Das Schweigen brechen
„Birgit Dressel starb 1987 auch, weil damals (fast) niemand geredet hat. Diejenigen, die über die westdeutschen Dopingpraktiken sprachen, galten als Nestbeschmutzer. Sie wurden ausgemustert. Dies galt für Athletinnen und Athleten ebenso wie für Mitglieder des Trainer- oder Funktionärstabes. Hätten die behandelnden Ärzte gewusst, welche Unmengen an Medikamenten die Siebenkämpferin nahm, wäre deren Behandlung womöglich anders ausgefallen. Aber Schweigen bedeutete Gold, zumindest aber die Chance auf Medaillen“, erklärt der sportpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE, André Hahn mit Blick auf die mangelhafte Aufarbeitung der westdeutschen Dopingvergangenheit. Vor 30 Jahren, am 10. April 1987, starb die Leichtathletin Birgit Dressel im Alter von gerade einmal 26 Jahren, laut medizinischem Gutachten an den Folgen eines toxisch-allergischen Schocks. In ihrem Körper wurden 101 Medikamente nachgewiesen, darunter auch gefährliche Anabolika für schwerstkranke Menschen. Nach kurzer Betroffenheit kehrte der organisierte Sport wieder zurück zum Alltag. Hahn weiter:
„Wenn heute über Doping in der BRD gesprochen wird, geht es keineswegs darum, das systematische Doping in der DDR klein zu reden. Dafür gab und gibt es auch keinerlei Rechtfertigung. In erster Linie muss es darum gehen, die Sportlerinnen und Sportler heute zu schützen – auch vor überzogenen Erwartungen seitens der Politik und des organisierten Sports. Die aktuellen Studien und Gutachten zum anscheinend ebenfalls durchorganisierten Doping im westdeutschen Sport sollten Aufforderung genug sein, endlich Rahmenbedingungen im (Leistungs-)Sport zu schaffen, die Doping überflüssig machen. Vielleicht kann so künftig vermieden werden, dass junge talentierte Menschen wie Birgit Dressel aus falsch geleitetem Ehrgeiz ihre Gesundheit ruinieren oder gar ihr Leben verlieren.“