Ausschluss des gesamten russischen Teams von Olympia wäre schwerer Fehler gewesen – IOC hat mit Augenmaß entschieden
Kein Zweifel: Die Dopingvorwürfe gegen russische Sportler, Trainer und Funktionäre wiegen schwer. Bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi hat die gastgebende Nation ihre Gäste und eine begeisterte Sportwelt anscheinend gezielt, weil geplant betrogen. Ähnliches konnte der unabhängige Ermittler Richard McLaren auch für die Leichtathletik-WM in Moskau 2013 und die Schwimm-WM in Kazan 2015 nachweisen. Zudem wurden laut seinen Untersuchungen 643 positive Doping-Proben nicht korrekt gemeldet.
All das ist unredlich und muss selbstverständlich geahndet werden. Jeder Einzelfall muss gemäß der jeweiligen Verbandsregularien mit Sperren (bei Wiederholungstätern ggf. auch lebenslang) bestraft und die durch Doping errungenen Erfolge müssen aberkannt werden. Auch die Drahtzieher wie Trainer, Ärzte und weiter Verantwortliche, müssen verurteilt werden und dürfen künftig im Sport keine Rolle mehr spielen.
Russische Funktionäre und Athleten, die persönlich Dopingvergehen begangen haben und deshalb zu Recht gesperrt sind, haben bei den Olympischen Spielen in Rio in der Tat nichts verloren. Aber eben nur diejenigen, die sich individuell schuldig gemacht haben. Es darf weder eine Sippenhaft für eine bestimmte Sportart noch für für alle Sportler eines ganzen Landes geben. Es ist keine gesamte Nation, die die Sportwelt betrogen hat!
Was kann ein russischer und nach menschlichem Ermessen dopingfreier Bogenschütze, der seinen Sport ausschließlich als Amateur betreibt, denn dafür, wenn zwei Leichtathleten und ein Gewichtheber womöglich Dopingvergehen begangen haben. Soll er deshalb ohne eigene Schuld von seinem Lebenstraum, der Teilnahme an Olympischen Spielen, ausgeschlossen werden. Das ist doch absurd!
Als vor Jahren reihenweise US-amerikanische und auch deutsche Radrennfahrer des Dopings überführt wurden, kam niemand auf die Idee, alle amerikanischen Radfahrer von der Tour des France, den Weltmeisterschaften oder gar den Olympischen Spielen auszuschließen. Und obwohl es auch hier Unterstützung von staatlichen bzw. staatlich finanzierten Stellen (z.B. an der Uni Freiburg gab) wurde ein Olympiaausschluss eines ganzen Landes nicht einmal theoretisch erörtert.
Von daher bin ich sehr froh darüber, dass der Ausschluss des gesamten russischen Olympiateams nun endlich vom Tisch ist. Die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees, trotz des großen und wohl auch politisch motivierten Drucks auf eine völlig unverhältnismäßige Kollektivstrafe zu verzichten, verdient Respekt.