Rede auf dem Kreisparteitag der LINKEN im LK Bautzen zum Wahljahr 2009

Rede auf dem Kreisparteitag der LINKEN in Bautzen, 7. März 2009

(Anrede)

Keine Sorge, ich habe nicht die Absicht, hier heute eine Grundsatzrede zur Rolle und Bedeutung des gerade begonnenen Super-Wahljahres zu halten. Ich bin ziemlich sicher: Ihr alle wisst, worum es im Jahr 2009 geht.

Und das Jahr hat ja für DIE LINKE durchaus gut begonnen, wenn ich an die Landtagswahlen in Hessen denke. Das Daumendrücken vieler Genossinnen und Genossen hat sich gelohnt, und es war ein überaus wichtiges Signal, dass die LINKE erneut in einem westdeutschen Bundesland die 5-Prozent-Hürde überschreiten konnte.

Dass in Hessen eine rot-grüne Minderheitsregierung unter unserer Duldung letztlich gescheitert ist, hat nicht an der LINKEN gelegen, sondern an den massiven innerparteilichen Auseinandersetzungen in der SPD.
Dass uns trotz aller Negativ-Berichterstattungen in den Medien erstmals auch im Westen der Wiedereinzug in einen Landtag gelungen ist, war und ist ein großer Erfolg.

Ich möchte in meinem heutigen Redebeitrag nur zu drei Themen kurz Stellung nehmen. Erstens zur aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise, zweitens zur politischen Konstellation in Sachsen und drittens zu den heute hier zu treffenden Personalentscheidungen. Zunächst also zur Finanz- und Wirtschaftskrise.

Natürlich ist es angesichts der eingetretenen Situation unbestritten, dass jetzt auch staatliches Handeln geboten ist und alles getan werden muss, den Schaden zumindest zu begrenzen und dafür zu sorgen, dass die Finanzmärkte schnellstmöglich wieder in Gang kommen und die Banken wieder das
tun können, wofür sie eigentlich mal gegründet wurden, nämlich Kredite für Wirtschaft und Privatpersonen bereitzustellen.
Das letzte, was wir brauchen, ist eine nachhaltige Rezession mit dem Verlust Zehntausender Arbeitsplätze, wenngleich bei realistischer Betrachtung davon auszugehen ist, dass ein spürbarer Abschwung in der Wirtschaft wohl nicht mehr zu vermeiden sein. In einigen Regionen Sachsens hat sich beispielsweise die Kurzarbeit gegenüber dem Vorjahr schon jetzt vervierfacht.

Was sich in den letzten Monaten zugetragen hat, ist keine Naturkatastrophe, es ist die Folge von unverantwortlichem Handeln skrupelloser Bankmanager und dem Versagen sämtlicher politischer Kontrollinstanzen.
Die Liberalisierung der Finanzmärkte ist unter Bundeskanzler Schröder, also unter Rot-Grün, und auch unter Frau Merkel massiv vorangetrieben worden. Insofern bin ich schon einigermaßen erstaunt darüber, wer heute nun alles Eingriffe von Bund und Ländern in das Bankenwesen fordert oder gar über Teilverstaatlichungen nachdenkt.
Man muss Oskar Lafontaine nicht mögen, aber eines ist Fakt: Er wollte als Bundesfinanzminister eine europaweite Kontrolle der Finanzmärkte, er wollte ein Verbot von Hedge-Fonds und er wollte eine deutlich strengere Börsenaufsicht. Allerdings konnte er sich gegen Bundeskanzler Schröder damit nicht durchsetzen, und er traf zudem auch auf erbitterten Widerstand von Großbritannien und Frankreich, was letztlich mit dazu führte, dass er sein Amt zur Verfügung stellte.
Deutschland hat sich kontinuierlich daran beteiligt, den Finanzsektor zu deregulieren und zu liberalisieren.
Und noch einmal: Es war nicht nur die CDU, sondern es war vor allem die rot-grüne Bundesregierung, die seit der Jahrtausendwende immer wieder Weichen in die falsche Richtung gestellt hat. Ich nenne nur einige Beispiele, die unsere Bundestagsfraktion dankenswerterweise zusammengetragen hat:

