Bildungskonferenz der sächsischen LINKEN
Bildungskonferenz der sächsischen LINKEN, 4. April in Leipzig
Sehr geehrte Frau Prof. Schwan, meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu heutigen Bildungspolitischen Konferenz der Linksfraktion im Sächsischen Landtag hier in der „Alten Handelsbörse“ zu Leipzig, und ich freue mich nicht nur als Fraktionsvorsitzender, dass die Konferenz heute eröffnen und zu Beginn einige Ausführungen machen darf, denn schließlich war ich ja auch zehn Jahre lang bildungspolitischer Sprecher meiner Fraktion und gehöre noch immer dem Schulausschuss des Landtages als Mitglied an.
Als ich im Oktober vergangenen Jahres zum Spitzenkandidaten der sächsischen LINKEN für die Landtagswahlen gewählt wurde, hatte ich zuvor in meiner Bewerbungsrede unter anderem gesagt: „Bildung ist der Schlüssel zu allem!“
Deshalb ist meiner Ansicht nach durchaus gerechtfertigt, auch in Zeiten einer globalen Finanz- und Wirtschaftskrise über die Anforderungen an Schule und Wissenschaft und über die Bedeutung von Bildung im 21. Jahrhundert zu sprechen.
Der sächsische Kultusminister Wöller hat im letzten Jahr seine erste Fachregierungserklärung zum Thema Bildung mit einem Zitat des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker eingeleitet:„Möglichst viele sollten möglichst viel wissen.“ Gegen diese Forderung ist ja nun auch aus linker Sicht wahrlich nichts einzuwenden.
Auch ich möchte heute mit einem Bundespräsidenten beginnen, und zwar dem derzeitigen. Horst Köhler eröffnete im Herbst 2008 den 47. Deutschen Historikertages in Dresden, und er hat in seinem Beitrag die ungleichen Zugangschancen zu guter Bildung in Deutschland als „beschämend“ kritisiert. Wörtlich sagte Horst Köhler:
„Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass die schulische Entwicklung eines Kindes immer noch maßgeblich von seiner Herkunft und dem Geldbeutel der Eltern bestimmt wird.“ Ohne Zweifel: Hier hat Horst Köhler recht, und auch wenn ich aufgrund vorliegender Studien weiß, dass Sachsen auf diesem Gebiet ein bisschen besser dasteht als andere Bundesländer, so haben wir keinerlei Grund zu Selbstgefälligkeit, denn auch bei uns hängt der spätere Bildungsweg allzu oft vom sozialen Status der Eltern ab, und wer das leugnet, weigert sich, die Realitäten zur Kenntnis zu nehmen. Ich komme darauf im Folgenden noch zurück.
Ich habe ja durchaus ein gewisses Verständnis dafür, wenn Ministerpräsident Tillich immer wieder auf die PISA-Ergebnisse und auf den 1. Platz beim Bildungsmonitor der Stiftung „Neue Soziale Marktwirtschaft“ verweisen, aber muss natürlich auch heute erwidern, dass dessen Untersuchungen völlig einseitig auf die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Schulabgänger orientiert sind und eben nicht an einer möglichst hohen Allgemeinbildung, die wir für erforderlich halten.
Es ist bekannt, dass dieselbe Stiftung Georg Milbradt zum Ministerpräsidenten des Jahres wählte, der dann kurze Zeit später mit der Landesbank unterging, und ich verweise auch auf den letzten parlamentarischen Abend des Sächsischen Handwerkskammertages, auf dem Präsident Dirschka den Regierenden in Sachen Qualität der Schulabgänger ordentlich die Leviten las.
Deutlicher hätte es auch die Opposition kaum formulieren können.
Die hiesige CDU behauptet dennoch gebetsmühlenartig, die Mittelschule sei ein „Modell für Deutschland“, „beispielgebend für andere Bundesländer“. Das mag sein, aber nur deshalb, weil in einigen Ländern noch immer die klassische Dreigliedrigkeit vorherrscht.
