Anti-Doping-Gesetz wird Herausforderungen nicht gerecht
Gegen Doping, Korruption und Manipulation im Sport müssen die Sportverbände, die Politik und die Gesellschaft gemeinsam vorgehen, mit null Toleranz, national wie international. Auch deshalb hat die Linke bereits im August 2014 einen Antrag auf Vorlage eines Anti-Doping-Gesetzes für den Sport in den Bundestag eingebracht. Deshalb unterstützt sie vom Grundsatz her das Vorhaben der Koalition, ein derartiges Gesetz zu beschließen.
Deutscher Bundestag, 13.11.2015
TOP 28 – Bekämpfung von Doping im Sport
Dr. André Hahn (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Drei Ereignisse erschütterten in den vergangenen Tagen und Wochen die Sportwelt: der FIFA-Skandal, in dessen Folge Sepp Blatter und UEFA-Präsident Platini suspendiert wurden, der dringende Verdacht des Stimmenkaufs bei der Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2006 an Deutschland mit einem katastrophalen Krisenmanagement des DFB, dessen Präsident dann zurücktreten musste, sowie die Dopingskandale bei den Leichtathleten Russlands und dem Internationalen Leichtathletik-Verband; der Minister hat es eben angesprochen. Alle drei Ereignisse haben dem Sport, insbesondere dem Spitzensport, nachhaltig schweren Schaden zugefügt.
Spätestens hier wird klar: Gegen Doping, Korruption und Manipulation im Sport müssen die Sportverbände, die Politik und die Gesellschaft gemeinsam vorgehen, mit null Toleranz, national wie international. Auch deshalb hat die Linke bereits im August 2014 einen Antrag auf Vorlage eines Anti-Doping-Gesetzes für den Sport in den Bundestag eingebracht. Deshalb unterstützt sie vom Grundsatz her das Vorhaben der Koalition, ein derartiges Gesetz zu beschließen.
Zugleich sind wir, die Linke, aber auch dafür, dass die ost- und westdeutsche Geschichte des Dopings und der Manipulation im Sport konsequent aufgearbeitet wird.
(Beifall bei der LINKEN)
Die im wahrsten Sinne des Wortes erst vor wenigen Stunden getroffene Entscheidung, einen Entschädigungsfonds für Dopingopfer mit einem Volumen von 10 Millionen Euro einzurichten, ist ohne Zweifel ein richtiger Schritt. Wir brauchen aber endlich einen redlichen Umgang mit der Geschichte, eine ehrliche Bilanz und eine akzeptable Lösung für die Dopingopfer in Ost und West.
(Beifall bei der LINKEN)
Nun aber zum vorliegenden Anti-Doping-Gesetz. Am 17. Juni 2015 führte der Sportausschuss eine öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf der Koalition sowie zum Antrag der Linken durch. In dieser Anhörung gab es zu vielen Punkten zum Teil sehr kritische Einwendungen sowohl vom Leichtathleten und Olympiasieger Robert Harting als auch von Vertretern des DOSB sowie von der Mehrzahl der anwesenden Juristen. Noch einmal: Die Anhörung fand Mitte Juni statt. An diesem Dienstag, also erst einen Tag vor der Beratung des Sportausschusses, bekamen wir dann einen mehrere Punkte umfassenden Änderungsantrag der Koalition präsentiert.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch immer so!)
Bis zuletzt war völlig offen, ob es innerhalb der Koalition überhaupt zu einer Einigung kommen würde.
(Matthias Schmidt (Berlin) [SPD]: Ach Quatsch! Das steht im Koalitionsvertrag!)
Zwar steht das Anti-Doping-Gesetz, Herr Kollege Schmidt, im Koalitionsvertrag;
(Michaela Engelmeier [SPD]: Im Koalitionsvertrag! Genau!)
aber Union und SPD stritten sich bis zuletzt sprichwörtlich wie die Kesselflicker, sodass es fast ein Wunder ist, dass heute tatsächlich über einen gemeinsamen Entwurf abgestimmt werden kann.
(Dagmar Freitag [SPD]: Das ist eine mutige Interpretation, Herr Kollege!)
Doch das, meine Damen und Herren und Herr Kollege Gienger, ist fast schon die einzige positive Nachricht. In dem vorgelegten Änderungsantrag der Koalition sind die aus meiner Sicht berechtigten Einwendungen aus der Anhörung nur unzureichend aufgenommen worden.
