Kurzsichtig oder einfach kein Interesse?

Auf meine Frage an die Bundesregierung nach den aktuellen Erkenntnissen zu weltweiten Starkregenereignissen weicht das Bundeskanzleramt einmal mehr aus und lässt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz antworten. Die zuständige Staatssekretärin liefert eine auf den Inlandsbereich orientierte Antwort und verweist reflexartig darauf, dass der Hochwasserschutz in der Verantwortung der Bundesländer liege. Das ist deutlich zu kurz gedacht!

Weltweit sind leider auch in diesem Jahr Starkregenereignisse zu verzeichnen. Allein in den letzten Wochen erlebte Kenia Starkregen und in der Folge Fluten, bei denen die Todeszahlen der Ahrweiler-Katastrophe von 2021 erreicht wurden. Rund 165.000 Menschen befinden sich auf der Flucht. Mit den Nachbarländern Burundi, Uganda, und Tansania liegt die Todeszahl bei deutlich über 300 (Stand 30.04.2024). In Kasachstan wurde in 10 von 17 Regionen der Katastrophenfall wegen extremen Hochwassers ausgerufen, über 120.000 Menschen mussten aus den überfluteten Gebieten evakuiert werden. Hinzu kommen die als „außergewöhnlich“ wahrgenommen Hochwasser, als Mitte April mindestens 18 Menschen starben und weiter Teile Dubais überflutet waren. Weitgehend unbemerkt waren die Fluten nach Starkregen in Afghanistan und Pakistan. Die letzten vermeldeten Todeszahlen in dieser Region liegen bei über 300 Menschen, nachdem in Pakistan erst Anfang März 30 Menschen nach Starkregen und Fluten gestorben waren. Die Bilanz ist insbesondere in Afghanistan verheerend. Mehr als 2600 Häuser und Tausende Hektar landwirtschaftliche Flächen wurden durch die Überflutungen beschädigt oder zerstört. Besonders betroffen waren die Provinzen im Süden und Westen Afghanistans. Hinzu kommen 178.000 Tiere, die in den Fluten verendeten.

Dass die Bundesregierung im Inland mitunter einen 360-Grad-Blick praktizieren will und eigens dafür Lagezentren unterhält, sich aber international nicht zu interessieren scheint, ist nicht hinnehmbar. Die Auswirkungen sind immens. Von notwendigen Reisewarnungen, die die Bürger kurzfristig erreichen müssen, ist auf den Seiten des Auswärtigen Amtes nichts zu lesen. Die größte Gefahr stellen für Afghanistan nach Auslegung des Auswärtigen Amtes derzeit weiterhin die Taliban dar. Eine Reisewarnung für die Überflutungsgebiete in Kasachstan gibt es nicht. Die eigens durch das Auswärtige Amt betriebene App „Sicher reisen“ listet allgemeine, aber keine aktuellen Reisewarnungen im Bereich „Natur und Klima“ auf.

Die weltweite Entwicklung der Starkregen, aber auch anderer Klimawandelfolgen, ist dabei für viele Bereiche der Außen- und Entwicklungspolitik relevant. Direkt betroffen ist auch der Tourismus, und letztlich werden sich die multiplen Naturkatastrophen, die ganze Landstriche unbewohnbar machen, auch für mehr Fluchtbewegungen sowie Hunger und Krankheiten in den betroffenen Regionen sorgen.  Nicht zuletzt können sich Starkregen und Überflutungen auf die Energie- und Ressourcenlieferungen auswirken und – je nach Region – auch zu Problemen bei der Lebensmittelversorgung oder mit den Lieferketten führen.

Während die Bevölkerung – völlig zu Recht – vor den Folgen des Klimawandels gewarnt wird, scheint die Bundesregierung den aufkommenden Handlungsdruck lieber vermeiden zu wollen. Ich halte es für dringend notwendig, als Teil der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik auch ein tagesaktuelles Lagebild in Sachen Klimawandel, Katastrophenhilfe und humanitärem Hilfsbedarf zu führen. Letztlich entspricht auch das den Erwartungen, die Bundesbürger haben, wenn sie sich vor Antritt einer Reise auf die Seiten des Auswärtigen Amtes begeben oder die App „Sicher reisen“ nutzen.

Die komplette Antwort auf meine Frage

„Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung für ihr eigenes Handeln aus der weltweiten Entwicklung der Starkregen- und Überflutungsereignisse der letzten fünf Jahre, und welche Prognosen für die Zukunft liegen ihr bei Betrachtung der Intensitäten und Häufigkeiten vor?“

finden Sie hier:

BT-SF_04-361 AW PStin Hoffmann

 


Nachrichten zu den Flutereignissen:

 

Afghanistan / Pakistan

https://www.spiegel.de/ausland/extremwetter-in-afghanistan-hunderte-tote-nach-ueberschwemmungen-a-d0b7d864-e069-4de6-9f2b-2d6c656c5b66

https://www.deutschlandfunk.de/fast-140-tote-in-afghanistan-und-pakistan-100.html

https://orf.at/stories/3356152/

https://www.theguardian.com/environment/2024/apr/19/weather-tracker-rains-bring-deadly-flash-floods-to-afghanistan-and-pakistan

https://www.lemonde.fr/en/climate/article/2024/03/13/in-afghanistan-more-than-60-people-killed-by-weeks-of-heavy-rain-and-snow_6614923_96.html

https://www.cbsnews.com/news/pakistan-afghanistan-flooding-severe-weather-rain-death-toll-increase/

 

Dubai

https://www.deutschlandfunk.de/schwerster-regen-seit-1949-strassen-in-abu-dhabi-und-dubai-ueberschwemmt-102.html

https://www.dw.com/de/faktencheck-dubai-%C3%BCberflutung-cloud-seeding-klimawandel/a-68856324

 

Kasachstan

https://www.spiegel.de/ausland/flut-katastrophe-in-russland-und-kasachstan-uns-anwohner-hat-niemand-vor-dem-wasser-gewarnt-a-49b14e94-e320-41ba-b071-e6b6422c6390

 

Kenia, Tansania, Burundi und Uganda

https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/katastrophen/id_100397190/kenia-ostafrika-deutlich-mehr-als-300-tote-nach-ueberschwemmungen.html

https://www.spiegel.de/panorama/kenia-safari-touristen-nach-ueberschwemmungen-in-camps-eingeschlossen-a-6332f1b8-ad12-40ca-8686-031f8c4f9c4e