Rede zum Politischen Aschermittwoch 2010

Rede zum Politischen Aschermittwoch 2010

Rede bei der diesjährigen Aschermittwochs-Veranstaltung der LINKEN in Chemnitz

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

liebe Genossinnen und Genossen,

hochverehrte Närrinnen und Narren!

Der Aschermittwoch ist ja traditionell ein Tag der starken Worte. Also müsste es eigentlich ein Festtag der FDP sein, besonders hier in Sachsen, wo die angeblich Liberalen ja schon im Wahlkampf scheinbar ganz starke Worte plakatierten, zum Beispiel den Slogan: „Wort halten!“ Angesichts der jüngsten Ausfälle von FDP-Vizekanzler Westerwelle gegen Menschen in Hartz-IV-Haushalten ist man allerdings geneigt anzumerken, das Beste, was FDP-Politiker zurzeit tun könnten, wäre schlicht und einfach: Mund halten!

Man merkt, trotz Aschermittwoch gelingt es mir nicht völlig, die mir bekanntlich von allen Seiten attestierte Feinfühligkeit und Feinsinnigkeit völlig abzulegen, sonst hätte ich mich natürlich für ein anderes, einsilbiges Wort entschieden, das auch mit M anfängt.

Aber mal ganz im Ernst: Herr Westerwelle sieht „spätrömische Dekadenz“ bei der Lebensführung von Menschen, die von Hartz IV abhängig sind. Ich will ja jetzt hier niemandem den Appetit verderben, aber angesichts dieser unglaublichen Geschmacklosigkeit muss man Klartext reden: Die Bilder, die Normalsterbliche mit römischer Dekadenz verbinden, sind Schlemmerorgien der damaligen Oberschicht, die ihren vermeintlichen Genuss dadurch zu steigern trachtete, das sie sich eine Feder in den Hals steckte, um nach Erbrechen der bereits konsumierten Köstlichkeiten ungehindert weiterfressen zu können.

Die Bilder, die wir heutzutage mit Hartz IV verbinden, insbesondere auch im Zusammenhang mit der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Berechnung des Regelsatzes für Kinder, sind offensichtlich völlig andere: Es sind Menschen, die bei Eiseskälte vor den Essensausgabestellen der Tafeln ausharren. Edith Franke, unsere Alterspräsidentin im Landtag könnte Herrn Westerwelle darüber einiges berichten. Der Kampf gegen Hartz IV ist kein Aufstand für Luxus, er ist Ausdruck der Überzeugung, dass die Menschenwürde damit anfängt, auf gesunde Weise satt werden zu können!

Das werden wir auf Wunsch auch Dolly Buster beizubringen versuchen. Die frühere Porno-Darstellerin hat ja gerade erst via „Bild“ zu Westerwelles Hartz-IV-Aussagen mitgeteilt: „Er sagt die Wahrheit“. Frau Nora Baumgartner, so heißt die laut „Bild“ heute als Künstlerin tätige Dame, liefert auch gleich eine neue Lesart: Nicht die Arbeitslosen, sondern das System sei „dekadent“. Ob es durch erleichterten Zugang zu Pornofilmen erträglicher wird, verrät uns die „große“ Bewegungs- Künstlerin nicht, jedenfalls hat die sächsische FDP mit der Sonntagsöffnung von Videotheken dafür zusätzliche infrastrukturelle Voraussetzungen geschaffen.

Natürlich können wir gerne darüber diskutieren, in welchem Umfang wir das Unterstützungs-Defizit des Staates gegenüber Kindern aus armen Verhältnissen entweder durch Leistungen an die Familien in Form erhöhter Regelsätze oder in Gestalt direkter Leistungen wie kostenloses Mittagessen ausgleichen. Es fällt nur auf, dass dieselben Leute, die gegen eine Erhöhung des Regelsatzes sind, auch nicht einen einzigen Handschlag tun, um kostenloses Mittagessen für diese Kinder einzuführen.

Im Gegenteil, entsprechende Vorstöße der LINKEN werden im Sächsischen Landtag mit allen möglichen Ausreden seit Jahren abgelehnt.

Das Gleiche übrigens auch beim Jammern der so genannten Liberalen, es lohne sich nicht mehr arbeiten zu gehen, wenn der Hartz-IV-Regelsatz erhöht werde. Das sagen dieselben Leute, die auch gegen die Einführung des flächendeckenden, Existenz sichernden Mindestlohnes kämpfen, der am effektivsten dafür sorgen würde, dass alle Menschen, die arbeiten gehen, auch von ihrer Arbeit leben können. Was nämlich gern von den FDP-Vorkämpfern für niedrige Hartz-IV-Regelsätze und Niedriglöhne verschwiegen wird, ist, dass schon jetzt gerade auch in Sachsen viele Vollzeitbeschäftigte sogenannte „Aufstocker“ sind, also weniger verdienen als der Hartz-IV-Satz und daher ergänzende Unterstützung in Anspruch nehmen müssen, um mit ihren Familien überleben zu können.

Und noch eine letzte Bemerkung zu diesem Thema: Glaubt man den FDP-Aussagen, dann würden die meisten Hartz-IV-Empfänger ja ohnehin nicht arbeiten wollen. Dazu nur eine einzige Zahl: Nach Angaben des DGB kommen hier bei uns in Sachsen auf eine freie Arbeitsstelle 39 Hartz-IV-Empfänger. Es fehlt also offenkundig nicht am Willen, sondern an den realen Möglichkeiten, eine Beschäftigung aufzunehmen. Wenn FDP-Chef Westerwave wie auch der neue EU-Kommissar Oettinger schon nicht richtig englisch kann, so ist er doch vielleicht in der Lage, einfache Zahlen nachzuvollziehen.