Gute Bildung hängt bekanntlich von vielen Faktoren ab, bei weitem nicht nur von der jeweiligen Schulstruktur. Es geht auch um Ausbildung der Pädagogen, es geht um eine moderne Lehr- und eine möglichst attraktive Lernkultur. Es geht um die Sozialisation von Kindern und Jugendlichen, es geht um Emanzipation der Schulen von der Kultusbürokratie und es geht nicht zuletzt um Partizipation der Schüler, Eltern und Lehrer.
Dennoch stehen allzu oft die Schulstrukturen und das Schulsystem im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung, auch und gerade in den Landesparlamenten. Und wenn die in Sachsen seit fast 20 Jahren regierende CDU ihr System immer wieder über den grünen Klee lobt, dann zwingt sie die Opposition geradezu, sich damit kritisch auseinander zu setzen. Heute von mir dazu nur soviel:
Die sächsische Mittelschule, die derzeit scheinbar als Vorbild gilt, hat sich in der Praxis inzwischen als ernsthaftes Problem erwiesen: Das Festhalten der Staatsregierung an den starren Normativen für die Schulformen (mindestens zweizügig in der Mittelschule und mindestens dreizügig im Gymnasium) hat ein massives Schulsterben im Freistaat Sachsen verursacht. Bis zum Schuljahr 2005/2006 sind nach Angaben des Statistischen Landesamtes von ursprünglich 2.325 Schulen 724 geschlossen worden.
Das ist ein Drittel aller ursprünglich im Freistaat vorhandenen Schulen, und auch das ist nicht die ganze Wahrheit. Eine detaillierte Untersuchung belegt, dass seit 1990 mehr als 1.000 Schulstandorte dicht gemacht worden sind, eine – wie ich finde – überaus bedrückende Zahl.
Der Protest gegen die Schulschließungspolitik war riesengroß, zumal in vielen Fällen eben nicht allein der Geburtenrückgang ausschlaggebend war, sondern die Vorgaben des Kultusministeriums. Ein Volksbegehren „Zukunft braucht Schule“ gegen die starren Regelungen für Mittelschulen und Gymnasiem scheiterte nur knapp am erforderlichen Quorum von 450.000 Unterschriften.
Die Ausdünnung des Schulnetzes hat beträchtliche soziale Kosten verursacht. So konstatiert beispielsweise der Sächsische Kinder- und Jugendbericht erhebliche Lücken in der soziokulturellen Infrastruktur des Landes. Die Autoren sprechen von „toten Dörfern“. Das sind Orte ohne Arzt, Kindergarten, Jugendclub, Kneipe und Einkaufsmöglichkeit. Von der Schule ganz zu schweigen. Zur „ländlichen Öde“ (auch das ein Zitat) sei das „Weggehen“ die „einzig zukunftsträchtige Alternative“, heißt es in dem Bericht. Weil infolge der Abwanderung junger Menschen immer weniger Gleichaltrige da sind, „mit denen jugendkulturelle Stile“ und „überlokale Gesellungsformen“ ausprobiert und gelebt werden können, werde Vereinzelung zum Schicksal für die Dagebliebenen.
Eine weitere Folge der Schulschließungen, die oft gegen den Willen der kommunalen Träger erfolgten, sind Initiativen zur Fortführung bislang kommunaler Schule in freier Trägerschaft.
Die Gründung von Schulen in freier Trägerschaft weist einen deutlichen Schwerpunkt in Zeiten gehäufter Schließungen öffentlicher Schulen gleicher Art auf. Die in freier Trägerschaft fortgeführten Schulstandorte haben inzwischen vielfach nachgewiesen, dass es praktische Alternativen zu den staatlichen Strukturvorgaben gibt. Das Wort „Ersatzschule“ erhielt hier eine ganz neue Bedeutung.
Im Schuljahr 2007/2008 besuchten schon 12,5 Prozent der Schülerinnen und Schüler eine Schule in freier Trägerschaft.
