Anti-Doping-Gesetz für den Sport vorlegen

Über die Dopingpraktiken in der DDR gibt es heute keinen ernsthaften Zweifel mehr. „Dieser Teil der deutschen Sportgeschichte wurde in den letzten zwei Jahrzehnten sehr intensiv aufgearbeitet […] aber leider häufig auch politisch instrumentalisiert. Gedopt wurde […] auch in Westdeutschland, wenn auch vielleicht nicht im gleichen Umfang. Von wirklich gleichberechtigter Aufarbeitung kann  keine Rede sein.“ Der Antrag der LINKEN sieht u. a. verschärfte Sanktionen bei Eigendoping von SpitzensportlerInnen vor.


Rede zum Antrag für ein Anti-Doping-Gesetz (zu Protokoll gegeben)

Über die Dopingpraktiken im Leistungssport der DDR ist in den Jahren nach 1990 umfänglich berichtet worden, und daran, dass es in vielen, insbesondere den olympischen Sportarten ein organisiertes und politisch gestütztes Doping-System gegeben hat, gibt es heute keine ernsthaften Zweifel mehr. Dieser Teil der deutschen Sportgeschichte wurde in den letzten zwei Jahrzehnten sehr intensiv aufgearbeitet – was notwendig war –, er wurde aber leider häufig auch politisch instrumentalisiert. Ja, in der DDR wurde gedopt, aber dennoch wurde die Mehrzahl der sportlichen Erfolge ostdeutscher Athleten – nach allem, was bisher bekannt ist – nicht mit unlauteren Mitteln erzielt.

Gedopt wurde – und auch das wird heute niemand mehr leugnen – auch in Westdeutschland, wenn auch vielleicht nicht im gleichen Umfang.

„Wie nah war die BRD der DDR?“ So titelte der Berliner „Tagesspiegel“ im Mai 2007 seinen Bericht über systematisches Doping im westdeutschen Radsport und die darin nach Aussagen des Olympia-Arztes Georg Huber offenbar verwickelten Sportmediziner der Universitätsklinik in Freiburg.

Der heutigen Bundesfinanzminister Schäuble soll laut der früheren ARD-Sendung „Kontraste“ schon 1977 hinsichtlich der damals längst verbotenen Anabolika geäußert haben: „Wir wollen solche Mittel nur eingeschränkt und unter ärztlicher Verantwortung einsetzen, weil es offenbar Disziplinen gibt, in denen heute ohne den Einsatz dieser Mittel der leistungssportliche Wettbewerb in der Weltkonkurrenz nicht mehr mitgehalten werden kann.“

Bei der Einweihung des Medizinischen Zentrums 1976 in Freiburg machte auch der damals für den Leistungssport zuständige Vertreter im Bundesinnenministerium, Gerhard Groß, im Südwestfunk brisante Aussagen. An den Sportmediziner Joseph Keul gewandt, sagte der damals unter Minister Maihofer tätige Groß: „Wenn keine Gefährdung oder Schädigung der Gesundheit herbeigeführt wird, halten Sie leistungsfördernde Mittel für vertretbar. Der Bundesminister des Inneren teilt grundsätzlich diese Auffassung. Was in anderen Staaten erfolgreich als Trainings- und Wettkampfhilfe erprobt worden ist und sich in jahrelanger Praxis ohne Gefährdung der Gesundheit der Athleten bewährt hat, kann auch unseren Athleten nicht vorenthalten werden.“

Das hören heute manche nicht gern, die offenbar noch immer in Zeiten des Kalten Krieges verhaftet sind und in erster Linie eine Abrechnung mit der DDR betreiben wollen, aber die Fakten sprechen eine klare Sprache.