Herr Westerwelle wird dieser Tage eigentlich nur noch durch einen traditionell mehr als merkwürdigen Politologen unterboten, der sich leider in Chemnitz niedergelassen hat, wofür diese Stadt, in der wir heute zusammensitzen, aber nun wirklich nichts kann.

Herr Jesse also tat vorgestern kund, dass die Nazis am 13. Februar in Dresden erstmals nicht marschieren konnten, sei eine „Niederlage für den Rechtsstaat“ gewesen. Dazu fällt einem ja nun aber gar nichts mehr ein, außer dass die sächsische CDU gut daran täte, sich endlich mal einen anderen Berater zu suchen.

Immerhin will selbst die Dresdner CDU-Oberbürgermeisterin Helma Orosz künftig besser mit dem Aktionsbündnis „Dresden Nazifrei“ zusammenarbeiten, das am Samstagabend noch im „Sachsenspiegel“ des MDR-Fernsehens als „linke Extremisten“ bezeichnet wurde.

Zur gleichen Zeit informierte übrigens MDR-Info seine Zuhörerinnen und Zuhörer objektiv darüber, dass – Zitat – „viele Dresdner und Anhänger der Linken“ mit Blockaden dafür gesorgt haben, dass die Nazis nicht marschieren konnten. Blockaden, von denen nicht nur nach Einschätzung des sächsischen Landespolizeipräsidenten Merbitz – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – keine Gewalt ausgegangen ist. Und so würdigte auch der Chefredakteur einer großen sächsischen Zeitung, die noch am Sonnabend in der Vorankündigung Nazis und Linke in einen Demonstranten-Topf geworfen hatte, den zivilen Ungehorsam der Blockierer, die es erkämpft haben, dass die Nazis erstmals keinen Meter in der sächsischen Landeshauptstadt marschieren konnten. Daher – Zitat – „darf diese Taktik allemal durchgehen“.

Man sieht an diesen wenigen Medienauszügen, dass die veröffentlichte Meinung derzeit noch große Anstrengungen unternehmen muss, um sich von lieb gewonnenen Klischees zu befreien. Im Interesse ihrer künftigen eigenen Bedeutung kann man den Verantwortlichen in den Redaktionen von Zeitungen, Funk und Fernsehen nur empfehlen, diesen Lernprozess beherzt voranzutreiben.

Fakt bleibt nämlich, dass die Mobilisierung der überwiegend linken Organisationen, die vor allem via Internet gelaufen ist und neben den etablierten Medien auch die Justiz und die herrschende Politik gegen sich hatte, am Ende auch zahlenmäßig mindestens genauso erfolgreich gewesen ist wie die auf allen Kanälen wochenlang betriebene massive Werbung für die Menschenkette. Und dass, obwohl die Teilnahme an der Blockade erheblich risikobehafteter und anstrengender gewesen ist.

Ich habe nichts gegen die Menschenkette, im Gegenteil, ich habe mich an ihr persönlich beteiligt. Ich war aber zuerst bei der Blockade und habe dort mehr Zeit zugebracht als bei jedem anderen meiner Termine anlässlich des 13. Februar in Dresden. Und dafür gibt es einen ganz einfachen Grund: Das stärkste Zeichen in der Politik ist die Tat. Die Tat des Tages am 13.2. in Dresden war die friedliche Blockade des europaweit größten Naziaufmarsches.

Auch wenn es manchen nicht gefällt, Fakt ist: Es war nicht die Menschenkette, die verhindert hat, dass die Nazis marschieren, sondern es war die Zivilcourage von weit mehr als zehntausend Menschen rund um den Bahnhof Dresden-Neustadt.

Man stelle sich nur mal einen Augenblick vor – ich rede jetzt nicht für Herrn Jesse, der begreift sowieso nichts –, man lasse nur mal ein paar Sekunden lang die Fernsehbilder am inneren Auge vorbeiziehen, die es gegeben hätte, wenn wir uns den Nazis nicht in den Weg gestellt hätten: Hier (in der Dresdner Altstadt) Menschen, die sich an den Händen halten, dort (in der Neustadt) eine große braune Horde, die ungehindert durch die Straßen der Landeshauptstadt marschiert und ihre Nazi-Parolen schreien darf. Besser hätte man die Hilflosigkeit von Demokratie und Rechtsstaat nicht illustrieren können.

Und deshalb sollten diejenigen, die zu Recht stolz auf den großen Zuspruch für die parteiübergreifend unterstützte Menschenkette in der Dresdner Altstadt sind, vielleicht auch ein klein wenig denen dankbar sein, die in der Neustadt den Nazis direkt entgegengetreten sind.

Vielleicht begreifen jetzt auch ein paar mehr Abgeordnete in den anderen demokratischen Fraktionen, warum es eine völlig abwegige Idee gewesen ist, die NPD-Fraktion auf derselben Etage unterbringen zu wollen, wo auch DIE LINKE ihre Räume hat. Der Landtagspräsident hat inzwischen die Notbremse gezogen und einen Vorschlag unterbreitet, der den Irrsinn beenden kann, der sich in den letzten Monaten in der Raumfrage anbahnte.

Ich habe in den gut 15 Jahren, die ich jetzt dem Parlament angehöre, noch nie Gelegenheit gehabt, mich bei Herrn Rößler für irgendetwas zu bedanken. Wenn das Landtagspräsidium jetzt aber seinem Vorschlag folgt, werde ich es gerne tun.