Mit seiner faktischen Dreigliedrigkeit aus Förderschule, Mittelschule und Gymnasium hat sich das sächsische Schulwesen hinsichtlich der demografischen Entwicklung als wenig anpassungsfähig erwiesen. Zwar führte der Schülerrückgang zu einer günstigeren Schüler-Lehrer-Relation an öffentlichen Schulen, weil die Zahl der Lehrerstellen nicht linear mit den zurückgehenden Schülerzahlen verringert wurde. Die dadurch verbesserte personelle Ausstattung der Schulen führte aber nicht dazu, dass die zusätzlichen Ressourcen auch zur Verbesserung der Bildungsqualität verwendet wurden.
Die Enquete-Kommission des Landtags zum demografischen Wandel kommt zu dem Schluss, dass „der tendenzielle Entleerung einiger der Teilräume vor allem in der Oberlausitz und im Erzgebirge und der Abnahme der Schülerzahlen nicht mit der schieren Ausdünnung des Schulnetzes und der vor allem zeitlichen Verlängerung der Schülertransporte (mit steigenden Kosten für die Beteiligung der Eltern) allein zu begegnen“ sei und empfiehlt „intelligente Arrangements der Vermittlung von Wissen“ und „regional angepasste Lösungen“. Für letztere könne auf „Erfahrungen aus Skandinavien mit ähnlichen Verhältnissen der dünnen Besiedelung, aus Brandenburg sowie aus Schulreform-Projekten (wie z. B. den Jenaplan-Schulen) mit jahrgangsübergreifendem Unterricht, …mit mobilen Lehrern und mit E-Learning“ zurückgegriffen werden.
Von der Armut im Freistaat Sachsen heißt es, dass sie „jung“ sei. Und sie ist, räumlich betrachtet, ungleich im Lande verteilt. Im Dezember 2007 lebten nach den Angaben der Enquete-Kommission in Sachsen 118.167 Kinder, das sind 27 Prozent, auf Sozialhilfeniveau oder darunter. Bundesweit liegt die Quote bei 16,2 Prozent. Extrem hohe Kinderarmutsquoten verzeichnen zum Beispiel die Städte Görlitz mit 43,7 Prozent (bundesweit der höchste Anteil) und Leipzig mit 37,4 Prozent aller Kinder unter 15 Jahren in Hartz-IV-Haushalten.
Auch wenn die Staatsregierung immer wieder behauptet, dass der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und der Höhe des Schulabschlusses in Sachsen vergleichsweise gering sei, so lässt sich erstens der Einfluss des Sozialmilieus auf Bildungsniveau und Bildungsbeteiligung nicht bestreiten und zweitens fällt ins Auge, dass die Zahl der Schulabgänger, die keinen oder nur einen niedrigen Schulabschluss erreichen, in den Armutsregionen deutlich größer ist als andernorts.
In Görlitz beträgt der Anteil der Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss 12,1 Prozent. In Leipzig liegt er ebenfalls bei 12 Prozent. Sachsenweit liegt die Quote nach offiziellen Angaben bei 8,7 Prozent.
In sogenannten sozialen Brennpunkten kommt es also offenkundig zu einer Kumulation negativer Effekte, die sich nachteilig auf das Niveau der erreichten schulischen Abschlüsse auswirken. Um auf derartige regionale Effekte wirksam reagieren zu können, erachtet DIE LINKE eine Regionalisierung der Bildungsplanung für sinnvoll.
Zentraler Bestandteil regionalisierter Bildungsplanungen sollte die Gemeinschaftsschule sein, die aufgrund ihrer Struktur den Umgang mit sozialer und kultureller Vielfalt ermöglicht. Zudem bietet die an Gemeinschaftsschulen zu praktizierende Integrationspädagogik die Chance, durch das Erlernen sozialer und kultureller Kompetenzen auch die Qualität schulischer Leistungen zu steigern.