2001 wurde der Anspruch auf eine den Lebensstandard sichernde gesetzliche Rente aufgegeben. Über die teilweise Privatisierung der Altersvorsorge jubelte vor allem die Finanzbranche, denn für Banken, Versicherungen und Investmentgesellschaften bedeutete dies gigantische Mittelzuflüsse.

Im Jahr 2002 beschloss der deutsche Bundestag das vierte Finanzmarktförderungsgesetz. Damit wurden die Anforderungen an den börslichen Handel gelockert, die Anlagemöglichkeiten von Fonds erweitert und der Handel mit Derivaten nunmehr auch im Immobiliengeschäft erlaubt.

Seit 2003 fördert die Bundesregierung die Verbriefung von Krediten zu Wertpapieren durch steuerliche Vergünstigungen. Die unüberschaubare Verlagerung von Risiken aus den Bankbilanzen auf die Finanzmärkte bekommt dadurch enormen Aufwind.
2004 schließlich machte Rot-Grün den Weg frei die umstrittenen Hedge-Fonds. Die hochspekulativen Fonds erhöhten den Renditedruck auf die gesamte Finanzbranche. Die Folge war eine drastische Zunahme waghalsiger Geschäfte.

Ab 2005 hat auch die nunmehr regierende Große Koalition keinerlei Stopp-Zeichen gesetzt. Noch im Jahr 2008 schließlich verabschiedete die Große Koalition in Berlin milliardenschwere Steuergeschenke für Private-Equity-Fonds. Diese Fonds legen ihr Vermögen in nicht börsennotierten,
mittelständischen Unternehmen an und pressen aus den jeweiligen Firmen überdurchschnittliche Gewinne, letztlich natürlich auf Kosten der Beschäftigten.
Die beiden letzten Bundesregierungen haben die Liberalisierung des Kapitalverkehrs fortwährend vorangetrieben, sowohl zwischen den Mitgliedsstaaten der EU als auch gegenüber Drittländern.
Zugleich wurde weder die Besteuerung von Kapitaleinkommen harmonisiert noch ein effizientes Kontrollsystem etabliert, um Steuerflucht zu vermeiden. Die Folgen dieser Regelungslücke waren erheblich: Die Besteuerung verlagerte sich zunehmend auf weniger mobile Faktoren wie Arbeit und Konsum (Stichwort Mehrwertsteuer).

Die öffentlichen Haushalte verarmten zusehens, und die Geldvermögen wuchsen schneller als das Bruttoinlandsprodukt.
Um die Haushaltslöcher zu stopfen, sahen viele Kommunen, aber auch der Bund zumeist nur einen Weg, nämlich massive Privatisierungen.
Ehemals öffentliches Eigentum wie Wasserwerke oder Energieversorger wurden verkauft und privaten Gewinn- und Spekulationsinteressen übergeben. Der jetzige Bundespräsident Horst Köhler plädierte ja 2003 sogar für die Privatisierung der Sparkassen. Zum Glück ist man ihm wenigstens hier nicht gefolgt.

Die politisch vorangetriebene Deregulierung und Liberalisierung haben dazu geführt, dass nicht mehr der Finanzsektor den Betrieben und Volkswirtschaften dient, sondern die so genannte Realwirtschaft inzwischen im Bann der Vorgaben der Finanzbranche steht.
Neue Akteure und Produkte ohne jeden volkswirtschaftlichen Nutzen haben die Risiken erhöht und den alltäglichen Druck auf Unternehmen und Ökonomien verstärkt. Allianz, Münchener Rück und Deutsche Bank gehören zu den größten Global Playern. Mit einem weltweiten Marktanteil von 21,7 Prozent steht die Deutsche Bank auf Platz 1 der Devisenspekulation.
Die Frankfurter Derivatebörse Eurex gehört zu den weltgrößten Börsen dieser Art: Allein an der Eurex wird das deutsche Bruttoinlandsprodukt nahezu sechzig Mal umgeschlagen. Eine irrsinnige Menge Geld, und das alles für blanke Spekulationsgeschäfte!