2013 kam dann auch eine Studie der Berliner Humboldt-Universität zu dem Schluss: Doping mit wissenschaftlicher Unterstützung und aus politischen Motiven hat es auch in Westdeutschland gegeben. Die so genannte Steiner-Kommission hat diesen Befund bestätigt. Namen und Fakten, Ross und Reiter wurden allerdings nicht geliefert, während Verantwortliche aus DDR-Zeiten in den 90er Jahren nicht nur benannt, sondern zum Teil auch strafrechtlich verfolgt wurden.

Von wirklich gleichberechtigter Aufarbeitung kann also keine Rede sein, und leider fehlt ja auch noch immer eine ganz wichtige Untersuchung, nämlich die des Zeitraums seit 1990. Wir als LINKE plädieren ganz nachdrücklich dafür, dass die Studie der Humboldt-Universität noch um diesen Komplex ergänzt wird.

Ich habe eingangs die Uni in Freiburg erwähnt. Die heutige Debatte kann logischerweise auch nicht losgelöst von der derzeit tobenden Auseinandersetzung um die Fortführung der Arbeit der dort eingesetzten Aufklärungskommission und die Versuche der Universitätsleitung, deren vollständigen Abschluss zu be-, wenn nicht gar zu verhindern, geführt werden. Dabei wird offenbar sogar in Kauf genommen, dass die in den letzten Jahren akribisch zusammen getragenen Daten und Akten womöglich sogar vernichtet werden. Für DIE LINKE sage ich hier klar und deutlich: Das darf nicht passieren! Die Kommission muss ihre Arbeit geordnet zu Ende führen und die Ergebnisse öffentlich präsentieren können.                                                                               Und wenn das Gremium erst vor wenigen Tagen neue Unterlagen im Umfang von über 18.000 Seiten über das Wirken einer zentralen Figur der mutmaßlichen Doping-Aktivitäten der Freiburger Medizinfakultät erhalten hat, dann müssen die Mitglieder diese natürlich auch auswerten und in den Abschlussbericht einarbeiten können. Alles andere wäre ja geradezu absurd.

Wenn nun seitens des Rektorats ein unverzüglicher Abschluss der Überprüfung gefordert wird, dann drängt sich der Verdacht auf, dass hier etwas vertuscht werden soll. Ich bin insofern der baden-württembergischen Wissenschaftsministerin Bauer sehr dankbar, dass sie sich klar für eine gründliche Aufarbeitung ohne Druck ausgesprochen hat.

(Anrede)

Der Blick zurück ist wichtig. Noch wichtiger aber ist die Auseinandersetzung mit Doping-Praktiken heute und mit präventiven Maßnahmen für morgen. Diesem Ziel dient der von meiner Fraktion vorgelegte Antrag.

Seit 1990 hat es diverse Initiativen und Maßnahmenkataloge gegen Doping im Sport gegeben. Sie alle waren letztlich nur mäßig erfolgreich. Deshalb muss aus Sicht der LINKEN nun endlich entschlossen gehandelt werden.

Das hat ja offenbar auch die Regierung tragende Mehrheit erkannt, weshalb im Koalitionsvertrag die Verabschiedung eines Anti-Doping-Gesetzes ausdrücklich verankert ist. Innenminister de Maiziere hatte im Sportausschuss avisiert, dass ein entsprechender Gesetzentwurf bis zur Sommerpause vorliegen würde. Geliefert hat er nicht.                                                                                                   Bislang kursiert lediglich ein Referentenentwurf, der viele vernünftige Punkte enthält, bei dem aber völlig unklar ist, ob er in der Koalition und insbesondere in der CDU/CSU-Fraktion auch nur ansatzweise mehrheitsfähig ist. Deshalb stellen wir nunmehr hier im Bundestag einen eigenen Antrag zur Diskussion.

Für uns steht fest: Doping gefährdet die Gesundheit und ist eine Gefahr für den Sport als solches und die Werte, die durch ihn in die Gesellschaft transportiert werden. Es besteht dringender Handlungsbedarf, um Doping im Sport noch deutlich wirksamer als bisher zu bekämpfen.