Ein zentraler Punkt unserer Forderungen besteht darin, diese strukturelle Ungleichheit zu bekämpfen. Die angeführten Zahlen zur Armut in Sachsen verlangen jedoch nach mehr als Bildungspolitik, nämlich nach einer Bildungssozialpolitik, also der Verknüpfung von Sozial- und Bildungspolitik. Denn Bildung allein schützt nicht vor Armut. Bildungsbeteiligung und Bildungserfolg sind keine ausschließlichen Schulprobleme.
Kinderarmut wirksam zu bekämpfen erfordert vor allem, Strukturen sozialer Ungleichheit zu beseitigen. Gerechter zu verteilen sind Erwerbsarbeit, Vermögen und Lebenschancen, um das gesellschaftlich bedingte Problem der Kinderarmut zu lösen. Ein politischer Wechsel vom schlanken zum interventionsfähigen Wohlfahrtsstaat, der für die soziale Lage seiner armen oder armutsgefährdeten Bürgerinnen und Bürger größere Verantwortung übernimmt, ist längst überfällig.
Darin unterscheidet sich eine linke und emanzipatorische von konservativer Bildungspolitik: Sie berücksichtigt die für die individuelle Selbstverwirklichung erforderlichen Ermöglichungsbedingungen der Gesellschaft. Schulen sind zentraler Bestandteil der „sozialen Bedingungen der Selbstverwirklichung“. Konservative deuten dagegen soziale Probleme in Erziehungsprobleme um. Jeder Einzelne trägt danach selbst die Verantwortung für das berufliche und gesellschaftliche Fortkommen. Von den Anstrengungen und Investitionen in die eigene Bildungsbiografie hänge es ab, ob die Integration in die Gesellschaft gelinge oder nicht. Sozialer Ausschluss, Armut womöglich, gelten als Folge individuellen Versagens.
Hinzu kommt: Leider steht Sachsen auch auf dem Gebiet der Förderschulen alles andere als glänzend da. Im Schuljahr 1996/1997 betrug der Anteil der Förderschüler an der Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler noch 4,5 Prozent. Im Schuljahr 2007/2008 waren es bereits 6,3 Prozent. Das heißt, der Anteil an der Gesamtschülerzahl ist in den letzten elf Jahren trotz des Geburtenrückgangs nach der Wende deutlich angestiegen. Nur zum Vergleich: Bundesweit liegt der Anteil der Förderschüler derzeit bei 4,8 Prozent. Wir als LINKE stehen ja ohnehin für eine weitgehende Integration in die Regelschulen.
Ein weiteres Stichwort der bildungspolitischen Debatten lautet „Durchlässigkeit“. Selbst nach Ansicht von Ministerpräsident Tillich braucht Sachsen mehr Durchlässigkeit im Schulsystem.
„Es gibt auch Spätzünder, die noch nicht nach Klasse 4 die Anforderungen des Gymnasiums erfüllen“, sagte Tillich vor einigen Monaten im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Solchen Kindern darf der Weg zur Hochschulreife nicht verbaut sein.“ Wenn Schüler die Ansprüche erst später schaffen, müssten auch sie die Chance zum Wechsel haben. „Das Gleiche gilt fürs Studium.“
Ja, der Regierungschef sprach sogar davon, dass das längere gemeinsame Lernen kein Tabu mehr sei. Was für neue Töne, denen jedoch bis dato wieder keinerlei Taten folgten. Die realen Fakten sind allerdings ernüchternd:
Nach einer Statistik des Kultusministeriums wechseln nämlich derzeit nur sehr wenige Schüler von der Mittelschule wirklich auf das Gymnasium. Im Schuljahr 2007/2008 gelang dies deutlich weniger als einem Prozent. Das bestätigt uns in unserer Auffassung, dass die Trennung der Kinder nach Klasse 4 eindeutig zu früh erfolgt und in den allermeisten Fällen auch nicht reparabel ist.