Keinen Grund zu Dankbarkeit gibt es dafür, was wir alle erleben müssen, seit Schwarz-Geld, äh Pardon Schwarz-Gelb in Sachsen regiert. Dass von dieser Landesregierung jeder Unsinn gefördert wird, den die schwarz-gelbe Bundesregierung verbockt, verwundert wenig. Und so kämpfte auch der Freistaat Sachsen für das Mehrwert-Steuerprivileg für Hotels und stimmte der Kürzung der Bundeszuschüsse für die von den Kommunen zu tragenden Kosten der Unterkunft zu, um gleichzeitig die Streichungen bei der Kinder- und Jugendarbeit um ein Drittel anzukündigen. Begründung: Der Staat hat kein Geld mehr.

Fehlt nur noch der Ratschlag der Landesregierung an Sachsens Eltern, bitteschön mehr Freizeit mit ihren Kindern in Hotels zu verbringen!

Natürlich können weder FDP noch CDU in Sachsen derzeit einen Zusammenhang zwischen fehlendem Geld für Bildung, Kultur und Soziales auf der einen Seite und Steuergeschenken für einige wenige weiß Gott nicht in Armut lebende gesellschaftliche Gruppen auf der anderen Seite erkennen.

Daran sieht man einmal mehr, dass die selbst ernannten bürgerlichen Parteien wirklich nicht mit Geld umgehen können. Deshalb brauchen sie ja auch ständig Nachschub durch Großspenden, siehe die aktuelle Millionengabe von „Mövenpick“ an die FDP, die natürlich überhaupt nichts mit Käuflichkeit von Politik zu tun hat. Aber vielleicht könnte uns auch bei diesem umstrittenen Thema Dolly Buster zur Erleuchtung via „Bild“ verhelfen. Aber dazu ist keine Aussage von ihr überliefert.

„Bild“ lesen ist – nun ja, hätte ich schon mehr Bier getrunken, wie es ja bei Politischen Aschermittwoch-Veranstaltungen traditionell vorgeschrieben ist, würde ich mir vielleicht getrauen zu sagen – also „Bild“ lesen ist manchmal wirklich geil. Da las ich neulich, André Hahn wolle die richtigen Männer abschaffen. Weil wir ein „Gender-Mainstreaming-Kompetenz-Zentrum“ für Sachsen beantragt haben. Dass es Vergleichbares in anderen Bundesländern gibt und auch im sächsischen Landeshaushalt das Wort „Gender Mainstreaming“ vorkommt, ficht „Bild“ nicht an.

Tatsächlich meint dieser gewöhnungsbedürftige Begriff aus der Fachsprache nichts anderes als dass in allen gesellschaftlichen Bereichen die spezifischen Interessen und Fähigkeiten von Frauen und Männern bei der Entwicklung der Politik zu berücksichtigen sind. Das bedeutet praktisch: Wir brauchen mehr Professorinnen, aber eben auch mehr Kindergärtner.

Es heißt aber nicht, dass jeder Mann stricken können muss oder Frauen im wahrsten Sinne des Wortes bei sämtlichen Aktivitäten künftig immer oben sein müssen.

Es gibt auch in unserer Fraktion noch keine Arbeitsgruppe „Projekt schwangerer Mann“. Sie wird erst gegründet, wenn ich dafür die ganze Titelseite der Bundesausgabe von „Bild“ bekomme. Angesichts der Komplexität des Themas ist allerdings mit konkreten Ergebnissen vor meinem Eintritt ins Rentenalter leider wohl nicht mehr zu rechnen.

Bei manchen frisch ernannten Ministern der neuen schwarz-gelben Landesregierung wünschte man sich allerdings, sie hätten das Rentenalter schon erreicht – wenn das nicht für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler so kostspielig wäre. Zum Beispiel Herr Morlok. Dieser Wirtschaftsminister von der FDP ist ja sogar Vizeministerpräsident, kaum zu glauben, aber wahr. Aber in Zeiten, da ein Guido Westerwelle Bundesaußenminister und Vizekanzler ist, ist offenbar alles möglich.

Herr Morlok hat sich ebenfalls an der Gruppe der Hartz-IV-Bezieher vergriffen, im Grunde noch brutaler als Westerwelle. Morlok hat mit dem Abbruch des Kommunal-Kombi-Programms in Sachsen gleich mehrere Hundert Langzeitarbeitslose um die Hoffnung auf eine Existenz sichernde Berufstätigkeit gebracht. Die Taten der FDP sind nämlich noch schlimmer als die Worte. Auch wenn Herr Morlok, der laut „Zeit“ keinen klaren Gedanken zustande bringt und nur „Wortsalat“ produziert – „Die Zeit“ als Wochenzeitung des liberalen Bildungsbürgertums muss es ja wissen –, auch in der Wortwahl nicht hinter Westerwellescher Qualität zurückbleibt: Er nannte „Kommunal-Kombi“ in einem Atemzug mit „Arbeitsdienst“, den es zu Nazi-Zeiten gab und begriff trotz kritischer Nachfragen der LINKEN nicht, was er damit eigentlich gesagt hat.

Leider besteht politischer Frühpensionierungsbedarf auch beim sächsischen FDP-Justizminister. Das tut mir in der Seele weh, denn als Jürgen Martens noch in der Opposition war, gehörte er zu den Guten, mit denen wir wichtige politische Projekte der Kontrolle der Regierung gemeinsam verwirklicht haben – zum Beispiel die Einsetzung des Untersuchungsausschusses zum „Sachsensumpf“. Dass Martens nun beim Versammlungsgesetz Regelungen zusammen mit den Hardlinern in der CDU durchgepeitscht hat, die er – wäre er noch Opposition – als verfassungswidrig brandmarken würde, ist erschütternd. Und deshalb kann ihm auch die Erschütterung nicht erspart werden, die wir ihm zusammen mit anderen demokratischen Oppositionsfraktionen durch eine Klage vor dem Sächsischen Verfassungsgerichtshof gegen dieses verfassungswidrige Gesetz antun müssen.