Zu den Vorschlägen der LINKEN gehören die Einführung eines neuen Straftatbestandes „Sportbetrug“ in das Strafgesetzbuch, die Erweiterung bestehender Strafvorschriften für den Handel mit Dopingmitteln sowie der Entzug der Approbation für Ärztinnen und Ärzte, die nachweislich an Dopinganwendungen beteiligt waren. Pharmazeutische Unternehmen sollen verpflichtet werden, bei Produkten, welche zum Doping geeignet sind, entsprechende Warnhinweise auf den Verpackungen anzubringen. Für den Schutz von Whistleblowern wollen wir bereichsspezifische Regelungen schaffen.

Mit unserem Antrag werden auch deutlich verschärfte Sanktionen für Spitzensportlerinnen und Spitzensportler vorgeschlagen, welche Eigendoping mit dem Ziel betreiben, sich einen unlauteren Vorteil im sportlichen Wettbewerb zu verschaffen. Für diesen Sportbetrug sollen bei Wiederholungstätern auch Freiheitsstrafen verhängt werden können.              Die Geldbußen sollen sich jeweils an der Höhe der direkt oder mittelbar durch den Sport erzielten Einnahmen orientieren, können also wie Gehalt, Siegprämien und Werbeverträge von Sportart zu Sportart durchaus unterschiedlich sein.                                                                                                    Der Besitz nicht geringer Mengen an Dopingmittel soll künftig unter Strafe gestellt werden. Bereits vorhandene Regelungen, z.B. aus dem Arzneimittelgesetz (AMG), sollen zusammengefasst und angepasst werden.

Anders als manche Skeptiker sehen wir in einem Anti-Doping-Gesetz keine Beeinträchtigung oder Aushöhlung der Sportgerichtsbarkeit. Beides kann problemlos nebeneinander funktionieren. Die Verbände können bei Dopingvergehen weiterhin die in ihren Satzungen vorgesehenen Wettkampfsperren aussprechen. Bei gravierenden Verstößen gegen Dopingbestimmungen oder bei Wiederholungstätern kann aber künftig auch die Staatsanwaltschaft tätig werden.

Das ist im Übrigen auch keine unzulässige Doppelbestrafung, denn schon heute wird ein Fußballprofi gemäß Regelwerk nach einer Tätlichkeit vom Platz gestellt und entsprechend gesperrt, und darüber hinaus kann es dennoch ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung geben.                                          Bei Sportlern an Ende ihrer Karriere können Sperren sogar gänzlich ins Leere gehen, wenn sie einfach ihre Laufbahn beenden. Gerade auch hier erhöht eine Strafbarkeit von Doping die Hürde, sich entsprechender Mittel zu bedienen.

Darüber hinaus muss aus unserer Sicht die Unabhängigkeit und angemessene finanzielle Förderung der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) dauerhaft sichergestellt werden, damit auch die Kontrolldichte erhöht werden kann.

Zu den Präventionsmaßnahmen sollen Aufklärungsaktivitäten im Jugend- und Nachwuchssport sowie im Fitnesssport sowie die Aus- und Weiterbildung der in diesem Umfeld tätigen Personen über die Wirkungen von anabolen Steroiden, Nahrungsergänzungsmitteln und sporttypischen Aufbaupräparaten sowie die Einrichtung einer unabhängigen Ombudsstelle gehören.

Der vorliegende Antrag zielt hinsichtlich der strafrechtlichen Maßnahmen ganz bewusst auf die Doping-Anwendung im Hochleistungssport, nicht aber auf gesundheitliche Gefährdungen durch die Einnahme verbotener Substanzen, wie z.B. von Anabolika in Fitnessstudios. Das kann weder in einem Gesetz geregelt noch wirksam kontrolliert werden.

Mit unserem Antrag wollen wir als LINKE konstruktive Vorschläge für ein Anti-Doping-Gesetz unterbreiten und freuen uns auf die Debatte im Fachausschuss.