Anne Spiegel soll zu ihren Fehlern bei der Hochwasserkatastrophe stehen

Das Verhalten von Anne Spiegel als Umweltministerin in Rheinland-Pfalz während der verheerenden Flut im vergangenen Sommer ist nicht eine Frage des „wordings“, und es waren auch keine kleinen Unachtsamkeiten. Sie hat Fehler gemacht und sollte dazu stehen.


Auszug aus dem Plenarprotokoll 20/22 vom 18.03.2022

Zusatzpunkt 20: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der AfD – Haltung der Bundesregierung zu den Vorwürfen gegen Anne Spiegel in Zusammenhang mit der Flutkatastrophe 2021

Dr. André Hahn (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst drei grundsätzliche Anmerkungen: Erstens. Dass sich gerade die AfD hier als moralische Instanz aufzuspielen versucht, ist ebenso durchschaubar wie schäbig.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das macht es allerdings nicht einfacher, hier zu diesem schwierigen Thema zu sprechen. Zweitens. Die Aufarbeitung möglicher Versäumnisse einzelner Verantwortlicher oder auch von systemischem Behördenversagen bei der verheerenden Flut im vergangenen Sommer, die sehr viele Menschenleben gekostet und Milliardenschäden verursacht hat, ist ohne Zweifel ebenso dringend notwendig wie das Ziehen von Konsequenzen für die leider auch zukünftig zu erwartenden Naturkatastrophen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dabei geht es natürlich um bestmögliche Prävention, aber auch um deutlich gestärkte Warnsysteme zur rechtzeitigen Information der Bevölkerung und wirklich funktionierende, zwischen Bund, Ländern und Kommunen abgestimmte Zuständigkeiten für die unmittelbare Krisenbewältigung, also um den Schutz und die Rettung von betroffenen Menschen sowie existenziell wichtiger Infrastrukturen. Ich weiß, wovon ich rede: Ich habe in Sachsen und als Mitglied im Sächsischen Landtag mehrere, teils schwere Hochwasser an der Elbe erlebt, auf die wir nicht ausreichend vorbereitet waren. Drittens. Auch Politikerinnen und Politiker können Fehler machen; davor ist niemand wirklich gefeit.

(Zuruf von der AfD: Dann muss man zurücktreten!)

Sofern es dabei um strafrechtliche Vorwürfe geht, ist das Sache der Justiz. Dazu gab es und gibt es ja auch in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz entsprechende Ermittlungsverfahren. Wenn es um vermeintliches oder tatsächliches politisches Fehlverhalten oder um fragwürdige Entscheidungen von Regierungsmitgliedern geht, dann ist es Sache der jeweiligen Parlamente, diese Dinge aufzuklären. Deshalb gibt es sicher aus guten Gründen auch einen Untersuchungsausschuss im Landtag von Rheinland-Pfalz.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist das!)

Ob und welche Versäumnisse oder Fehler Anne Spiegel, die jetzige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, womöglich begangen hat, soll und muss eben in diesem Gremium in Mainz aufgeklärt werden. Das ist nicht Aufgabe des Bundestages.

(Stefan Keuter [AfD]: Die ist aber jetzt Bundesministerin!)

Ich füge hinzu: Dafür braucht es schon gar keine von der AfD beantragte Aktuelle Stunde.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Offensichtlich doch, Kollege!)

Dennoch abschließend einige Anmerkungen zu den im Raum stehenden Vorwürfen gegen Frau Spiegel, die ja dazu selbst vor wenigen Tagen vor dem Untersuchungsausschuss in Mainz ausgesagt hat. Natürlich haben auch Minister ein Privatleben und können sich in ihrer Freizeit treffen, mit wem sie wollen. In einer derart kritischen Situation, wie sie sich im Ahrtal offensichtlich abgezeichnet hat, aber über Stunden weitgehend abzutauchen, war falsch und ist nicht nachvollziehbar.

(Beifall bei der LINKEN und der CDU/CSU –Julia Klöckner [CDU/CSU]: Da hat er recht!)

Dies gilt insbesondere, wenn es denn zutreffen sollte, dass die zu ihrem Ministerium gehörende Landesumweltbehörde bereits am Nachmittag des 14. Juli für die Ahr katastrophale Pegelstände weit über dem vorherigen Jahrhunderthochwasser vorausgesagt hatte.

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht nur vorausgesagt, sondern auch in der Meldekette durchgegeben hatte, Herr Hahn! Das ist auch an die Katastrophenschutzbehörde weitergegeben worden!)

Und wie die damalige Landesministerin angesichts dessen eine Presseerklärung autorisieren konnte und veröffentlichen ließ, in der wörtlich gesagt wurde, es drohe kein Extremhochwasser und das Land sei gut vorbereit, das ist mir schlichtweg unbegreiflich.

(Beifall bei der LINKEN und der CDU/CSU)

Wenn Frau Spiegel vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt hat, Sie hätte die Erklärung nur kursorisch
gelesen, dann passt das aus meiner Sicht nicht damit zusammen, dass sie dann persönlich eine konkrete Veränderung daran vorgenommen hat, indem sie nämlich ein im Text enthaltenes Wort zu gendern wusste.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Gendern tötet!)

Tut mir leid: In einer derart angespannten Situation ist das offenkundig eine falsche Prioritätensetzung.

(Beifall bei der LINKEN, der CDU/CSU und der AfD)

Ich verzichte hier ganz bewusst darauf, geführte oder nicht geführte Telefonate oder gesendete E-Mails zu thematisieren; dazu sind andere Gremien berufen. Dennoch sage ich abschließend: Frau Ministerin Spiegel, das Ganze ist nicht eine Frage des Wordings, und es waren auch keine kleinen Unachtsamkeiten. Sie haben Fehler gemacht und sollten dazu auch stehen. Ganz zum Schluss wünsche ich Anne Spiegel natürlich eine möglichst schnelle Genesung und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

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