Letzte Rede im Sächsischen Landtag
(Anrede)
Dies ist meine letzte Rede hier im Landtag und dabei möchte ich für meine Fraktion DIE LINKE den Entwurf für ein Schulstandortsicherungsgesetz in das Parlament einbringen. Die Staatsminister Frau Kurth und Herr Kupfer versprachen auf ihrer Pressekonferenz am 20. September, der Öffentlichkeit ein „Maßnahmenkonzept“ vorzustellen, mit dem Schulen im ländlichen Raum erhalten werden können. Zur Begründung hieß es in der Medieninformation (Zitat): „Weitere Schließungen von Schulen können nicht mehr die Antwort auf sinkende Schülerzahlen im Ländlichen Raum sein.“ Diese Position vertreten wir als LINKE hier im Parlament schon seit vielen Jahren. Insofern freuen wir uns natürlich, wenn die Koalitionsfraktionen nun endlich auch zu dieser Erkenntnis gelangt sind.
Wer nun jedoch konkrete Maßnahmen erwartet hatte, der sah sich getäuscht. Die dafür erforderliche Schulgesetznovelle wurde erst für den Beginn der kommenden Legislaturperiode in Aussicht gestellt. Frühestens zum Beginn des Schuljahres 2015/2016 könnten Schulen im ländlichen Raum also mit einer rechtsverbindlichen Regelung rechnen. Bis dahin soll ein Moratorium für Mitwirkungsentzüge gelten, das gestern beschlossen wurde, wobei aber deutlich war, dass die Auslegung des Beschlusses sowohl innerhalb der Koalition als auch zwischen Koalition und Staatsregierung durchaus umstritten ist. Und ob das neue Moratorium bei gerichtlichen Entscheidungen Bestand haben wird, steht völlig in den Sternen. Aus diesem Grund plädieren wir für eine gesetzliche Regelung, die schnellstmöglich wirklich Rechtssicherheit schafft. Danach soll den Schulträgern ermöglicht werden, an Grundschulen Klassen mit einer Mindestzahl von 10 Schülerinnen und Schülern sowie an weiterführende Schulen mit 15 Schülerinnen und Schülern bilden zu können, einzügige Mittelschulen und zweizügige Gymnasien zu führen sowie Schulverbünde zu bilden, um auf diese Weise gemeinsam auch schulstandort- und schulartüberschreitend Schulen einzurichten bzw. deren Fortbestand zu sichern.
Unsere Schulgesetznovelle greift z.T. alte Forderungen auf, die die Opposition schon seit Jahren erhebt. Ich erinnere auch an den Volksantrag „Zukunft braucht Schule“ aus dem Jahr 2002. Er scheiterte damals nur knapp an der für ein Volksbegehren nötigen Zahl von Unterschriften und war von der CDU heftig bekämpft worden. Zehn Jahre und etliche weitere Schulschließungen hat es gebraucht, um das Kultusministerium wenigstens dazu zu bringen, darüber nachzudenken, wie die Schließung weiterer Schulen verhindert werden kann.
Wir können den unverbindlichen Ankündigungen der Kultusministerin jedoch nicht trauen. Schon einmal war von einem Kultusminister versprochen worden, dass keine Schulen mehr geschlossen werden würden. Das war 2007 und der Minister hieß Steffen Flath. Nach 1990 sind hierzulande mehr als 1.000 Schulen geschlossen worden. Es ist wirklich höchste Zeit, dass das Schulsterben in Sachsen endlich aufhört. Dem dient unser Gesetzentwurf.
Dies ist nun meine letzte Rede hier im Sächsischen Landtag. Daher erlaube ich mir noch einige persönliche Anmerkungen. Für mich schließt sich mehrfach ein Kreis. Anfang 1991 kam ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter der damaligen Fraktion LINKE Liste/PDS aus Berlin hierher nach Sachsen. Ich habe diesen Schritt nie bereut und in der Folgezeit durchaus auch viel Glück gehabt. Bei all jenen, die mich auf diesem Weg begleitet und unterstützt haben, bei meinen Kollegen und Mitarbeitern möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken. Dies gilt natürlich auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landtagsverwaltung, die uns alle unsere Arbeit erleichtern.
Ich bin im Dezember 1994 in den Landtag nachgerückt, weil eine Kollegin in den Deutschen Bundestag gewählt worden war. Nun werde ich selbst wieder nach Berlin gehen. Meine erste Rede hielt ich zum Thema Bildung, die letzte jetzt auch. Dazwischen lagen ausweislich der offiziellen Statistik des Landtages mehr als 850 Redebeiträge in Plenardebatten dieses Hohen Hauses.