Der Kultusminister hat die Tätigkeit eines Pädagogen in jüngster Zeit mehrfach als „attraktiven Vollzeitberuf“ bezeichnet. Wir stimmen mit ihm darin überein, dass es dringend notwendig ist, die gesellschaftliche Anerkennung der Lehrerinnen und Lehrer erhöhen, nicht zuletzt nachdem so mancher seiner Amtsvorgänger einiges dazu beigetragen hat, deren Ruf immer weiter zu beschädigen, was wir als LINKE wiederholt kritisiert haben.
Die Ergebnisse unseres Bildungswesens beruhen in der Tat maßgeblich auf den Leistungen, die die sächsischen Lehrerinnen und Lehrer erbringen. Da hat der Minister ausnahmsweise einmal recht. Die Pädagogen erwarten von der Regierung jedoch nicht nur wohlfeile Worte, sondern endlich handfeste Taten. Doch Fakt ist:
Der vom Landtag im Dezember beschlossene Doppelhaushalt für die Jahre 2009/2010 garantiert weder eine Vollzeitbeschäftigung der Lehrerinnen und Lehrer noch sichert er gute Rahmenbedingungen an den sächsischen Schulen.
Für DIE LINKE will ich abschließend folgende grundsätzliche Positionen formulieren:
Bildung ist die Grundlage für die spätere Lebensbewältigung, für eine nicht zuletzt auch berufliche Perspektive. Bildung entscheidet ganz wesentlich über sozialen Auf- oder Abstieg und über die tatsächlichen Möglichkeiten der Teilhabe an demokratischen Entscheidungsprozessen. Bildung ermöglicht den Zugang zu Kultur und schafft die Voraussetzungen, die ein eigenständiges lebenslanges Lernen erst möglich machen. Bildung entscheidet letztlich auch über Erfolg oder Misserfolg von Integrationsmaßnahmen für Zuwanderer.
Insofern wiederhole ich: „Bildung ist der Schlüssel zu allem!“
Jährlich wird in Sachsen viel Geld im Bildungsbereich einsetzt: für Kitas, Schulen, Berufsausbildung und Hochschulen insgesamt über drei Milliarden Euro. Das sind mehr als 20 Prozent des Landeshaushaltes.
Doch die Ergebnisse dieses Mitteleinsatzes halten einer kritischen Prüfung nicht einmal ansatzweise stand. Nach wie vor erlangen ca. neun Prozent eines Jahrgangs – das sind mehr als 4.000 Jugendliche jährlich – nicht mal einen Hauptschulabschluss. Früher lag die Quote sogar deutlich über zehn Prozent. Das bedeutet: In 17 Jahren CDU-geführter Regierung haben fast 90.000 Schülerinnen und Schüler in Sachsen die Schule ohne jeden Abschluss verlassen.
Hinzu kommen noch einmal zehn Prozent der Schüler, die einen so schlechten Haupt- und Realschulabschluss haben, dass ihnen kaum eine berufliche Perspektive bleibt. Jeder fünfte Schulabgänger ist also bereits abgehängt, bevor sein eigenständiges Leben so richtig begonnen. Das darf so nicht bleiben, und wir werden das ändern!
Das aus unserer Sicht notwendige lebenslange Lernen bedarf, um erfolgreich zu sein, einer Gesamtstrategie, und das heißt aus unserer Sicht einer Vernetzung von Reformen im Vorschul- und Schulbereich mit der Hochschulentwicklung.
Für Sachsen gelten im Kern folgende bildungspolitische Ziele der LINKEN:
1. Wir wollen einen umfassenden Ausbau des Betreuungssystems vor der Schule, denn hier werden wichtige Grundlagen für die spätere Entwicklung gelegt. Wir wollen, dass alle Kinder frühzeitig gemeinsam mit anderen Kindern aufwachsen und sich spielerisch in Gemeinschaft entwickeln können.