Ein Großteil der heutigen Probleme ist also nicht vom Himmel gefallen, sondern im wahrsten Sinne des Wortes hausgemacht. Deshalb muss es im kommenden Wahlkampf auch um das jahrelange Versagen der herrschenden Politik gehen.
Die Verantwortlichen dürfen sich nicht einfach dadurch davonstehlen, dass sie den von ihnen angerichteten Schaden nun mit dem Geld der Steuerzahler irgendwie reparieren. Auf Landesebene wie im Bund ist festzustellen, dass die Politik immer mehr die Hegemonie an die Wirtschaft abgegeben hat. Jetzt zahlen wir alle dafür den Preis.
Nunmehr reden wir auf der Bundesebene über ein Rettungspaket in Höhe von 500 Milliarden Euro – eine schier unglaubliche Summe.
Ich halte es für völlig unvorstellbar, dass derartige Beträge dem Finanzkapital in den Rachen geworfen werden, ohne dass die Politik über deren Verwendung entscheidend mitbestimmen kann.

Die LINKE erhebt daher drei ganz klare Forderungen:
Wir verlangen erstens sichere Vorkehrungen, damit sich solche Vorgänge wie gegenwärtig niemals wiederholen können. Es darf nicht mehr zugelassen werden, dass Milliardengeschäfte außerhalb der offiziellen Bankbilanzen geführt und es müssen endlich angemessene Haftungsregelungen für Vorstände und Aufsichtsgremien geschaffen werden. Und natürlich brauchen wir auch verbindliche Vorkehrungen zur internationalen Regulierung der Finanzmärkte.
Zum zweiten muss sichergestellt sein, dass die eingesetzten öffentlichen Gelder in angemessener Frist zurückgezahlt werden, sobald die Finanzwirtschaft wieder funktioniert.
Die Bereitstellung von zusätzlichem Eigenkapital ist richtig, doch es bedarf dafür natürlich auch einer Gegenleistung der Banken. Wo sich der Bund mit Geldern der Steuerzahler engagiert, muss der Staat auch an den Banken beteiligt werden.
Drittens ist aus meiner Sicht völlig klar: Die Verantwortlichen für das Banken-Desasters müssen zur Rechenschaft gezogen werden, juristisch und natürlich auch finanziell. Dabei geht es beispielsweise um die Rückforderung von bereits gewährten „erfolgsabhängigen“ Bonifikationen sowie Aktienoptionen oder sonstigen geldwerten Vorteilen.
Es kann doch nicht hingenommen werden, dass raffgierige Bankmanager Milliarden verzocken, ohne dass ihnen irgendetwas passiert, eine kleine Verkäuferin jedoch – wie wir es kürzlich erleben mussten – wegen 1,30 Euro auf die Straße gesetzt wird.
Kein Zweifel, die Lage ist sehr ernst, und die absehbaren Folgen sind bitter.
Die Bürger im Land haben daraus hoffentlich eines gelernt: Ein zügelloser Kasino-Kapitalismus kostet nicht nur Milliarden, sondern er bedroht letztlich auch die Demokratie.