Und ich war schon regelrecht bestürzt, als Justizminister Martens im Landtag allen Ernstes behauptete, wir würden doch nur deshalb klagen, weil wir den Weg für den Aufmarsch der Nazis freimachen wollten, um dann Steine schmeißen zu können. Auf diesem Niveau wird Sachsen derzeit regiert. Da fällt einem nichts mehr ein.

Dass das Sächsische Versammlungsgesetz in der von Schwarz-Gelb behaupteten Weise eben nicht funktioniert, haben wir ja alle durch die Ereignisse des 13. Februar in Dresden vorgeführt bekommen.

Die Nazis hätten trotz eines Versammlungsgesetzes, das sich am Grundrecht der Demonstrationsfreiheit vergreift, marschieren können – wenn wir sie nicht zusammen mit vielen anderen Bürgerinnen und Bürgern daran gehindert hätten. Das ist die Wahrheit, und an dieser Wahrheit kann sich auch die Sächsische Staatsregierung nicht mehr vorbeimogeln!

Mit Gesetzen tut sich Schwarz-Gelb in Sachsen sowieso schwer, was zu einem verheerenden Arbeitszeugnis führen würde, müsste ein solches für das Kabinett von Ministerpräsident Tillich geschrieben werden. Da musste man z.B. das Nichtraucherschutzgesetz nachbessern, das die alte CDU/SPD-Koalition in den Sand gesetzt hatte. Das Verfassungsgericht forderte Korrekturen, und was haben wir jetzt?

Volljährige Berufsschüler dürfen auf dem Schulgelände rauchen, volljährige Gymnasiasten nicht. Scheinbar ist die jugendliche Lunge angehender Akademiker schutzwürdiger als das Atemorgan künftiger Handwerker und Facharbeiter.

Noch verrückter ist die geplante Aufhebung kommunaler Baumschutzsatzungen. Während die ganze Welt darüber diskutiert, wie wir mehr für den Klimaschutz tun können, geht Schwarz-Gelb den „grünen Lungen“ an den Kragen. Es ist nämlich für die ökologische Wirksamkeit eines großen, alten Baumes völlig unbedeutend, ob er zufälligerweise auf privatem oder öffentlichem Grund steht. Zur Sozialverpflichtung des Eigentums gehört nach unserer Auffassung auch die Verpflichtung zu ökologisch nachhaltiger Bewirtschaftung von Grund und Boden. Dass die öffentliche Hand selbst oft nicht mit gutem Beispiel vorangeht und etwa für Straßenbau geopferte Bäume nicht in angemessenem Umfang ersetzt, ist schlimm genug. Es ist aber kein Freibrief dafür, das Ortsbild unserer Städte und Gemeinde mit der enthemmten Kettensäge zu verunstalten.

Das Verrückteste an diesem „Baum-Ab-Gesetz“ ist ja, dass es den Menschen im Land allen Ernstes als erster und wichtigster Beitrag zum Bürokratie-Abbau verkauft werden soll. Es ist einer der beiden einzigen Punkte, die von dem jahrelang mit großem Klamauk betriebenen „Paragrafen-Pranger“ der Vorgänger-Regierung übrig geblieben ist:

Sonntagsöffnung für Videotheken und Autowaschanlagen sind Punkt 1 und das genehmigungsfreie Fällen großer Bäume auf Privatgrundstücken ist Punkt 2.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Flath sprach ja neulich davon, dass das christlich-konservative Politik-Profil seiner Partei gestärkt werden müsste. Auf die Frage, was das konkret bedeute, sagte Flath, das wisse er auch nicht, da müsse man Professoren befragen. Ich befrage die Realität der Politik einer von der CDU angeführten Landesregierung, um wahrzunehmen, welche Werte im Mittelpunkt christlich-konservativer Politik in Sachsen stehen:

Sonntägliches Pornogucken und Autowaschen, Rauchen in der Schule und Abhacken von Bäumen, deren Laub stört. Das ist hierzulande die neue christlich-liberale Leitkultur! Da sage ich nur: Gute Nacht, Sachsen!

Zu jeder Leitkultur gehört auch das passende Leitbild. Der in Aussprache wie Aussage unnachahmliche Herr Morlok hat das dieser Tage geliefert: Sachsen solle bis zum Jahr 2020 „Geberland“ werden. Das heißt: Nachdem Sachsen seit 1990 insgesamt 400.000 mehr Menschen – zudem überwiegend junge, hoch qualifizierte Leute – an die westdeutschen Bundesländer abgegeben hat, als von dort hierher gekommen sind, sollen wir bald auch noch Geld hinterherschicken. Das ginge dann vor allem an bisherige Geberländer wie Baden-Württemberg, die bereits zu den Hauptprofiteuren der Abwanderung aus Sachsen gehören. Der sächsische FDP-Wirtschaftsminister Morlok spricht also nicht nur die Sprache des Schwabenlandes und versteht sich selbst als „waschechten Schwaben“, er vertritt offenbar auch vorrangig die wirtschaftlichen Interessen jenes Bundeslandes, für das eigentlich die Regierung in Stuttgart zuständig ist.

Als Sachverwalter sächsischer Interessen hat Morlok gerade erst eine schwere Niederlage erlitten: Ein sächsisches Vorzeigeunternehmen will nach eigenem Bekunden nun eine „Musterfabrik in Brandenburg“ errichten – für Solaranlagen-Produktion. Die nächsten hundert Arbeitsplätze dieses hochinnovativen Wirtschaftszweiges entstehen also in unserem Nachbarland.

