Der Geheimdienst-Kritiker: André Hahn

Von Hans Krump

André Hahn ist unzufrieden mit dem Prozedere zur Verfassungsschutzreform. „Ich bedaure, dass der Gesetzentwurf schon im Parlament ist“, sagt der Linken-Abgeordnete und Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr). Das Gremium, das für den Bundestag die Arbeit der Geheimdienste beaufsichtigt, untersuche gerade die umstrittene V-Leute-Praxis der Geheimdienste und wolle dazu in der zweiten Jahreshälfte selbst Vorschläge machen. Hahn: „Es ist auch eine Sache des Respekts der Regierung vor dem Parlament, dies erst einmal abzuwarten.“

Hahn gilt als Geheimdienstexperte der Linken, seit er nach viel Gerangel in den 1990er Jahren als erster Abgeordneter des Linken-Vorgängers PDS in die Parlamentarische Kontrollkommission des sächsischen Landtags einzog und seit Anfang 2015 für die Opposition – im Wechsel mit der Koalition – erster PKGr-Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag wurde.

Wie bewertet er den Gesetzentwurf? Nach den schweren Pannen bei der rechtsterroristischen NSU-Gruppe ist auch Hahn für Reformen beim Verfassungsschutz. Ihm missfällt vor allem, dass Behördenleiter trotz schwerer Straftaten eines V-Mannes „im Einzelfall“ weiter die Zusammenarbeit mit ihm beschließen können. Dies, obwohl nach skandalösen Fällen in der Vergangenheit V-Leute künftig eigentlich nur „leichte“ szenetypische Straftaten wie den Hitlergruß bei Neonazis begehen dürften. „Über solche Maßnahmen eines Verfassungsschutzchefs muss das jeweilige Kontrollgremium zwingend informiert werden. Das gehört ins Gesetz“, meint Hahn.

Dem langjährigen Kritiker der Geheimdienstarbeit ist ohnehin suspekt, dass V-Leute per Gesetz im Gegensatz zum Normalbürger Straftaten, wenn auch „leichte“, begehen dürften. „Da wird die Abgrenzung immer schwer zu finden sein.“ Hahn findet deshalb den Weg Thüringens unter dem linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow gut, auf V-Leute in der Extremistenszene grundsätzlich zu verzichten: „Dieser Mut sollte honoriert werden.“ Stattdessen gebe es Drohungen von Unions-Innenministern, Thüringen von bestimmten sicherheitspolitischen Informationen „abzuklemmen“. Das hält Hahn für gesetzeswidrig. Die Vorgänge um die NSU-Terrorgruppe, die jahrelang von Geheimdienstlern umstellt war, hätten die Nutzlosigkeit und Schädlichkeit von V-Leuten klar gezeigt.

Für den 52-Jährigen ist durch das Reformgesetz auch nicht sichergestellt, dass sich in Parteien keine V-Leute des Verfassungsschutzes mehr wie bisher tummelten. Dies war beim ersten 2003 gescheiterten NPD-Verbotsverfahren das entscheidende Hindernis. Dies drohe auch beim jetzigen Verfahren nach dem kürzlichen Auftrag des Bundesverfassungsgerichts an den antragstellenden Bundesrat, die Abschaltung von V-Leuten in der NPD zu beweisen und nicht nur zu behaupten.

Die jetzt geplante Funktion des Bundesverfassungsschutzes als Zentralstelle des Informationsflusses mit den Landes-Verfassungsschutzämtern findet Hahn zwar gut. Er fragt sich aber, wie dies kontrolliert werden soll, weil die Kontrollgremien der Bundestags und der Landesparlamente keine Informationen über die anderen föderalen Ebenen erhielten. Hahn ist für die Abschaffung des Verfassungsschutzes, auch wenn dies wegen der Mehrheitsverhältnisse in den Parlamenten derzeit unrealistisch ist. Zunächst müsse der Geheimdienst seine Arbeit im Inland mit nachrichtendienstlichen Mitteln, also mit Abhörmitteln oder V-Leuten, beenden.

Mehr Transparenz in die Arbeit der Geheimdienste bringen – das war Hahns Credo, als er den PKGr-Vorsitz übernahm. Das Gremium sei hier ein gutes Stück vorangekommen. So gebe es jetzt mehr Kontrollbesuche bei den Geheimdienstbehörden, einen Mitarbeiterstab oder die Möglichkeit von Minderheitenvoten in den Jahresberichten des Gremiums.

André Hahn zählt zu den Stützen der Realos in der Fraktion um Fraktionsvize Dietmar Bartsch. Der gerne als „Aktenfresser“ titulierte Politiker geht in der neuen Aufgabe richtig auf, der Bundestagseinzug 2013 hat ihm neue Arbeitsmöglichkeiten gegeben. Hahn ist auch Parlamentarischer Fraktionsgeschäftsführer und Mitglied im NSA-Untersuchungsausschuss, wo es auch um Geheimdienste geht. Zuvor saß der gelernte Schriftsetzer und promovierte Sozialwissenschaftler seit 1994 für die PDS bzw. Linkspartei im sächsischen Landtag, von 2007 bis 2012 als Fraktionschef. Was bleibt dem Vater eines Kindes, der mit seiner Ehefrau in Gohrisch in der Sächsischen Schweiz lebt, an Hobbys? Fußball, sagt der früher aktive Kicker und Schiedsrichter der 2. DDR-Liga, der jetzt beim FC Bundestag stürmt. Und: „Angeln, immer wieder in Norwegen und in Irland.“

Quelle: www.das-parlament.de