Nun einige wenige Bemerkungen zur Situation in Sachsen.
Ich gehe davon aus, dass wir mit der von uns beschlossenen Wahlstrategie gute Voraussetzungen haben, um im kommenden Jahr erfolgreich zu sein.
Wir haben allen Grund, selbstbewusst und optimistisch in den bevorstehenden Wahlkampf zu gehen. Unser Ziel ist klar: Wir wollen die CDU endlich ablösen und das Land aus seiner Stagnation befreien. Ohne eine starke LINKE wird es in Sachsen keinen Politikwechsel geben! SPD und Grüne allein sind dazu viel zu schwach.
Glaubt man einigen Meinungsumfragen, so gibt es derzeit eine Mehrheit für Schwarz-Gelb. Ich sage dazu zwei Dinge: Niemand in Sachsen braucht eine solche neoliberale Regierung.
Und zum anderen: Wir als LINKE wollen keine Meinungsumfragen gewinnen, sondern Wahlen, und da bin ich nach wie vor sehr optimistisch. Denn wir sind die Alternative zur regierenden CDU, wie wir auch ganz praktisch beweisen.
Im Dezember letzten Jahres haben wir zum fünften Mal unseren alternativen Haushalt im Landtag präsentiert. Wir bewegten uns dabei wie in früheren Jahren im Haushaltsrahmen der Staatsregierung und haben für unsere Änderungen keinerlei Neuverschuldung veranschlagt.

Als LINKE haben wir dabei zwei zentrale Botschaften: Erstens wollen wir die Kinder in Sachsen verstärkt fördern denn hier liegt letztlich die Zukunft des Freistaates darstellen. Und zweitens wollen wir die einheimische Wirtschaft unterstützen und insbesondere die Klein- und Mittelständischen Unternehmen fördern.
Das zentrale sozialpolitische Projekt der LINKEN ist und bleibt die Einführung eines kostenlosen Mittagsessen an den Kindertagesstätten und Schulen unseres Landes. Es ist ja zu begrüßen, dass die SPD in Presseerklärungen und auch in Parteitagsbeschlüssen ebenfalls diese Forderung erhebt, doch davon werden die Kinder in Sachsen nicht satt. Ein gesundes Essen für alle Kita- und Schulkinder bedarf einer finanziellen Untersetzung und die muss spätestens nach den kommenden Landtagswahlen gesichert werden.
Der Bildungsetat ist naturgemäß jener Bereich, in dem wir die größten Aufstockungen vornehmen wollen. Aber wir haben auch die Unterstützung der wirtschaftlichen Entwicklung nicht vergessen.
Wenn unsere Änderungsanträge zur Geltung gekommen wären, dann läge die Investitionsquote in den Jahren 2009/2010 bei knapp 22 Prozent, und damit spürbar über den Plänen der Staatsregierung. Durch die Ablehnung unserer Änderungsanträge haben CDU und SPD es versäumt, einen spürbaren eigenen Beitrag zur Bekämpfung der drohenden Rezession und der auch in Sachsen absehbar steigenden Arbeitslosigkeit zu leisten.
Unser Alternativ-Haushalt war insofern auch deutlich wirtschaftsfreundlicher als der Entwurf der Staatsregierung. All das zeigt: Wir sind gut gerüstet, um die CDU 2009 auf die Oppositionsbänke zu schicken!
Die CDU allerdings wird ihre Strategie für das kommende Jahr wohl komplett überarbeiten müssen. Die geplante Schlammschlacht gegen die LINKE mit Blick auf die DDR-Vergangenheit muss nach den Pirouetten von Herrn Tillich wohl endgültig ad acta gelegt werden. Ich wiederhole auch heute noch einmal: Was ich dem Noch-Ministerpräsidenten vorwerfe, ist nicht dessen Funktion zu DDR-Zeiten, sondern die Art und Weise, wie er heute damit umgeht.