Dafür habe ich natürlich durchaus Verständnis, denn der Wirtschaftsminister in Brandenburg heißt Ralf Christoffers und ist ein LINKER. Kluge Unternehmer, die ihrem Namen gerecht werden und wirklich etwas unternehmen, was Beschäftigten wie Verbrauchern zugute kommt, wissen, was sie an der LINKEN haben: einen verlässlichen Partner. Das funktioniert auch schon seit vielen Jahren erfolgreich in Berlin mit unserem Wirtschaftssenator Harald Wolf.

Mit der FDP klappt das weniger gut, nicht im Bund und in Sachsen schon gar nicht. Denn die hiesige FDP, die von einem Duo angeführt wird, das neben der FDP-Fraktion und dem FDP-Landesverband auch noch gemeinsam eine Werbeagentur leitet, kann nur eines: gut verkaufen. Und auch damit geht es zunehmend bergab. Vom soliden Produzieren hat diese FDP keine Ahnung. Auf Dauer kommen sie damit nicht durch, weil sich die Kunden bzw. Wähler geprellt fühlen: Dem perfekt inszenierten Landtagswahlkampf folgte ein Totalausfall in der neu errungenen Regierungsverantwortung.

Das begann damit, dass die eine Hälfte der Werbeagentur-Spitze, zugleich Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, nach der Wahl die Parlaments-Alterspräsidentin Edith Franke aus der Fraktion DIE LINKE, öffentlich beschimpfte, weil sie nicht bereit war, den Landtag Husch-Husch ganz schnell vor der Bundestagswahl zur Konstituierung zu rufen.

Denn die FDP wollte werbewirksam im Eiltempo die neue Regierung ins Amt wählen lassen. Doch dann stellte sich heraus, dass die andere Hälfte der Werbeagentur-Spitze, zugleich FDP-Fraktions- und Landesvorsitzender, selbst gar nicht in die Regierung will, obwohl er als Spitzenkandidat im Wahlkampf behauptete, die SPD als Juniorpartner der CDU am Kabinettstisch ablösen zu wollen.

Und so freute sich die FDP, dass sie dank der Besonnenheit der LINKEN Alterspräsidentin mehr Zeit zum Nachdenken über ihr eigenes Regierungspersonal hatte. Das Problem ist nur: Wenn unsere Alterspräsidentin nachdenkt, kommt was Vernünftiges dabei heraus; wenn sich Sachsens FDP-Spitzen im Nachdenken versuchen, sind die Ergebnisse unterirdisch. Einen Vize-Ministerpräsidenten Sven Morlok haben die Sachsen nun wirklich nicht verdient, auch wenn sie deutlich zu viel FDP gewählt haben!

Ich finde, der Mann sollte schnellstens abgelöst werden!

Nun sind Namen bekanntlich Schall und Rauch, auf die Inhalte der Politik kommt es an. Jedenfalls im Prinzip, auch wenn der tägliche Blick in die Zeitung oftmals von anderem kündet, sogar wenn es um DIE LINKE geht … Der wichtigste Inhalt auf Landesebene ist die Bildungspolitik, erstens weil es bei keinem Thema so sehr um die Zukunft des Landes geht und zweitens weil der Landtag bei keinem anderen Thema so viel eigenständige Entscheidungskompetenz hat wie bei Bildungs-, insbesondere Schulthemen.

Deshalb haben wir ja auch als LINKE unseren Alternativen-Haushaltsansatz, den wir regelmäßig dem Doppelhaushalt der jeweiligen Mehrheit entgegengestellt haben, mit „Bildung statt Beton“ überschrieben.

Wobei man unter „Beton“ nicht nur überflüssige Prestigeprojekte und unnötige Asphaltierung von Feldwegen, sondern auch Betonköpfigkeit verstehen mag. Zur bildungspolitischen Betonköpfigkeit zählt in Sachsen das CDU-Dogma, dass Kinder nach der 4. Klasse in unterschiedliche weiterführende Schulen zu trennen sind.

Die SPD hatte in ihren fünf Jahren Mitregieren der CDU nur einige wenige Gemeinschaftsschulen als Pilotprojekte abgetrotzt – gewissermaßen pro Jahr anderthalb Gemeinschaftsschulen. So kommt man mit der notwendigen Reform des Schulsystems nie aus dem Knick, auch die FDP hat deshalb aus der Opposition heraus nicht mit Hohn und Spott angesichts des sozialdemokratischen bildungspolitischen Schneckentempos gegeizt und ist mit der Werbung für längeres gemeinsames Lernen in den Wahlkampf gezogen.

In der Tat ist die FDP in der Regierung schneller als die SPD, aber leider in die entgegengesetzte Richtung: Das zarte Pflänzchen Gemeinschaftsschule soll wieder zertreten und die Hürde des Zugangs zum Gymnasium soll erhöht werden. Als jemand, der neben Studium und Promotion auch auf eine Schriftsetzer-Ausbildung zurückblicken kann, bin ich der letzte, der die Auffassung vertritt, dass zur vollendeten Menschwerdung der Akademiker-Status gehört. Wir haben aber zur Kenntnis zu nehmen, dass sich die Arbeitswelt in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch gewandelt hat und die Zeiten vorbei sind, in denen man allein mit seiner Hände Arbeit weit kommen konnte.

