahn, Sprecher für Zivilen Katastrophenschutz und stellvertretender Vorsitzender der Gruppe Die Linke, anlässlich des bundesweiten Warntages am 12. September 2024. Hahn weiter:
„Weil eine zentrale Ansteuerung bislang fehlt, wird auch in diesem Jahr in Berlin keine einzige Sirene ertönen, von denen ohnehin nur zwei Drittel der Sollzahl bislang überhaupt installiert sind. Dieser Zustand ist absolut übertragbar auf den gesamten Bevölkerungsschutz und das Bundesinnenministerium.

Noch gravierender ist, dass viele Helferinnen und Helfer sich nicht trauen, vorhandene Missstände öffentlich zu benennen – meist aus Angst vor Nachteilen im Ehrenamt. Bestenfalls hinter vorgehaltener Hand werden selbst grobe Missstände geäußert. Das steht keiner Organisation gut zu Gesicht, insbesondere nicht denjenigen, bei denen Zusammenhalt in Krisen- und Gefahrensituationen so wichtig ist. Zur eigentlichen Gefahr wird immer mehr die Unterfinanzierung des Bevölkerungsschutzes.

Absolut unsozial geht es bei der abverlangten Resilienz für Katastrophenfälle zu. Für insgesamt zehn Tage soll die Bevölkerung Essen und Trinken auf Vorrat zu Hause haben, meint das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Im Bundesinnenministerium ist man ernsthaft der Auffassung, dass aus dem schmalen Bürgergeld-Satz auch noch diese Vorsorge betrieben werden soll. Katastrophenschutz nur für diejenigen zu denken, die viel Platz in ihren Wohnungen haben und über ein üppiges Budget für Vorräte verfügen? Das ist mehr als schäbig.

Viele weitere Versäumnisse erwachsen aus den Zuständigkeiten, die vom Ministerium in die Bundesländer argumentiert werden oder in Gegenrichtung. Wenn das gerade nicht der Fall ist, dann sind es meist Langzeitprojekte, bei denen die Finanzierung stockt oder – wie im Fall der THW-Liegenschaften – dreist auf dem Rücken der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer der Missstand geduldet wird.

Ich würde mir für den Katastrophenschutz bundesweit wünschen, dass an zentraler Stelle – explizit im Bundesministerium des Innern von Nancy Faeser (SPD) – endlich auf einen gut ausgestatteten Katastrophenschutz hingearbeitet wird, anstatt dass die Bundesregierung weiterhin milliardenschwere Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete liefert. Was wir aber Jahr um Jahr im Bevölkerungsschutz sehen, sind gefeierte Leuchtturmprojekte, mit denen suggeriert wird, man habe alles im Griff.

Katastrophenschutzleuchttürme, die als Informationspunkte für die Bevölkerung beispielsweise bei Stromausfällen dienen sollen, sind nicht flächendeckend eingeführt. Dort sollten Notfallinformationen für die Bevölkerung oder auch für Touristen ausgehängt werden. Doch diese sind weder durchgängig barrierefrei konzipiert und formuliert noch in den vorkommenden Erstsprachen weiter Teile der Bevölkerung verfügbar, um im Krisenfall schnell und unmissverständlich vermittelt zu werden. Wo diese Informationspunkte im Notfall stehen, ist in der Bevölkerung ebenso unbekannt wie die Bedeutung der einzelnen Sirenensignale, so sie denn überhaupt zu hören sind.

Auch die mobilen Notunterkünfte, die den Bundesländern eigentlich bereitstehen sollen (Stichwort: Labor5000), kommen nicht über die Erprobungsphase hinaus. Die Mängelliste gipfelt dann in unterdimensionierten Hallen und Unterkünften beim Technischen Hilfswerk oder überalterten Fuhrparks und Einsatzmitteln anderer Hilfsorganisationen. Und die längst überfällige gesetzliche Helfergleichstellung für Freistellungen und die Absicherung bei Unfällen wird offenbar auch in dieser Legislaturperiode nicht mehr kommen. Nicht nur in diesen Punkten ist die Ampel-Regierung ein Totalausfall!“