Ich habe bereits aus dem Kleinen Parteitag der LINKEN im Dezember vergangenen Jahres gesagt: Wenn man derzeit führende sächsische CDU-Politiker hört, hat man den Eindruck, dass die Herrschaften zeitlebens auf der Flucht sind: Herr Flath trat also in die CDU ein, um der SED zu entkommen, auch wenn sich bis heute niemand gemeldet hat, der seinerzeit daran interessiert war, ihn als Genossen zu haben. Herr Buttolo flüchtete in Kampfgruppe und CDU, um seine Kinder katholisch erziehen zu können, auch wenn es in der DDR erwiesenermaßen zigtausende gläubige Katholiken gab, die ohne Kampfgruppe und CDU ausgekommen sind.
Herr Tillich aber ist die Krönung und deshalb ja auch Ministerpräsident: Er interessierte sich damals eigentlich überhaupt nicht für Politik, wie er in einem Interview kundtat, und wurde deshalb nach entsprechender politischer Schulung in der Kaderschmiede der SED Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Kreises Kamenz, also so etwas wie ein realsozialistischer Vizelandrat.
Auch Herr Tillich geriet nur durch Flucht in die CDU, schließlich war der von ihm anvisierte Posten nur mit dem CDU-Parteibuch zu bekommen – das ist übrigens heute im neuen Großkreis Bautzen, zu dem Kamenz nunmehr gehört, nach meiner Kenntnis immer noch so …

Im Gegensatz zu mir war Herr Tillich ein DDR-Staatsfunktionär, und er hat sich nach der Wende auch nicht zeitweilig zurückgezogen, sondern aus dem Amt heraus für die letzte Volkskammer der DDR kandidiert, die ihn dann als Beobachter ins Europäische Parlament entsandte. Tillich war damit Anfang der 90er Jahre einer der bestbezahlten Politiker im neu gebildeten Freistaat Sachsen. Wir haben daraus keinen großen Skandal gemacht, weil es auch keiner ist.
Ein Skandal oder zumindest eine Frechheit allererster Güte ist allerdings, was derselbe Herr Tillich seit seiner Wahl zum Ministerpräsidenten vom Stapel gelassen hat. Er ließ ausrichten, dass er sich der These Flaths von der Gleichsetzung der LINKEN und der NPD wegen der Verwurzelung in diktatorischer Vergangenheit anschließt. Er hielt es auch nicht für nötig, dementieren zu lassen, dass er DIE LINKE als „Feinde“ bezeichnet haben soll.

Ich lasse mir ja von Menschen, die in der DDR um ihrer politischen oder weltanschaulichen Überzeugung willen berufliche und persönliche Nachteile erlitten haben, durchaus manches vorwerfen, auch wenn ich persönlich dafür objektiv nicht verantwortlich war.
Aber nicht von einem ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Rates des Kreises, der zu einem Zeitpunkt zur Karriere im Staatsapparat ansetzte, als viele kleine SED-Mitglieder mit wachsendem Nachdruck der Obrigkeit gegenüber ihren Unmut zum Ausdruck brachten, dass es so mit dem DDR-Staat nicht weitergehen könne. Herr Tillich hat nicht das Recht, Menschen zu beschimpfen, die sich in der DDR im Unterschied zu ihm aus ehrlicher Überzeugung und nicht aus reinen Karrieregründen engagiert haben!
Im Ergebnis der Debatten der letzten Wochen gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder war die DDR durch und durch ein Unrechtsstaat, dann hätte Herr Tillich qua herausgehobenem Amt aktiv an diesem Unrecht mitgewirkt und müsste sich fragen lassen, ob er heute glaubwürdig den Freistaat Sachsen repräsentieren kann.
Oder aber es gab tatsächlich auch ein paar gute Gründe, sich in der DDR in politische oder gesellschaftliche Verantwortung zu begeben – dann gilt das aber für alle und nicht nur für die Mitglieder der CDU!
Es gilt auch für Tausende Lehrer, Erzieher, Hochschullehrer, es gilt für Beschäftigte in Verwaltungen und gesellschaftlichen Organisationen, die in der offiziellen Hierarchie des öffentlichen Lebens in der DDR weit unter Herrn Tillich standen und trotzdem in den neunziger Jahren in Sachsen wegen angeblich zu großer „Staatsnähe“ in der DDR ihren Beruf verloren haben.
Die Union dagegen hat heute offenbar kein Problem damit, dass mittlerweile alle ostdeutschen CDU-Mitglieder im sächsischen Kabinett frühere „Blockflöten“ sind.