Nach den Maschinen hat der Computer seinen Siegeszug angetreten, und die von Schwarz-Gelb behauptete „Praxis-Elite“ gibt es schon deshalb so gar nicht mehr, weil die Theorie und die Informationstechnologie nahezu alle Berufs- und Lebensbereiche dominieren. Verschärfend kommt hinzu:

Der Arbeitsmarkt unserer Tage verlangt immer mehr nach Akademikern, der apostrophierte Fachkräftemangel ist im Wesentlichen ein Akademikermangel. Wer wie Schwarz-Gelb in Sachsen den Eintritt in eine Schulbildung erschwert, die zur Hochschulreife führt, legt die Axt an die Zukunft des Freistaates Sachsen! Insofern folgen die Abschaffung der Baumschutzsatzungen und der Gemeinschaftsschulen demselben destruktiven Leitbild: Egoismus gegen Gemeinsinn, Privatisierung des Profits und Sozialisierung der Kosten, Bildungsprivilegien für wenige statt gleiche Bildungschancen für alle!

Spätestens jetzt würde CDU-Kultusminister Wöller die PISA-Schallplatte auflegen: Was wollen Sie denn, wir stehen doch deutschlandweit beim Leistungsniveau der Schülerinnen und Schüler vergleichsweise gut da? Das bestreitet niemand, Sachsens Lehrerinnen und Lehrer, die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler und viele Elternhäuser sind Klasse!

Das hat gute historische Gründe: Durch die jahrhundertelange Tradition einer dichten Industrie-, Wissenschafts- und Kulturlandschaft, gepaart mit der Erfahrung aus vierzig Jahren DDR, dass Können mehr zählt als Herkunft, Bildung wichtiger war als Kapital, haben wir in Sachsen optimale Voraussetzungen für ein erfolgreiches Bildungswesen. Diese gute Ausgangsposition konnten selbst CDU- bzw. von der CDU geführte Regierungen nicht ruinieren, die über ein Jahrzehnt hinweg weniger pro Schüler in Bildung investiert haben als alle anderen Bundesländer.

Auch bei der frühkindlichen Bildung ist Sachsen bei der Ausstattung pro Kita-Kind im Vergleich mit den meisten Bundesländern weit hinten.

Dass es in Sachsen eine bessere Versorgung mit Kinderbetreuungsplätzen als in den alten Bundesländern gibt, ändert an dieser Bewertung nichts, denn:

Dafür kann die sächsische Staatsregierung nichts, das ist das Erbe der – nun ja, beinahe Auge in Auge mit dem Karl-Marx-Monument hier in Chemnitz fasse ich mir ein Herz und traue es mich zu sagen –, also dass es in Sachsen deutlich mehr Krippen- und Kindergartenplätze als in Bayern gibt, hat etwas mit dem Staat zu tun, der vor 20 Jahren aufhörte zu existieren. Für alle, die es sich abgewöhnt haben, zwischen den Zeilen zu lesen und zu hören: Natürlich ist auch daran die DDR schuld, an den vielen Kita-Plätzen, meine ich!

Kurt Biedenkopf versuchte es in den neunziger Jahren mit einem gesellschaftspolitischen Umerziehungsprogramm. Er wollte – so wörtlich im Bericht seiner sächsisch-bayerischen Zukunftskommission – die „unnatürliche Erwerbsneigung der ostdeutschen Frauen“ zurückdrängen. Bevor aber die sächsischen Frauen aus Wut aufhörten, ihn zu wählen, ließ „König Kurt“ von seinen Hausfrauenpredigten ab. Die CDU fand sich mit dem frühkindlichen DDR-Erbe ab, pfleglich behandelt aber hat sie es nie. Und so haben wir in sächsischen Kitas einen Personalschlüssel von einer Erzieherin auf 13 Kinder, im rot-rot regierten Berlin sind es 1:10 – trotz der drückenden Erblast der finanzpolitischen Misswirtschaft der alten Westberliner CDU!

Nun sollte es in Sachsen ein klitzekleines bisschen besser werden, Ministerpräsident Tillich wagte vor nunmehr anderthalb Jahren sein bisher einziges konkretes Versprechen: eine Verbesserung des Kita-Personalschlüssels auf 1:12. Daraus wurde dann nichts, weil Herr Tillich das dafür notwendige Geld nicht in den Landeshaushalt zu schreiben bereit war und sich sein Versprechen von den finanziell schon jetzt ausgemergelten Städten und Gemeinden bezahlen lassen wollte.

Das gleiche Spiel erlebten wir dann mit der Feuerwehrrente – vor der Landtagswahl das große CDU-Versprechen, nach der Wahl nur noch ein Versprecher.

Denn auch hier sollten die Kommunen zahlen, was sich schwarze Landesfürsten gnädigerweise ausgedacht hatten. Herr Tillich hat daraus seine Schlussfolgerungen gezogen und verspricht nun nicht mehr, sondern weniger – zum Beispiel ein Fünftel weniger Landesbediensteter. So ganz nebenbei in der ersten Regierungserklärung nach der Wahl seine einzige verbindliche Ansage zu Zukunftsperspektiven: massiver Personalabbau.

Bevor CDU und FDP durchs Land ziehen und die Leute glauben machen konnten, das sei doch auch ein Beitrag zum Bürokratieabbau, wenn man die Zahl der Bürokraten reduziert, haben wir öffentlich nachgerechnet. Guckt man sich nämlich an, wo die größte Zahl von Personalstellen im Landesdienst ist, kommt man schnell auf zwei Berufsgruppen: Lehrer und Polizisten. Also habe ich Herrn Tillich gefragt, ob er Lehrer und Polizisten entlassen, also den Personalabbau im Polizei- und Schuldienst verschärft vorantreiben will. Antwort: Schweigen im Walde.

Das ist übrigens auch der Grund dafür, dass Herr Tillich in meinem heutigen Beitrag erst so spät auftaucht, obwohl eine politische Aschermittwochsrede doch eine Grundsatz-Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner sein soll, und das ist ja aus Sicht des Oppositionsführers normalerweise in erster Linie der amtierende Regierungschef. Der Mann ist aber fast nie da.

