Wir brauchen eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden
Dass zerstörte Häuser oftmals am selben, gerade erst überfluteten Standort neu errichtet werden, ist problematisch. Solche Schadensereignisse dürfen sich nicht am gleichen Ort wiederholen. André Hahn fordert auch eine bezahlbare Versicherung gegen Elementarschäden, die zur Pflicht werden muss.
Auszug aus dem Plenarprotokoll 20/47 vom 07.07.2022
Tagesordnungspunkt 10: Vereinbarte Debatte Ein Jahr nach der Flutkatastrophe – Lehren für die Zukunft des Bevölkerungsschutzes
Dr. André Hahn (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Flutkatastrophe vor einem Jahr mit mindestens 186 Todes- opfern und Milliardenschäden hier in Deutschland war ohne Zweifel ein extrem verheerendes Naturereignis. Allen Opfern und deren Angehörigen spreche ich auch im Namen meiner Fraktion Die Linke unser aufrichtiges Mitgefühl aus.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich möchte mich auch – das haben andere schon getan – bei den Einsatzkräften vom THW, der Feuerwehren, der Bundeswehr, vom Roten Kreuz und von anderen Hilfsorganisationen sowie den vielen Freiwilligen bedanken, die sich vor Ort in den betroffenen Regionen engagiert haben. Ihnen haben wir viel zu verdanken; das will ich an dieser Stelle auch ausdrücklich sagen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Neben der Frage, wie wir die betroffenen Menschen, aber auch Unternehmen beim Wiederaufbau unterstützen, müssen wir als Parlament vor allem Antworten darauf geben, was wir tun können, damit sich solche Schadensereignisse möglichst nicht wiederholen, auch wenn wir alle wissen, dass es eine absolute Sicherheit nicht geben kann. Albrecht Broemme, der ehemalige Präsident des Technischen Hilfswerks, hat in der Anhörung des Innenausschusses unter anderem zwei sehr bemerkenswerte Sätze gesagt. Mit Blick auf die medial immer wiederkehrende Formulierung, es habe sich im Ahrtal um eine Jahrhundertflut gehandelt, erklärte er – Zitat –: Ich müsste eigentlich schon 800 Jahre alt sein, so viele Jahrhundertfluten habe ich schon erlebt. Ich finde, diese Aussage sollte uns doch zu denken geben. Das Wort von der „Jahrhundertflut“ fiel beispielsweise auch beim Extremhochwasser an der Elbe im Sommer 2002. Ich wohne selbst im Elbtal, war damals Mitglied des Sächsischen Landtages. Und natürlich stellt sich die Frage, ob damals die richtigen Lehren daraus gezogen wurden. Wenn man sich den Bericht der unabhängigen Kommission an die Sächsische Staatsregierung zur Flutkatastrophe 2002 ansieht, hat man ein erschreckendes Déjà-vu. Ich habe leider nicht die Redezeit, um das im Einzelnen auszuführen; aber die Probleme waren und sind 20 Jahre später leider nahezu identisch: unzureichende Warnsysteme für die Bevölkerung, massive Störungen der Krisenkommunikation zwischen Kreis, Land und Bundesebene, Ausfall des Telefonnetzes, nicht vorhandene Notstromaggregate usw. „Aus den Krisen lernen“ hieß es gestern im CDU/ CSU-Antrag. Das bedeutet aus unserer Sicht nicht nur, die Katastrophe im Ahrtal nicht zu vergessen, sondern auch nicht die 16 Jahre unionsgeführter Regierung und des zuständigen Innenministeriums, das federführend für den Sparwahn beim Bevölkerungsschutz verantwortlich war.
(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Josef Oster [CDU/CSU])
Es kann und darf nicht sein, dass uns Helfer aus dem Katastrophenschutz in der Anhörung des Innenausschusses sagen müssen, dass ihre Fahrzeuge eher ins Museum gehören, als dass sie für einen Hilfseinsatz noch taugen.
(Josef Oster [CDU/CSU]: Waren Sie mal beim THW? – Gegenruf der Abg. Nina Warken [CDU/CSU]: Schon lange nicht mehr!)
Und es ist doch eine Farce, dass bundesweit – viel zu spät – Sirenen ausgetauscht und endlich erneuert werden, aber nicht einmal einheitlich geregelt ist, welche Art von Sirenen eingebaut wird und auf welche Warntöne die Bevölkerung wie reagieren soll. Ein Jahr nach der Flut kämpfen die Betroffenen teils weiterhin um den Wiederaufbau der Häuser und mit Versicherungen, und dieser Wiederaufbau geht viel zu schleppend voran. Das dürfen wir nicht einfach hinnehmen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich sage auch: Dass zerstörte Häuser oftmals am selben gerade überfluteten Standort neu errichtet werden, ist genauso problematisch wie der Umstand,
(Mechthild Heil [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)
dass es immer noch keine Elementarschadenpflichtversicherung gibt, die ich schon vor zwei Jahrzehnten im Landtag gefordert habe.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sehr richtig! Sehr richtig!)
Ich habe eingangs von zwei bemerkenswerten Sätzen des ehemaligen THW-Präsidenten Broemme gesprochen, die er in der jüngsten Anhörung im Innenausschuss geäußert hat. Der zweite Satz lautete – Zitat –: Wenn im nächsten Jahr wieder so ein schweres Hochwasser käme, würde alles leider genauso passieren wie im Ahrtal. – Ich hoffe, wir sind uns alle einig, dass das nicht sein darf. Deshalb muss man endlich den Zivil- und Katastrophenschutz nachhaltig stärken.
Vizepräsidentin Aydan Özoğuz: Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege.
Dr. André Hahn (DIE LINKE):
Letzte Bemerkung, Frau Präsidentin. – Wenn die Bundesregierung das nun ernsthaft angehen will, dann werden wir das gern unterstützen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sandra Bubendorfer-Licht [FDP])