Und wenn der sächsische CDU-Generalsekretär dieser Tage von einer „kollektiven Vergebung“ sprach, dann war das wohl vor allem auf die mehr oder weniger schwarzen Schafe in den eigenen Reihen gemünzt und nicht zuletzt auf den Ministerpräsidenten selbst.

Wer es ernst meint mit ehrlichen Lehren aus den Demokratie-Defiziten der DDR, der darf nie wieder Pauschal-Urteile über Menschen vom Parteibuch oder politischen Bekenntnis abhängig machen. Der 20. Jahrestag der von der CDU gern beschworenen „friedlichen Revolution“ kann nach den kommenden Landtagswahlen zugleich der Anfang einer Ära ohne Staatspartei sein – die sächsischen Wählerinnen und Wähler haben es in der Hand!

Den Auftakt ins Superwahljahr bilden im Juni die Kommunal- und die Europawahl. Auch für das Europaparlament gehen wir diesmal mit einer eigenen Kandidatin ins Rennen, und Conny Ernst hat auf dem jüngsten Parteitag in Essen ja bekanntlich einen sicheren Listenplatz erhalten, so dass endlich auch Sachsen auf der europäischen Ebene wirkungsvoll repräsentiert wird.
Ein letztes Wort zur Situation hier im Landkreis:
Es ist kein Naturgesetz, dass die CDU alle Wahlkreise in eurer Region mit ihren Direktkandidaten gewinnt. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es uns 2009 gelingen kann, erstmals in Sachsen außerhalb der Großstädte Direktmandate zu erringen. Ob das hier im neuen Landkreis Bautzen möglich sein wir, vermag ich nicht zu beurteilen, aber ich bin da durchaus zuversichtlich, denn ihr habt gute Kandidatinnen und Kandidaten, die sich der Wahl stellen.

Die CDU in Sachsen vollzieht bei ihren Direktkandidaten derzeit einen abrupten Austausch ihrer bisherigen Abgeordneten, fast jeder zweite wurde abgewählt.
Mit einem normalen oder gar geordneten Generationswechsel hat das in meinen Augen nichts zu tun. Nicht nur in Dresden werden angesehene Parlamentarier regelrecht abgekanzelt, wenn ich beispielsweise an die Sächsische Ausländerbeauftragte Friederike de Haas denke.
Diejenigen, die in der CDU jetzt nach der Macht greifen, sind oft knallharte Karrieristen ohne jede Moral. Sie haben anders als ihre Vorgänger weder einen ernstzunehmenden christlichen Hintergrund noch ein soziales Gewissen.
Diesen Leuten dürfen wir unser schönes Land nicht noch weitere fünf Jahre überlassen!

Wenn ich eben gesagt habe, dass wir als LINKE hier in der Region gute Kandidaten haben, dann befinden sich darunter auch Bewerber für Mandate, die bislang weder dem Landtag noch dem Bundestag angehört haben. Ich begrüße das ganz ausdrücklich.

Aus der bisherigen Landtagsfraktion wird etwa ein Drittel der Abgeordneten ausscheiden, und da brauchen wir natürlich kompetenten Zuwachs, erst recht, wenn wir die CDU aus der Regierungsverantwortung ablösen wollen.

Zu offiziellen Verabschiedungen ist heute noch nicht der Anlass, zumal ja auch noch drei Sitzungswochen im Landtag vor uns liegen, aber ich bedauere außerordentlich, dass Regina Schulz für eine Wiederwahl nicht mehr zur Verfügung steht.
Regina hat die Landtagsfraktion über viele Jahre hinweg fachlich und vor allem auch menschlich bereichert. Sie hat DIE LINKE auch als 1. Vizepräsidentin des Landtags würdig vertreten, und für all das sage ich schon hier und heute ein ganz herzliches Dankeschön.

