Erklärung heute im Sächsischen Landtag außerhalb der Tagesordnung
Thema: „Brüskierung des Parlaments durch den Sächsischen Staatsminister des Innern“
Sehr geehrter Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
Die Pressestelle des Sächsischen Staatsministeriums des Innern hat gestern Nachmittag bekannt gegeben, dass der Staatsminister des Innern, Markus Ulbig, für den heutigen Tag in das im Gebäude des Sächsischen Landtages gelegene Pressezentrum der LPK zu einer Pressekonferenz einlädt.
Gegenstand dieses Pressetermins soll die Vorstellung einer Expertise von Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis zu dem Thema: „Gutachten zur Gewaltenteilung und zur Verhältnismäßigkeit der Anordnung einer nachträglichen Funkzellenabfrage“ sein, das von der Staatsregierung offenkundig als Entgegnung auf die am 08.09.2011 dem Sächsischen Landtag zugeleitete und am 09.09.2011 an die Abgeordneten ausgereichte Unterrichtung des Sächsischen Datenschutzbeauftragten mit dem Titel „Bericht zu den nichtindividualisierten Funkzellenabfragen und anderen Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung durch Polizei und Staatsanwaltschaft Dresden in Bezug auf den 13., 18. und 19. Februar 2011 in Dresden“, Drs 5/6778, in Auftrag gegeben worden ist.
Es ist seit vielen Jahren regelmäßige Übung, fraktionsübergreifende Vereinbarung und ständiger parlamentarischer Brauch, dass an Tagen, an denen der Landtag seine Sitzungen im Landtagsgebäude abhält, in Räumlichkeiten des Landtages im allgemeinen und im Raum der Landespressekonferenz im besonderen, keine Pressetermine stattfinden und diese Räumlichkeiten vielmehr für die Betreuung von Besuchergruppen zur Verfügung gestellt werden.
Als absolut nachvollziehbarer Grund wurde bisher immer angeführt, dass im Interesse der Information der Allgemeinheit die beim Landtag akkreditierten bzw. dessen Sitzungen verfolgenden Vertreter der Medien nicht durch andere Termine davon abgehalten werden sollen, den Verlauf der Beratung des Plenums gemäß den mit der Tagesordnung der Plenarsitzung beschlossenen Beratungspunkten zu verfolgen.
Vor diesem Hintergrund erlangt der vom Staatsminister des Innern anberaumte Pressetermin bereits dadurch eine besondere Dimension, dass dadurch – offen und im Gebäude des Parlaments – die von diesem vorgesehenen Beratungsgegenstände und Beratungsabläufe ganz objektiv konterkariert werden.
Inhaltlich kommt hinzu, dass das Präsidium des Landtages hat am Donnerstag, den 8. September 2011, die Tagesordnung für die heutige 40. Plenarsitzung beschlossen hat. Diese sieht im Tagesordnungspunkt 9 die Behandlung von 2 Anträgen, und zwar den der Fraktion DIE LINKE zum Thema: „Sofort notwendige Konsequenzen aus der ’Dresdner Handygate’-Affäre unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Unterrichtung des Sächsischen Datenschutzbeauftragten ziehen!“, Drs 5/6869, und den der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: „Konsequenzen aus dem Bericht des Sächsischen Datenschutzbeauftragten zur Handydatenaffäre ziehen – Verhältnismäßigkeit der Mittel zur Strafverfolgung in Sachsen sicherstellen“, Drs 5/6872.
Die Staatsregierung hat nach unserer Geschäftsordnung die jederzeitige Möglichkeit, in der Plenarsitzung das Wort zu ergreifen. Statt diesen Weg zu wählen, notfalls auch auf der Grundlage einer hierzu eigens beigezogenen externen Expertise, wird jedoch mit der vom Innenminister gewählten Vorgehensweise eine das Parlament desavouierende und mit seiner Würde nicht zu vereinbarende Gegenöffentlichkeit geschaffen.
Statt den gewählten Volksvertretern Rede und Antwort zu stehen, wird der Presse ein Gutachten präsentiert, das bislang kein einziger Abgeordneter dieses Hauses offiziell zur Kenntnis bekommen hat.
Zugleich liegt darin eine Brüskierung des Sächsischen Datenschutzbeauftragten, dem nach Artikel 57 der Sächsischen Verfassung die Rechtsstellung, Kompetenz und Verfassungsaufgabe zukommt, das Recht auf Datenschutz zu wahren und das Parlament bei der Ausübung seiner parlamentarischen Kontrolle zu unterstützen.
Wir bitten daher den Herrn Präsidenten des Landtages, diesen Missbrauch des Gastrechts des Parlaments durch das Staatsministerium des Innern zu unterbinden und notfalls zur Meinungsbildung über das sachgerechte Vorgehen eine Entscheidung des Präsidiums des Landtages herbeizuführen. Der Umgang der Regierung mit dem Parlament ist in der bisherigen Form definitiv nicht länger hinnehmbar!