Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste

Rede zur 2./3. Lesung PKGr-Gesetzentwurf

Das Beste am Gesetzentwurf der Koalition ist der Titel: „Gesetz zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes.“ Die ist sicher auch dringend nötig. Der Inhalt des Gesetzes erfüllt den Anspruch einer effektiveren und vor allem besseren Kontrolle jedoch definitiv nicht.

Ich habe schon in der 1. Lesung darauf hingewiesen, dass in diesem Gesetzentwurf wichtige Punkte fehlen. Andere sollen zwar Eingang finden, werden jedoch nur halbherzig geregelt, und in einer ganz zentralen Frage wird das Parlamentarische Kontrollgremium eher geschwächt als gestärkt.

Ich komme im Einzelnen noch darauf zurück, und muss leider feststellen, dass sich die Koalition auch in den Ausschussberatungen wieder einmal völlig beratungsresistent gezeigt hat. Bis auf eine klitzekleine Ergänzung gab es nicht eine einzige substanzielle Änderung am ursprünglichen Gesetzentwurf. Das aber wäre gerade mit Blick auf den nächsten Tagesordnungspunkt dringend erforderlich gewesen. Wer der Massenüberwachung durch den BND Tür und Tor öffnen, den Auslandsgeheimdienst auch im Inland einsetzen und das Ausspähen unter Freunden nun ganz offiziell erlauben will, müsste wenigstens die parlamentarische Kontrolle stärken. Genau das passiert jedoch nicht.

Und deshalb wird DIE LINKE dem vorliegenden Gesetzentwurf auch nicht zustimmen!

Eigentlich wollte ich die Koalition zumindest in einem Punkt loben, weil – wie von uns seit langem gefordert – den PKGr-Mitgliedern erlaubt werden sollte, zumindest die eigenen Fraktionsvorsitzenden über wichtige Themen aus dem Gremium zu informieren. So stand es ursprünglich in einer von netzpolitik.org geleakten Arbeitsfassung der Koalition. Im Gesetzentwurf findet sich jetzt davon aber kein Wort mehr.

Dass Mitarbeiter der Dienste sich künftig bei Missständen oder Problemen zunächst auch ohne Unterrichtung ihrer Vorgesetzten an das PKGr wenden können, klingt vernünftig. Wenn deren Namen im Zweifel auf Verlangen der Bundesregierung aber doch wieder bekannt gegeben werden sollen, ist das mit Sicherheit kein wirksamer Whistleblower-Schutz.

Dass das PKGr von ihm in Auftrag gegebene Sachverständigen-Gutachten künftig auch an andere Gremien des Bundestages und an Untersuchungsausschüsse der Landtage weitergeben kann, ist eigentlich selbstverständlich. Hier wird eine bislang vorhandene Regelungslücke geschlossen.

Völlig in die falsche Richtung geht die geplante Schaffung eines Ständigen Bevollmächtigten des PKGr. Diese Stelle samt Stellvertreter sowie Personal kostet Millionen und bringt wenig bis gar nichts. Vielmehr besteht die ernste Gefahr, dass besonders sensible Vorgänge oder Akten künftig allein dem Bevollmächtigten vorgelegt werden und nicht mehr den gewählten Abgeordneten. Ich erinnere an den Sonderbeauftragten Graulich und die NSA-Selektoren. Damit würde die parlamentarische Kontrolle nicht unterstützt, sondern letztlich ausgehebelt. Auch auf den Mitarbeiterstab des so genannten Bevollmächtigten wird die Opposition keinerlei Einfluss haben.

Ich finde es im Übrigen auch ziemlich perfide, dass bevor überhaupt das Gesetz beschlossen ist, die personelle Besetzung für das noch gar nicht existierende Amt in der Koalition schon ausgedealt wurde. Soviel zum Respekt gegenüber dem Parlament. Dass in der Union allen Ernstes erwogen worden ist, den derzeitigen Vize-Chef des BND zum neuen Geheimdienstkontrolleur umzufunktionieren, setzt dem Ganzen noch die Krone auf. Wer so agiert, braucht sich über Politik-Verdrossenheit wirklich nicht zu wundern!

Und schließlich fehlen im Entwurf der Koalition wichtige Punkte, so eine Stellvertreter-Regelung für die Mitglieder des PKGr, die Schaffung der Möglichkeit zur Einsicht in die elektronischen Daten und Netzwerke der Dienste (nach niederländischem oder norwegischem Vorbild) sowie auch die Anfertigung eines Tonbandmitschnittes der gesamten Sitzungen des PKGr, um später bei Bedarf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben von Bundesregierung bzw. Geheimdiensten prüfen zu können.

Nach dem Willen von CDU/CSU und SPD gibt es trotz erdrückender Übermacht im Parlament auch keinerlei Stärkung der Minderheitsrechte im Kontrollgremium, im Gegenteil: Wenn mit dem Gesetz wirklich beabsichtigt sein sollte, zu verhindern, dass die Opposition gemäß der Geschäftsordnung im kommenden Jahr wieder den Vorsitz des Kontrollgremiums übernimmt, dann muss dies hier im Plenum auch klar gesagt werden. 80 Prozent Mehrheit im Parlament und Angst vor einem Gremiumsvorsitzenden der LINKEN – ein größeres Armutszeugnis kann man sich selbst eigentlich nicht ausstellen!

Ich habe bereits in der 1. Lesung BND-Präsident Kahl zitiert, der bei seiner Amtseinführung erklärte: „Geheimer Nachrichtendienst und vollständige Transparenz schließen sich aus.“

Ja, das ist wohl so, und genau daraus resultiert unsere grundsätzliche Skepsis gegenüber Geheimdiensten. Solange es für deren Überwindung keine realistische Möglichkeit gibt, müssen wir sie wenigstens halbwegs vernünftig kontrollieren. Der Gesetzentwurf der Koalition leistet dazu keinen Beitrag. Der Entwurf der LINKEN gibt die eindeutig besseren Antworten, selbst wenn die Mehrheit ihn heute wieder ablehnen wird. Herzlichen Dank.