Wir als Linke haben zu diesem Thema seit langem eine klare Position: Doping im Sport, um sich gegenüber anderen Sportlerinnen und Sportlern einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, gefährdet nicht nur die Gesundheit, sondern ist auch eine Gefahr für den Sport als solchen und für die Werte, die durch ihn in die Gesellschaft transportiert werden.
(Beifall bei der LINKEN – Dagmar Freitag [SPD]: Dann können Sie ja zustimmen! – Michaela Engelmeier [SPD]: Deswegen unser Anti-Doping-Gesetz!)
Es geht hier nicht um das Recht auf Selbstschädigung. Hier geht es schlicht und einfach um Betrug; auch da gebe ich dem Minister recht. Genau deshalb haben wir vor anderthalb Jahren unseren Antrag eingereicht. Zu den Vorschlägen der Linken gehörte die Einführung eines neuen Straftatbestandes Sportbetrug in das Strafgesetzbuch, die Erweiterung bestehender Strafvorschriften für den Handel mit Dopingmitteln sowie der zwingende Entzug der Approbation für Ärztinnen und Ärzte, die nachweislich an Dopinganwendungen beteiligt waren. Pharmazeutische Unternehmen sollten verpflichtet werden, bei Produkten, welche zum Doping geeignet sind, entsprechende Warnhinweise auf den Verpackungen anzubringen. Für den Schutz von Whistleblowern wollten und wollen wir bereichsspezifische Regelungen schaffen. Mit unserem Antrag werden auch deutlich verschärfte Sanktionen für Spitzensportlerinnen und ‑sportler vorgeschlagen, welche Eigendoping mit dem Ziel betreiben, sich einen unlauteren Vorteil im sportlichen Wettbewerb zu verschaffen. Bei Wiederholungstätern sollten auch Freiheitsstrafen verhängt werden können. Die Geldbußen sollten sich jeweils an der Höhe der direkt oder mittelbar durch den Sport erzielten Einnahmen orientieren,
könnten also, wie Gehalt, Siegprämien und Einnahmen aus Werbeverträgen, von Sportart zu Sportart durchaus unterschiedlich sein.
Anders als manche Skeptiker sehen wir in einem Anti-Doping-Gesetz keine Beeinträchtigung oder Aushöhlung der Sportgerichtsbarkeit. Beides kann problemlos nebeneinander funktionieren. Die Verbände können bei Dopingvergehen weiterhin die in ihren Satzungen vorgesehenen Wettkampfsperren aussprechen. Bei gravierenden Verstößen gegen Dopingbestimmungen oder bei Wiederholungstätern kann künftig aber auch die Staatsanwaltschaft tätig werden. Ich wiederhole: Das ist keine unzulässige Doppelbestrafung. Schon heute wird ein Fußballer gemäß Regelwerk nach einer Tätlichkeit vom Platz gestellt und entsprechend gesperrt; darüber hinaus kann es dennoch ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung geben.
(Matthias Schmidt (Berlin) [SPD]: Richtig so!)
Bei Sportlern, die am Ende ihrer Karriere stehen, können Wettkampfsperren aber gänzlich ins Leere laufen, wenn sie ihre Laufbahn einfach beenden. Gerade hier erhöht eine Strafbarkeit von Doping die Hürde, sich entsprechender Mittel zu bedienen.
Bei der Einbringung unseres Antrags hatte ich zudem deutlich gemacht, dass wir es für ganz wichtig halten, auch auf Bundesebene Prävention zu betreiben. Aus unserer Sicht soll im Jugend- und Nachwuchssport, im Fitnessbereich sowie in der Aus- und Weiterbildung der in diesem Umfeld tätigen Personen über die Wirkung von anabolen Steroiden, Nahrungsergänzungsmitteln und sporttypischen Aufbaupräparaten aufgeklärt und eine unabhängige Ombudsstelle eingerichtet werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Der von uns vorgelegte Antrag zielt hinsichtlich der strafrechtlichen Maßnahmen ganz bewusst auf die Dopinganwendung im Hochleistungssport, nicht aber auf die gesundheitliche Gefährdung durch Selbstdoping oder die Einnahme verbotener Substanzen, zum Beispiel von Anabolika in Fitnessstudios. Dies kann weder in einem Gesetz geregelt noch wirksam kontrolliert werden.
