DIE ZEIT im Osten zu Connewitz – kein journalistisches Glanzstück!
In der Regel sehen Zeitungsleserinnen und –leser nur den fertigen Artikel. Ausnahmsweise soll hier einmal über die Entstehungsgeschichte eines Beitrages berichtet werden. Unter dem Schlagwort „Linksradikalismus“ erschien am 16. Januar in der ZEIT im Osten Nr. 4/2020 ein Artikel von Josa Mania-Schlegel und dem Titel „Man muss Gewalt im Kontext sehen“ (https://www.zeit.de/2020/04/linksradikalismus-connewitz-silvester-linke-gewalt-politik).
Ganz dringend und schnell bat am 13. Januar Herr Josa Mania-Schlegel vom Leipziger Büro DIE ZEIT um ein telefonisches Gespräch mit André Hahn über die Ereignisse in der Silvesternacht im Leipziger Stadtteil Connewitz. Trotz anderer Termine nahm sich der Abgeordnete die Zeit und man telefonierte ca. eine dreiviertel Stunde miteinander.
Am 14.01., 12:32 Uhr, mailte Herr Schlegel: „Sehr geehrter Herr Hahn, vielen Dank noch einmal für das ausführliche Telefonat. Ich sende Ihnen hier Ihre Zitate für meinen Text – und würde bitte bis 16 Uhr Ihr OK brauchen, ist das möglich? Ich habe alles von Ihnen live mitgetippt – sollte mir trotzdem ein Fehler oder eine unzulässige Verknappung unterlaufen sein, bitte ich Sie die entsprechende Stelle fett und unterstrichen zu korrigieren.“
13:38 Uhr dann die Antwort von André Hahn: „… unten stehend die so autorisierten Zitate, auch wenn diese sehr aus dem Zusammenhang gerissen erscheinen. Ich kenne ja den genauen Kontext nicht, in den sie eingefügt werden sollen. Da wir ja sehr ausführlich miteinander gesprochen haben, die Sache im Zweifel auch politisch heikel sein könnte und Sie mich ja auch nach Äußerungen einiger LINKEN-Politiker gefragt haben, möchte ich allerdings auch gern wissen, ob und in welcher Form ich ggf. indirekt zitiert werden soll. Ich bin sonst bei Interviews oder Statements sehr unkompliziert, aber gerade bei diesem schwierigen Thema sowie einem vermutlich längerem Text kommt es im Zweifel auf jede Nuance an, die mit meinem Namen in Verbindung gebracht wird.“
20 Minuten später die Antwort: „Lieber Herr Hahn – haben Sie vielen Dank für die Autorisierung. Die redaktionellen Prinzipien meines Arbeitgebers (wie bei jeder anderen Zeitung auch) erlauben es mir zwar nicht, Ihnen den genauen Abschnitt vorab zuzusenden, in dem Ihre Zitate eingebettet sind. Was unter anderem daran liegt, dass sich in einer Zeitung wie der unseren bis kurz vor Druck noch vieles ändern kann. Vielleicht hilft es aber wenn ich Ihnen zwei Dinge sage, die für meinen Text ganz sicher gelten: Es handelt sich nicht um einen längeren Text, sondern bloß um eine Viertelseite. Darin werden verschiedene sächsische Linken-Politiker ziemlich kommentarlos nacheinander befragt, wie sie die Verantwortung ihrer Partei zum Thema Linksextremismus einschätzen. Ihre Zitate habe ich ausgewählt, weil ich es wichtig finde, dass die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus aus Ihrer Sicht derzeit höhere Relevanz hat. Da handelt es sich ja praktisch um einen kleinen Einblick in Ihren Arbeitsalltag.“
Am 17. Januar schrieb dann André Hahn an Herr Mania-Schlegel: „Ich habe Ihren Artikel gelesen und sehe mich leider bestätigt darin, dass eine objektive Berichterstattung – zumindest zum Thema Connewitz – nicht stattfindet und womöglich auch nicht gewollt ist. Ich bedauere das ganz ausdrücklich, zumal ich in meiner langjährigen Abgeordnetentätigkeit doch überwiegend gute und vertrauensvolle Kontakte zu Journalisten aufgebaut habe.
Mal ganz abgesehen davon, dass Sie von dem langen Gespräch ganze zwei kurze Zitate zur Autorisierung ausgewählt und an mich geschickt haben, haben Sie meine entscheidende und eindeutige Aussage, dass das Gewaltmonopol natürlich beim Staat liegt, die Polizei aber damit auch angemessen und verhältnismäßig umgehen muss, komplett weggelassen – ganz offenbar, weil eine solche klare Positionierung nicht in die Grundausrichtung Ihres Beitrags gepasst hat. Medien sollen informieren und nicht selbst Politik machen (wollen), und eigentlich zwischen sachlicher Berichterstattung und (natürlich immer zulässigen, aber eben auch subjektiven) Kommentaren unterscheiden können. Das vermag ich in Ihrem Artikel nicht zu erkennen.
Zudem hat sich leider wieder einmal gezeigt, dass mit irregulären indirekten Zitaten unzulässig Stimmung gemacht wird. Genau deshalb hatte ich Sie danach gefragt. Sie haben eine Aussage dazu abgelehnt. Ich habe nie gesagt, dass man den Linksextremismus als Problem viel zu groß mache. Ich habe mich klar von Gewalt distanziert und auf Ihre Fragen hin darauf verwiesen, dass wir uns auf der Bundesebene seit Monaten aufgrund tatsächlich existierender Vorkommnisse vor allem mit Rechtsextremismus und -terrorismus auseinandersetzen müssen und auch konkrete Beispiel genannt. Ihr Artikel suggeriert, ich hätte mich zu Connewitz nicht äußern wollen, was objektiv falsch ist, und stattdessen mit einem Verweis auf den Rechtsextremismus ablenken wollen. Im nächsten Satz nach meinem Zitat formulieren Sie die Frage, ob sich DIE LINKE nicht auch mit ihrer eigenen Rolle in Connewitz auseinandersetzen müssen. Genau darüber hatten wir lange gesprochen, ohne dass sich dies im Artikel wiederfindet. Insofern ist eine solche Darstellung einfach unredlich!“
Hier das nicht veröffentlichte Zitat von André Hahn: »Die Lage in Connewitz ist in vielerlei Hinsicht kompliziert. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat, aber die Polizei muss angemessen und verhältnismäßig damit umgehen. Nach allem, was ich gehört habe, habe ich erhebliche Zweifel, dass dies in Connewitz so war.«
Eine Antwort von Herrn Mania-Schlegel auf die Mail vom 17. Januar gibt es (Stand 23. Januar) noch nicht.