2. Eine Schule für alle ist das Gebot der Zeit. Wir wollen, dass in der Gemeinschaftsschule eine anspruchsvolle und moderne Allgemeinbildung vermittelt wird. Wir wollen Schulen, die keine Lernfabriken sind, sondern als Entwicklungsräume die Förderung und Entwicklung jedes Einzelnen in den Mittelpunkt stellen.
3. Jeder und jede soll gefördert, Teilhabe ermöglicht und Benachteiligungen, die den Zugang zu besserer Bildung behindern, sollen ausgeglichen werden. Wir wollen perspektivisch erreichen, dass alle Heranwachsenden wenigstens den erfolgreichen Abschluss der 10. Klasse erreichen können.
4. Wir wollen, dass möglichst viele junge Leute das Abitur erwerben oder über andere Wege eine Hochschulzugangsberechtigung erlangen.
5. Wir wollen, dass mehr junge Menschen als bisher ein Hochschulstudium beginnen und erfolgreich abschließen können. Und das natürlich ohne Studiengebühren, die Sachsen drohen, sollte Schwarz-Gelb im nächsten Jahr an die Macht kommen. Hochschulen müssen demokratisch sein und die Zugänge möglichst offen gestaltet werden.
6. Wir wollen eine starke öffentliche Bildung – den zunehmenden Privatisierungsbestrebungen erteilen wir eine klare Absage!
7. Die personellen und sächlichen Bedingungen für bessere Bildung müssen gesichert werden. Notwendig ist dabei auch eine umfassende Reform der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern sowie anderer pädagogischer Fachkräfte. Studium und praktische Ausbildung der Pädagogen müssen wieder enger miteinander verzahnt werden. Und schließlich:
8. Das Recht auf Weiterbildung muss in unserer schnelllebigen Gesellschaft dauerhaft gesichert werden. Dazu bedarf es auch einer Stärkung der Volkshochschulen.
Aus alledem ergibt sich für mich:
Die ersten zehn Jahre nach der Wende waren für Sachsen Jahre des Um- und Aufbruchs sowie der demokratischen Neugestaltung. Die zweiten zehn Jahre im Freistaat waren geprägt von Konsolidierung und zunehmender Stagnation.
Das dritte Jahrzehnt in Sachsen nach 1989 muss das Jahrzehnt der Bildungsoffensive werden. Und zwar einer Bildungsoffensive, die nicht mehr von der CDU dominiert wird.
Sachsen braucht eine moderne und zukunftsorientierte Bildungspolitik. DIE LINKE arbeitet daran und wird für die notwendigen Veränderungen sorgen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
wir haben heute eine Fachkonferenz und müssen daher über nichts abstimmen, und wir entscheiden heute auch nicht über den nächsten Bundespräsidenten oder die nächste Bundespräsidentin. Dafür ist bekanntlich die Bundesversammlung zuständig, die in genau sieben Wochen stattfindet. Umso mehr freue ich mich darüber, so relativ kurz vor diesem wichtigen Ereignis heute hier Frau Prof. Gesine Schwan begrüßen zu können, die als gestandene SPD-Politikerin auf einer Konferenz der LINKEN eine bildungspolitische Grundsatzrede halten wird, auf die wir sehr gespannt sind. Frau Prof. Schwan, ich heiße Sie ganz herzlich willkommen, schön dass Sie da sind.
Was Bildung und Wissenschaft angeht, ist Frau Prof. Schwan eine – über die Parteigrenzen hinweg – anerkannte Expertin. Mich beispielsweise hat besonders Ihr Vortrag zum Thema „Gerechtigkeit und Bildung – für eine Politik der Chancen“ in den Franckeschen Stiftungen in Halle sehr beeindruckt.
Frau Schwan lehrte u.a. viele Jahre Politikwissenschaft an der Freien Universität in Berlin und war bis September 2008 fast neun Jahre lang Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder.
Ich bin daher ganz sicher: Ihre Rede wird viel Stoff auch für die nachfolgende Podiumsdiskussion liefern. Ich freue mich auf Ihre Ausführungen und darf Ihnen hiermit das Wort übergeben.
Herzlichen Dank!