Mit unserem Antrag wollten wir als Linke konstruktive Vorschläge für ein Anti-Doping-Gesetz unterbreiten. Natürlich messen wir den nun vorliegenden Gesetzentwurf an jenen Kriterien, die wir vor 16 Monaten formuliert haben. Wenn man dies als Maßstab nimmt, muss man sagen, dass der Regierungsentwurf zwar in die richtige Richtung geht, zentrale Forderungen, die auch in der Anhörung formuliert wurden, aber unberücksichtigt lässt.
Ich frage: Warum gibt es keine gesetzliche Verpflichtung des Bundes zur Prävention? Warum hat man darauf verzichtet, endlich eine wirklich unabhängige Ombudsstelle einzurichten, an die sich Athleten, Trainer, Ärzte oder auch Eltern von Sportlern vertrauensvoll wenden können? Die bei der NADA geschaffene Stelle, auf die man im Ausschuss hingewiesen hat, wird von den Betroffenen offenkundig nicht angenommen.
(Dagmar Freitag [SPD]: Eben!)
Das wurde in der Sitzung des Sportausschusses am Mittwoch deutlich.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb brauchen wir eine unabhängige Stelle!)
Mich persönlich wundert das nicht; denn ein Athlet, der irgendein Problem mit oder Hinweise auf Doping hat, wird sich nicht ausgerechnet an eine Institution wenden, die Dopingsünder verfolgt und die Daten für deren eventuelle Bestrafung liefert. Wir brauchen endlich eine wirklich unabhängige Anlaufstelle.
(Beifall bei der LINKEN)
Doch davon ist im Gesetzentwurf ebenso wenig die Rede wie von einem echten Schutz für Whistleblower. Aber ohne die Information von Insidern – das zeigen alle bisherigen Erfahrungen – wird es kaum möglich sein, Dopingstrukturen aufzudecken und Hintermänner zur Rechenschaft zu ziehen. Im vorliegenden Gesetzentwurf findet sich auch keine Kennzeichnungspflicht für Medikamente, die Dopingsubstanzen enthalten, keine klare Regelung zum Approbationsentzug für Ärzte, die Dopinganwendungen unterstützen, obwohl dies gerade vonseiten der Sportler auch in der Anhörung gefordert worden ist. Die Koalition hat sich lediglich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt. Das wird den Herausforderungen in diesem schwierigen Themenbereich nicht einmal ansatzweise gerecht. Wir als Linke unterstützen durchgreifende Maßnahmen zur Dopingbekämpfung. Der vorliegende Gesetzentwurf erfüllt diesen Anspruch leider nicht.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Anschließend in der Debatte folgte eine Kurzintervention:
Dr. André Hahn, MdB (DIE LINKE):
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Gienger, Sie haben gesagt, die Dinge, die in unserem Antrag stehen, seien überholt, und haben zwei Punkte genannt, die so nicht korrekt sind.
Zum einen haben Sie auf den Ombudsmann verwiesen, der angeblich unabhängig sei. Ich habe vorhin in meiner Rede darauf hingewiesen, dass er der Nationalen Anti Doping Agentur zugeordnet ist, der Behörde, die Doping verfolgt, die Dopingsünder bestraft, die aus Sicht der Betroffenen keine unabhängige Stelle ist. Wir brauchen einen Anlaufpunkt, der die Dopingverfolgung vornimmt, der sich aber nicht im Zusammenhang mit dieser Organisation befindet. Das ist nicht geregelt und demzufolge nicht korrekt.
Zum anderen haben Sie gesagt, dass die Approbation aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften schon jetzt entzogen werden kann. Ich möchte Sie fragen: Wie oft ist das in Deutschland wegen Doping passiert? Können Sie einmal darstellen, wo das bislang stattgefunden hat?
Es gibt andere Punkte, zu denen Sie gar nichts gesagt haben, die aber auch in unserem Antrag stehen. Die Kennzeichnung von Arzneimitteln, in denen Dopingstoffe enthalten sind, ist nicht geregelt. Die Frage des Schutzes von Whistleblowern ist in Ihrem Gesetzentwurf nicht geregelt. Das zeigt, dass unser Antrag Forderungen enthält, die deutlich über das hinausgehen, was im Gesetzentwurf steht. Deshalb ist der Antrag nicht überholt, sondern höchst aktuell.
(Beifall bei der LINKEN)
DIE LINKE hat sich beim Gesetzentwurf und dem Entschließungsantrag der Grünen der Stimme enthalten. Der Antrag der LINKEN wurde von CDU/CSU, SPD und Grünen abgelehnt.
BT-Drs. 18/6678: Beschlussempfehlung, Anti-Doping-Gesetz für den Sport vorlegen