Billig-Kräfte bei Werbung für Bundeswehr? – Rechenstunde für das BMVg
Dass auf Anfragen der Opposition ausweichend geantwortet wird, ist bei Fragen an die Regierung mittlerweile die Regel, statt der Ausnahme. Dass man sich unwissend stellt und die Frage bewusst falsch verstehen will, belegt der die Reaktion des Parlamentarischen Staatssekretärs im Verteidigungsministerium Thomas Hitschler (SPD).
Auf die Frage nach den Kosten für sage und schreibe 5.931 Veranstaltungen von und durch sogenannte Jugendoffiziere der Bundeswehr, die an Schulen, Universitäten oder auch in der Multiplikatorenausbildung von Lehrerinnen und Lehrern im Jahr 2023 zum Einsatz kamen, teilt das Verteidigungsministerium mit, es sei dafür lediglich die Summe von 69.337,90 Euro aufgewendet worden. Das wären nach Adam Riese rund 11,70 Euro pro Einsatz eines Jugendoffiziers. Absolut unrealistisch, denn Jugendoffiziere beziehen nicht nur ihren Sold, der Teil der Kostenberechnung sein muss, sondern es fallen ja auch noch Kosten für An- und Abreise, ggf. Unterbringung sowie die Vorbereitung der jeweiligen Unterrichtseinheit an.
Aufwand, den das Verteidigungsministerium offenkundig nicht offenlegen will!
Üblicherweise entsendet die Bundeswehr Jugendoffiziere im Dienstgrad Hauptmann mit einer geschätzten Diensterfahrung von 10 Jahren, die Unterrichtseinheiten über sicherheitspolitische Themen abhalten sollen.
Vorsichtig kalkuliert, muss bei so einem Jugendoffizier von allein 150 Euro an Personalkosten (Sold Hauptmann, A11,EfSt 3 – 4488,54 Euro) für einen einzelnen Einsatztag ausgegangen werden. Gelingen An- und Abreise für 100 Euro, dann ergibt das – auch ohne Übernachtungskosten – einen immer noch sehr niedrig angesetzten Tagessatz von 250 Euro.
250 Euro pro Einsatz, mit denen nicht nur die Deutungshoheit in Sachen Sicherheitspolitik erlangt werden soll, sondern wobei auch noch den Lehrenden in Politik, Gesellschaftskunde oder Geschichte letztlich die Kompetenz abgesprochen wird, sicherheitspolitische Themen kompetent an die Schülerinnen und Schüler zu vermitteln.
Allein das entspricht bereits Kosten von mehr als 1,5 Millionen Euro.
Zum Vergleich:
Der Tagessatz für Journalisten, den der deutsche Fachjournalistenverband empfiehlt, liegt bei einer vergleichbaren Zahl an Berufsjahren und Themenexpertise bei 660 Euro. Damit lägen die Kosten für 5931 Veranstaltungen sogar schon bei rund 3,9 Millionen Euro. Das Parlament ist mit der Antwort der Bundesregierung ganz offensichtlich veralbert worden, um es gelinde auszudrücken.
Egal ob 1,5 Millionen Euro, 3,9 Millionen Euro oder die vom Verteidigungsminister behaupteten 69.377,90 Euro: der Einsatz von Jugendoffizieren als Vorstufe der Rekrutierung junger Menschen ist grundsätzlich abzulehnen. Wenigstens das sollte man aus dem unsäglichen Wehrkunde-Unterricht aus DDR-Zeiten gelernt haben!
Vergleichbare Kooperationsvereinbarungen, die einen privilegierten Zugang zu Schulen eröffnen, wie es die Bundeswehr mit den Kultusministerien von insgesamt neun Bundesländern vereinbart hat, gibt es im Übrigen im Bereich der Zivilschutzorganisationen und anerkannten Hilfsorganisationen laut Bundesregierung nicht. Die Finanzierung von Technischem Hilfswerk THW, DRK, Maltesern, Johannitern oder DLRG wird stets klein gehalten. Statt die Jugendoffiziere als schlecht getarnte Vorfeldorganisation der Bundeswehr-Rekrutierung einzusetzen, sollten vielmehr sinnvolle Inhalte aus dem Bereich des zivilen Katastrophenschutzes in die Lehrpläne an Schulen aufgenommen werden.
Die Antwort im Volltext:
AA BMVg AVL V26223 Frage 16 Dr. Hahn