Hätte es nicht den Streit darüber gegeben, ob er so lange und mit so großem Gefolge zu den Olympischen Winterspielen nach Kanada reisen muss, wäre vielen gar nicht aufgefallen, dass Tillich noch in der Staatskanzlei sitzt.

Dass Sachsen einen Ministerpräsidenten hat, nimmt die Öffentlichkeit mittlerweile fast nur noch zur Kenntnis, wenn er per Pressemitteilung die Absicht äußert, sich außer Landes zu begeben.

Das war bei Biedenkopf und Milbradt anders. Biedenkopf war mit seinem Welterklärungsprogramm allgegenwärtig, und Milbradt ging uns mit seinen Rechenschieber-Reden ständig auf die Nerven. Tillich ist weg, wie abgetaucht, eine Art Untergrund-MP …

Mit Milbradt konnte man sich streiten, Tillich dagegen ist wie ein toter Briefkasten. Im Wahlkampf hat er sich vor jeder direkten Auseinandersetzung gedrückt. Vom demokratischen Wettstreit um die besten Ideen hält er offenkundig nicht sehr viel. Nach der Wahl wollten wir als LINKE wissen, welche Konsequenzen Tillich aus dem Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes zieht, dass der damalige Finanzminister Tillich und Ministerpräsident Milbradt beim Notverkauf der sächsischen Landesbank in verfassungswidriger Weise den Landtag umgangen haben. Schließlich hat Tillich, ob als Minister oder Ministerpräsident, seinen Amtseid auf die Landesverfassung abgelegt. Trotzdem hat er die Verfassung, so urteilt das höchste sächsische Gericht, in einer bedeutsamen Angelegenheit gebrochen. Da möchte man doch wissen, welche Lehren Herr Tillich daraus zieht, bevor er sich erneut vereidigen lässt.

Seine Antwort: Schweigen. Auf weitere Nachfragen: Wieder Schweigen. Unterdessen sondierte der jetzige Finanzminister mit den Fraktionsvorsitzenden informell die Lage nach dem Verfassungsgerichtsurteil. Ich habe seine Einladung natürlich angenommen und mir angehört, was Herr Prof. Unland zu sagen hatte. Das ist eine Frage des Respekts und der Höflichkeit. Aber zu Lösungen kommen wir so nicht!

Wir sind nämlich keine königlich-sächsische Opposition, die ihre Befriedigung daraus bezieht, in Hinterzimmergesprächen am Herrschaftswissen Anteil zu haben. Unsere Aufgabe ist, die Regierung zu kontrollieren und Alternativen anzubieten. Beides natürlich in aller Öffentlichkeit. Denn Meinungs- und Willensbildung ist in einer Demokratie nicht an konspirative Zirkel geknüpft, sondern an Transparenz und Kommunikation, wenn man so will an den Gedankenaustausch aller mit allen.

Das fällt uns ja bisweilen auch in der eigenen Partei schwer. Da ich mich am Aschermittwoch wie gesagt mit den politischen Gegnern zu beschäftigen habe, erlaube ich mir, dieses Thema heute weitgehend auszulassen. Auch deshalb, weil ich nicht zu den Anhängern der Steigerungsreihe Freund – Feind – Parteifreund gehöre. Ich trinke mit Parteifreunden – wie hier heute Abend – lieber ein Bier, als Intrigen zu spinnen. Auf Dauer lebt man so besser, denn noch immer gilt der alte Spruch: Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein!

Ich will nicht Gruben graben, sondern Brücken bauen, denn eines muss man doch auch mit Blick auf unsere Wahlergebnisse von 2009 konstatieren: In punkto Geschlossenheit waren wir Sachsen im letzten Jahr im Osten der Landesverband mit den größten Reserven, um es mal etwas freundlich zu formulieren. Diese Reserven müssen wir endlich erschließen.

Am besten schon durch einen konstruktiven Beitrag Sachsens bei den anstehenden Entscheidungen auf Bundesebene, sowohl hinsichtlich der notwendigen programmatischen Klärungen wie auch hinsichtlich der neuen Parteiführung.

Zu letzterem nur soviel: Ich denke, eine Doppelspitze beim Parteivorsitz sollte keine Dauerlösung sein. In der jetzigen Situation der LINKEN ist es aber wohl richtig, und deshalb unterstütze ich auch die entsprechenden Personalvorschläge. Bei der Bundesgeschäftsführung kann ich mir ein solches Doppelpaket allerdings beim besten Willen nicht vorstellen und halte dies auch für kontraproduktiv. Hier setze ich auf eine weise Entscheidung des Parteitages. Mehr will ich dazu heute nicht sagen.

Der Aschermittwoch ist der Tag der Auseinandersetzung mit den politischen Kontrahenten und insbesondere den Regierenden. Deshalb habe ich heute so gut wie nichts zu den Grünen und zur SPD gesagt.

Bei den Grünen schielt offensichtlich auch Frau Hermenau perspektivisch in Richtung Jamaika. Ich denke, das ist ein Irrweg. Wer eine nachhaltig andere Politik im Bund wie auch auf Landesebene will, darf nicht mit der CDU regieren, sondern muss sie für möglichst lange Zeit in die Opposition schicken.

