Das neue Gesetz muss für alle Dopingopfer gelten
Dr. André Hahn (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein Zweites Dopingopfer-Hilfegesetz ist seit langem überfällig. Deshalb sind wir als Linke und deshalb bin ich froh, dass nun endlich ein Gesetzentwurf der Bundesregierung auf dem Tisch liegt. Immerhin liegen zwischen der Verabschiedung des ersten Dopingopfer-Hilfegesetzes und dem jetzigen Entwurf 14 Jahre. Dieses erste Dopingopfer-Hilfegesetz trat 2007, also schon vor über acht Jahren, wieder außer Kraft. Lediglich 194 Betroffene haben damals eine Entschädigung erhalten. Die Zahl der tatsächlich Anspruchsberechtigten soll deutlich höher sein. Die Schätzungen liegen zwischen 1 000 und 2 000 ehemaligen Sportlerinnen und Sportlern. Einige von ihnen sind inzwischen leider bereits verstorben. Umso wichtiger ist es, dass der Gesetzentwurf jetzt nicht nur in erster Lesung auf den Weg gebracht, sondern möglichst auch noch vor der Sommerpause hier im Parlament verabschiedet wird.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Bis dahin sollten wir die Chance nutzen, am vorgelegten Gesetzentwurf einige Änderungen vorzunehmen. Ich möchte aus Sicht der Linken hier nur drei Punkte nennen:
Erstens. Ich beginne mit dem Titel des Gesetzentwurfs, in dem leider wieder nur von finanzieller Hilfe für Dopingopfer der DDR die Rede ist. Die Position der Linken dazu ist ganz klar: Mehr als 25 Jahre nach der deutschen Einheit sollte endlich Schluss damit sein, die Opfer in Ost und West aufzuteilen. Das neue Gesetz muss für alle Dopingopfer gelten, egal ob sie in der DDR oder der alten BRD Leistungssport betrieben haben.
(Beifall bei der LINKEN)
Auch wenn die abschließenden Ergebnisse der unabhängigen Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin noch nicht vorliegen – was sich zuletzt dort abgespielt hat, ist wirklich ein Trauerspiel und wird den Sportausschuss noch beschäftigen -, so ist inzwischen doch wohl unstrittig, dass es in der DDR systematisches Doping gab, aber eben auch in der alten Bundesrepublik in erheblichem Umfang und zum Teil mit staatlicher Unterstützung im Leistungssport gedopt wurde. Deshalb sollten wir endlich allen Betroffenen in Deutschland, die die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, Zugang zu den Leistungen nach dem Dopingopfer-Hilfegesetz ermöglichen, unabhängig davon, wo sie geboren wurden oder ihren Sport betrieben haben.
(Beifall bei der LINKEN)
Zweiter Punkt. Die Dopingopfer sollen analog zum ersten Gesetz eine Einmalleistung in Höhe von je 10 500 Euro erhalten. Das klingt erst einmal nicht schlecht, ist aber mit Blick auf die zum Teil erheblichen Gesundheitsschäden, die sie infolge des Dopings nachweislich erlitten haben, eher eine symbolische Hilfe. Nach der Begriffsbestimmung „erhebliche Gesundheitsschäden“ in § 3 müssen die Betroffenen mehrheitlich eine anerkannte Schwerbehinderung haben. Wer sich jedoch mit dem Behindertenrecht und vor allem mit dem aktuell in der Diskussion befindlichen Bundesteilhabegesetz beschäftigt, der weiß, dass die meisten behindertenbedingten Nachteile letztlich nicht ausgeglichen werden und in vielen Fällen zu dauerhafter Verarmung der Betroffenen und zum Teil auch zur Verarmung ihrer Angehörigen führen. Deshalb ist unsere Verantwortung für diese Menschen mit der einmaligen Zahlung von 10 500 Euro nicht vom Tisch. Wir brauchen eine wissenschaftliche und politische Begleitung bei der Umsetzung des Gesetzes, um dann gegebenenfalls weitere erforderliche Maßnahmen beschließen zu können.
(Beifall bei der LINKEN)
Drittens. Wenn ich über Verantwortung rede, dann rede ich auch über die Verantwortung des DOSB als Nachfolgeorganisation der Sportverbände der alten BRD und der DDR. Hier will ich ganz deutlich sagen: Es reicht nicht aus, wenn der Deutsche Olympische Sportbund zwar verbal seine Bereitschaft erklärt, konstruktive Gespräche zu führen, und betont, dass er zu seiner moralischen Mitverantwortung steht, aber immer dann kneift, wenn es ernst wird und wenn es um eine finanzielle Beteiligung geht. Ich erwarte daher vom DOSB, dass er sich mit einem nennenswerten Betrag an dem einzurichtenden Hilfsfonds für die Dopingopfer beteiligt.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Eberhard Gienger (CDU/CSU))
Hier stimme ich auch Herrn Staatssekretär Schröder ganz ausdrücklich zu.
Lassen Sie mich abschließend sagen: Das hier und heute diskutierte Dopingopfer-Hilfegesetz ist sicher nur ein kleiner, aber dennoch sehr notwendiger Teil in der gesamten Debatte um früheres und derzeitiges Doping im Sport. Die Linke unterstützt im Grundsatz den vorliegenden Gesetzentwurf ebenso wie das vor wenigen Monaten verabschiedete Anti-Doping-Gesetz und die anstehende Gesetzesänderung zur Strafbarkeit des Sportwettbetrugs. Wir benennen aber zugleich auch die Mängel an den Gesetzentwürfen in der Hoffnung, dass sich in der Koalition nicht Parteidogmen durchsetzen, sondern der Sportsgeist obsiegt und unsere konstruktiven Änderungsvorschläge wenigstens teilweise von der Koalition übernommen werden.
In diesem Sinne: Sport frei und herzlichen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Jeannine Pflugradt (SPD))