Zu jenen, die den Landtag verlassen werden, gehört auch die derzeitige Parlamentarische Geschäftsführerin Caren Lay. Caren hat sich entschieden, für den Bundestag zu kandidieren, und sie hat dabei meine volle Unterstützung. Fakt ist, dass ihre fachlichen Schwerpunktthemen Arbeitsmarkt, Verbraucherschutz und Soziales ganz wesentlich auf der Bundesebene entschieden werden. Ich hoffe sehr, auch Ihr unterstützt ihre Kandidatur mit einem klaren Votum und sorgt dann auch auf der Vertreterversammlung im Juni dafür, dass Caren einen sicheren Platz auf der Landesliste erreicht.

Der letzte Mohikaner, der wieder für den Landtag kandidiert, ist Heiko Kosel. Die Qualität seiner Arbeit könnt Ihr hier vor Ort sicher noch besser beurteilen als ich. Ich finde, Heiko gehört auch in die nächste Landtagsfraktion. Auf seine internationalen Kontakte und auch auf sein Wirken für die Interessen der sorbischen Minderheit können wir nicht verzichten.

Ich kann der Vertreterkonferenz und auch Eurem Votum hier natürlich nicht vorgreifen, aber eines will doch sagen: Eine solche Zitterpartie wie vor fünf Jahren auf Platz 30 sollte es nicht noch einmal geben.
Heiko gehört mindestens unter die ersten 20 auf der Landesliste, und dafür werde ich mich auch persönlich einsetzen.
Ich denke, Ihr habt Verständnis dafür, dass ich mich wertend heute nur zu jenen Kandidaten äußern kann, die ich aus jahrelanger gemeinsamer Arbeit in der Landtagsfraktion gut kenne. Zugleich aber freue ich mich, dass auch mehrere neue Bewerber antreten. Es liegt jetzt allein bei Euch, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Ich wiederhole auch heute, was ich schon bei meiner Wahl als Spitzenkandidat gesagt habe: Wir als LINKE sind bereit und wir sind auch fachlich wie personell in der Lage, noch mehr Verantwortung für unser Land zu übernehmen.
Die aufgeregten Diskussionen der anderen Parteien nach den Landtagswahlen vom vergangenen Jahr und auch nach unserem Wiedereinzug in Hessen haben gezeigt: LINKS wirkt und bringt endlich Bewegung in das politische Koordinatensystem der Bundesrepublik, und das ist auch gut so!

Als ich nach meiner Wahl zum Fraktionsvorsitzenden im Juli 2007 vorschlug, darauf hinzuwirken, die abgewirtschaftete CDU in Sachsen gemeinsam mit anderen demokratischen Fraktionen nach der nächsten Landtagswahl abzulösen, wurde dieses Ansinnen noch empört zurückgewiesen.

Inzwischen schließen auch Herr Dulig von der SPD und Frau Hermenau von den Grünen eine Koalition mit der LINKEN auch für Sachsen nicht mehr aus. Das begrüße ich. Entscheidend für eine mögliche Zusammenarbeit müssen aus meiner Sicht letztlich die gemeinsamen politischen Schnittmengen sein. Für eine Koalition um jeden Preis bin ich nicht zu haben!

Wir als LINKE haben klare politische Positionen und realisierbare Vorstellungen für die Entwicklung des Landes, stellen für sachorientierte Gespräche aber natürlich keine Vorbedingungen: Daran sollten sich auch andere potenziellen Partner halten.
Insofern ist es angesichts der Ausgangslage hier in Sachsen schon ziemlich befremdlich, wenn SPD-Fraktionschef Dulig versucht, den „Matschie“ zu spielen und erklärt, eine Koalition mit uns komme für die SPD nur dann in Frage, wenn die Sozialdemokraten stärker seien als die LINKE. Jeder hier im Land weiß, dass das auf absehbare Zeit nicht eintreten wird.

