André Hahn zur BND-Gesetzesnovelle: Dreister geht es kaum!

Die anlasslose Massenüberwachung des BND im Ausland war und ist verfassungswidrig und ich wage heute die These, dass auch dieses Gesetz wieder beim Bundesverfassungsgericht landen wird. Die Bundesregierung hat sich eine Gesetzesnovelle zurechtgezimmert, die dem BND weiterhin all das erlaubt, was er bisher ohne Rechtsgrundlage oder im ,Graubereich‘ bereits getan hat – nur jetzt nachträglich legalisiert. Dreister geht es kaum!


Auszug aus dem Protokoll 19/207 vom 29.1.2021

Tagesordnungspunkt 28 sowie den Zusatzpunkt 21 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des BND-Gesetzes zur Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sowie des Bundesverwaltungsgerichts

Drucksache 19/26103

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Inneres und Heimat (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, Verteidigungsausschuss
Ausschuss Digitale Agenda, Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 der GO

Zusatzpunkt 21

Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Dr. Irene Mihalic, Katja Keul, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Legitimität und Leistungsfähigkeit der Nachrichtendienste stärken – Kontrolle auf allen Ebenen verbessern und ausbauen

Drucksache 19/26221

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Inneres und Heimat (f) Verteidigungsausschuss

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Die anlasslose Massenüberwachung des Bundesnachrichtendienstes, BND, im Ausland war und ist verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht im Mai 2020 entschieden und gab damit einer Verfassungsbeschwerde gegen das Ende 2016 reformierte BND-Gesetz statt. Meine Fraktion hatte bereits damals hier im Bundestag erklärt, dass dieses hochumstrittene Gesetz in Karlsruhe niemals Bestand haben würde, und wir haben recht behalten.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, wie immer!)

Ich wage heute die These – wir können darüber reden –,dass auch das jetzt vorgelegte Gesetz wieder beim Bundesverfassungsgericht landen wird.

Das Bundeskanzleramt hat sich eine Gesetzesnovelle zurechtgezimmert, die dem BND im Rahmen der Ausland-Fernmeldeaufklärung weiterhin all das erlaubt, was er bisher ohne Rechtsgrundlage oder im „Graubereich“ bereits getan hat – nur jetzt nachträglich legalisiert. In der Begründung wird zwar behauptet, der Gesetzentwurf beseitige die vom Verfassungsgericht beanstandeten Rechtsverstöße, in der Realität lässt er jedoch klaffende Schlupflöcher offen.

Völlig ohne Kontrolle bleiben zum Beispiel Operationen, die der BND allein oder in Kooperation mit ausländischen Nachrichtendiensten im Ausland durchführt. Zentrale internationale Abhöroperationen wie „Monkeyshoulder“ mit den Briten oder „Maximator“ im Verbund mit Dänemark, Schweden, Frankreich oder den Niederlanden konnten bislang nie vom Parlament kontrolliert werden, und das soll offenbar so bleiben. Ein klarer Affront gegen die Karlsruher Richter!

(Beifall bei der LINKEN)

Der Schutz von Journalisten vor Ausspähung ihrer Arbeit und ihrer Quellen – ein zentraler Punkt im Urteil – wird zwar im Gesetz benannt, die Ausnahmereglungen sind jedoch so windelweich formuliert, dass der BND auch in diesem Bereich de facto weiter machen kann, was er will. Auch das ignoriert die Entscheidung des Gerichts.

Zudem soll der BND demnächst staatliches Hacking betreiben und ganz legal in IT-Systeme von Google, Facebook, Amazon oder Apple eindringen können, um Personendaten zu sammeln. Klare Grenzen sind nicht gesetzt. Am weltweit größten Internetknoten DE-CIX in Frankfurt am Main wäre dem BND künftig eine Kompletterfassung sämtlicher Kommunikation erlaubt. Wir lehnen das ab!

(Beifall bei der LINKEN)

Durch die Schaffung des sogenannten Unabhängigen Kontrollrates würde die ohnehin schon zersplitterte Geheimdienstkontrolle in Deutschland weiter fragmentiert; Kollege Thomae hat eben darauf hingewiesen. Um dessen Unabhängigkeit zu beweisen, will sich die Bundesregierung dessen Mitglieder auch gleich noch selbst aussuchen. Dreister geht es kaum!

Meine Damen und Herren, Fakt ist: Kein Gremium hätte künftig mehr einen echten Überblick darüber, was beim BND wirklich läuft. Das mag die Regierung freuen. Für das Parlament, vor allem für die Opposition, ist das völlig inakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir als Linke bleiben dabei: Die Kontrolle der deutschen Nachrichtendienste obliegt in erster Linie dem Bundestag, und hier insbesondere dem Parlamentarischen Kontrollgremium, dessen Mitglieder aus gutem Grund mit Kanzlermehrheit gewählt werden. Dieses Gremium darf nicht geschwächt werden! Letzter Satz. Der Antrag der Grünen enthält viele vernünftige Punkte, auch Dinge, die wir schon vor längerer Zeit hier vorgeschlagen haben. Deshalb freue ich mich auf die Debatte in den Ausschüssen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)