Zur SPD nur soviel: Wenn jemand am Boden liegt, sollte man nicht noch nachtreten. Deshalb will ich mich heute zurückhalten. Aber wer mit Frank-Walter Steinmeier den Chefarchitekten der Agenda 2010 zum Bundestagsfraktionschef macht, der hat offenbar noch immer nichts begriffen. Auf Landesebene gibt es mit Martin Dulig einen neuen Landesvorsitzenden. Was mit ihm an Zusammenarbeit möglich ist, wird die Zukunft zeigen. Ich bin da durchaus optimistisch. Wir jedenfalls bleiben gesprächsbereit. Und es gab ja in den letzten Jahren auch positive Erfahrungen, zum Beispiel bei der Kooperation mit Karl Nolle. Karl Nolle muss nun schon seit vielen Wochen das Krankenbett hüten und ich finde, wir sollten ihm von hier aus ganz herzliche Genesungswünsche übermitteln.

Auch wenn ich nicht das Bedürfnis habe, mich – wie einst der frühere SPD-Chef Kunckel und CDU-MP Biedenkopf – mit Herrn Tillich bei zweisamen Waldspaziergängen zu verlustieren, bin ich dafür, den Kalten Krieg endlich auch in der sächsischen Landespolitik zu beenden.

Leider besitzt Herr Tillich nicht die Kraft, Scharfmacher wie CDU-Fraktionschef Flath, der gerne Linke und Nazis in einen Topf wirft, in die Schranken zu weisen. So lange es in Sachsen keinen normalen Wettbewerb zwischen demokratischen Parteien um die besten Ideen gibt, sondern eine Art künstlichen Ausnahmezustand, werden sich die geistigen Potenziale dieser Gesellschaft im öffentlichen Raum nicht entfalten können.

Für die CDU ist’s so scheinbar am bequemsten. Sie ist auf Dauerregieren gebucht; ob mit SPD, FDP oder Grünen, ist zweitrangig. DIE LINKE wiederum soll nach dem Willen der Union auf ewige Opposition festgelegt werden, die Instrumente sind eine Prise Extremismusverdacht und eine Portion Populismusvorwurf.

Der intellektuelle Niedergang der CDU seit dem Ende der Ära Biedenkopf und die Schrumpfung einer christlichen Partei zu einem reinen Machtbeschaffungskartell für aalglatte Karrieristen ist das Ergebnis der Außerkraftsetzung eines inspirierenden Wettbewerbs.

Die CDU regiert in Sachsen nicht, weil sie besser ist als wir, sondern weil das Gros derer, die die Schlüsselstellen öffentlicher Meinungsbildung besetzt halten – und dazu gehört leider auch Herr Jesse –, sich nichts anderes vorstellen können, als dass in Sachsen die CDU regiert.

So ist Sachsen 20 Jahre nach dem Ende der DDR wieder in De-facto-Staatspartei-Verhältnissen angekommen.

Alle, die wollen, dass die so genannte friedliche Revolution wirklich eine gewesen ist, müssen sich dafür einsetzen, diesen Zustand zu überwinden!

Wir haben dafür in den letzten Jahren alternative Konzepte präsentiert, von einem Alternativen Landesentwicklungskonzept über ein komplettes Schul- und Hochschulgesetz bis hin zu einem 60-Punkte-Programm „Arbeiten und Wirtschaften in Sachsen – von der Krise in die Zukunft“.

Doch dass ein anderes Sachsen wirklich möglich ist, glauben wir selbst bisher zu wenig – auch das muss sich ändern!

Bevor hier im Raum angesichts der Erwartung des weiteren abwechslungsreichen Programms der Wunsch um sich greift, der Hahn möge doch jetzt auch machen, was er anfangs dem Westerwelle empfohlen hat, nämlich den Mund halten, will ich euch einen schönen Frühling verheißen. Dieses Versprechen wird garantiert in Erfüllung gehen, als Vorspiel haben wir diese Woche schon ein bisschen Tauwetter – ein gutes Omen für die politisch erstarrten sächsischen Verhältnisse!

Ganz zum Schluss noch etwas vermeintlich Unpolitisches. Im September vergangenen Jahres war ich bei meinem Amtsvorgänger Peter Porsch, um ihm zum 65. Geburtstag zu gratulieren. Pünktlich zum Jubiläum hatte er Post von seiner Versicherung bekommen.

Ich nenne aus Datenschutzgründen hier nicht den Namen, aber es ist jene, die im Fernsehen immer mit einem gewissen Herrn Kaiser geworben hat.

In dem Schreiben anlässlich seines Geburtstages heißt es u.a. (Zitat): „Wer wie Sie auf viele Jahre Lebenserfahrung zurückblicken kann, weiß auch, wie nah unbeschwerte und … belastende Tage in der Familie beisammenliegen können. Besonders wenn man einen Menschen lieb gewonnen hat und dann doch einmal Abschied nehmen muss, weil eben niemand ewig lebt….

Hand aufs Herz: Haben Sie dafür gesorgt, dass Ihre Angehörigen im Fall des Falles von belastenden (Kosten) für eine Bestattung freigehalten werden? Ersparen Sie sich und Ihren Angehörigen solche Diskussionen und sorgen Sie mit einer Sterbegeldversicherung rechtzeitig vor!“

Das ist kein Scherz – ich habe den Brief hier!

Ich kann mir nicht helfen: Irgendwie ist diese Gesellschaft in vielen Bereichen ziemlich krank. Wir als LINKE wollen nicht Arzt am Krankenbett des Kapitalismus sein. Wir wollen eine andere, eine solidarische Gesellschaft, in der es solche Schreiben nicht mehr gibt.

Bis dahin ist es ein langer Weg, aber wir haben die Kraft und auch die Ausdauer, ihn zu gehen.

Weil heute ein besonderer Tag ist, beende ich ausnahmsweise meine Rede hier in Chemnitz nicht mit „Glück auf“, sondern einfach mit Prost, denn ich denke, auch Ihr seid der Auffassung: Das Schwarze muss weg!

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