Dennoch braucht dieses Land dringend eine andere, sozial gerechtere Politik! Dafür steht die LINKE, und gemeinsam mit SPD und Grünen könnte diesbezüglich für die Menschen in Sachsen eine Menge erreicht werden, wenn unnötige (Selbst-)Blockaden endlich aufgegeben werden.

Zusammen wäre es z. B. möglich, eine anderes Schulsystem mit längerem
gemeinsamen Lernen sowie ein wirklich modernes Hochschulgesetz durchzusetzen. Die Zugangsbeschränkungen im Kindertagesstättenbereich könnten abgeschafft, die Familien- und Jugendförderung verbessert, die Bürgerrechte ausgeweitet und die Volksgesetzgebung erleichtert werden. Und nicht zuletzt geht es darum, den „schwarzen Filz“ in Sachsen endlich aufzulösen.
All das und vieles weitere geht ganz offenkundig nicht mit der CDU, wie die sächsische SPD inzwischen leidvoll erfahren musste. Seit 1990 wurde im Osten wohl noch nie ein kleinerer Koalitionspartner derart gedemütigt und konnte so wenig durchsetzen wie die hiesigen Sozialdemokraten. Die SPD muss sich entscheiden, ob sie künftig weiter höchstens 20 Prozent ihrer politischen Ziele mit der CDU realisieren oder 80 Prozent ihrer landespolitischen Vorstellungen gemeinsam mit uns umsetzen will.

Herr Tiefensee hat heute in einem Interview mit der „Sächsischen Zeitung“ erklärt: „Die SPD koaliert mit der Partei, mit der sie die meisten ihrer Projekte durchsetzen kann.“ Soweit so gut und auch richtig.
Doch schon wenige Zeilen später sagt der ehemalige Leipziger OB und heutige Bundesminister (wieder Zitat): „Die SPD wird weder im Saarland noch in Thüringen oder in Sachsen einen Ministerpräsidenten der LINKEN wählen.“

Absurder geht es kaum noch, denn das heißt doch im Klartext: Entweder wir als SPD stellen den Regierungschef, dann beschließen wir gemeinsam mit der LINKEN zum Beispiel ein neues, modernes Schulgesetz, oder aber wir liegen hinter der LINKEN, dann steigen wir im Zweifel lieber weitere fünf Jahre mit der CDU ins Bett und wählen einen CDU-Ministerpräsidenten, wohl wissend, dass sich dann am schlechten sächsischen Schulgesetz nichts ändern wird.
Wenn die SPD sich hier nicht korrigiert, dann müssen wir im Wahlkampf deutlich machen, dass es den Sozialdemokraten allein um die Macht geht und sie dafür offenkundig bereit sind, fast sämtliche politische Inhalte über Bord zu werfen, denn dass die SPD vor uns landet, glaubt noch nicht mal Herr Jurk selbst.

Im Übrigen gibt es in Deutschland klare parlamentarische Regeln: Die stärkste Fraktion innerhalb einer Koalition stellt den Regierungschef. Wir haben das in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin akzeptiert und gehen daher selbstverständlich davon aus, dass die Sozialdemokraten dies in Thüringen oder Sachsen im umgekehrten Fall ebenso tun.

George Bernhard Shaw hat einmal gesagt: „Demokratie ist ein Verfahren, das garantiert, dass wir nicht besser regiert werden, als wir es verdienen.“ Ich bin sicher, immer mehr Menschen in diesem Land spüren: Sachsen hat besseres verdient als Stanislaw Tillich und seine CDU!

Und ich füge hinzu: Der sicherste Weg zur Ablösung der Union ist eine starke LINKE. Packen wir es gemeinsam an!

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