Über ein Jahrzehnt war ich bildungs- und sportpolitischer Sprecher meiner Fraktion, im letzten Jahr zeichnete ich für die Innenpolitik zuständig. Ich bin seit mehr als 18 Jahren Mitglied des Präsidiums des Landtags, war zwölf Jahre Parlamentarischer Geschäftsführer und fünf Jahre Fraktionsvorsitzender der PDS bzw. der LINKEN. Ich war Mitglied in vier Untersuchungsausschüssen, amtierte dabei auch als Ausschussvorsitzender, und ich gehöre seit 1996 der Parlamentarischen Kontrollkommission des Landtags an. Damals wurde ich im Übrigen im 8. Wahlgang gewählt, und wir mussten zuvor erst den Verfassungsgerichtshof anrufen, bevor deutschlandweit erstmals ein Abgeordneter der PDS in einem Kontrollgremium für den Geheimdienst mitwirken konnte.
Und nicht zuletzt bin ich seit 1992 aktives Mitglied der Fußballmannschaft des FC Landtag, war nicht nur 1. Vizepräsident, sondern seit vielen Jahren auch Kapitän und Torschützenkönig der Landtagself. Wie die „Bild“-Zeitung kürzlich korrekt vermeldete, erzielte ich in 114 Großfeldspielen beim FC Landtag 116 Treffer, nicht selten nach Vorlagen aus der CDU. An dieser Quote mögen sich in Zukunft nun Jüngere die Zähne ausbeißen. Ihnen und der gesamten Mannschaft wünsche ich natürlich viel Erfolg.
Apropos beißen. In meiner langen Amtszeit als Parlamentarischer Geschäftsführer bin ich von den Medien nicht selten als „Wadenbeißer“ tituliert worden. Anfangs fand ich das nicht besonders nett, aber mehr und mehr habe ich mich dadurch eher geehrt gefühlt. Es ist nun mal nicht die Aufgabe der Opposition, gegenüber der Regierung und den sie tragenden Fraktionen besonders nett zu sein. Jede funktionierende Demokratie braucht eine starke Opposition, und dem habe ich mich immer verpflichtet gefühlt.
Sollte ich in der politischen Auseinandersetzung dabei das eine oder andere Mal übers Ziel hinausgeschossen sein, so bitte ich um Absolution, und sollte ich jemanden mal persönlich verletzt haben, dann entschuldige ich mich an dieser Stelle dafür. Mir ging es immer um die Sache, aber ich bin ein Freund der klaren Worte, und das wird sich wohl auch nicht mehr ändern!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe sehr gern hier im Sächsischen Landtag gearbeitet und bei allen politischen Differenzen auch parteiübergreifend Menschen kennengelernt, die ich persönlich sehr schätze. Auch dafür bin ich dankbar, und ich hoffe, dass diese Kontakte auch nach meinem Ausscheiden aus dem Landtag nicht abreißen.
Gestatten Sie mir deshalb zum Abschluss noch drei Wünsche:
1. Bei aller vorhandenen Konkurrenz zwischen den die Regierung tragenden Fraktionen und der Opposition sollten wir endlich dazu kommen, dass über Anträge nach ihrem Inhalt und nicht nach Absender abgestimmt wird. Der Koalition bricht kein Zacken aus der Krone, wenn sie sinnvollen Anträgen der Opposition zustimmt. Andere Landtage sind hier schon deutlich weiter.
2. Die Politik sollte und die Politik braucht keine Angst vor den Bürgerinnen und Bürgern zu haben. Wenn ich etwas wirklich bedauere, dann ist es die Tatsache, dass wir es in den letzten Jahren nicht geschafft haben, die direkte Demokratie in Sachsen zu stärken. Ich wünsche mir, dass spätestens zu Beginn der kommenden Legislaturperiode eine fraktionsübergreifende Initiative gestartet wird, um die Quoren für Volksanträge und Volksbegehren endlich spürbar abzusenken.
3. und letztens: Ich werde mich nun neuen Herausforderungen in Berlin stellen und dort mit derselben Leidenschaft und dem gleichen Engagement arbeiten, wie ich es hier im Landtag getan habe. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen aus den demokratischen Fraktionen werden sich hier im Parlament weiter für Sachsen einsetzen. Ich wünsche Ihnen dabei im Interesse der Menschen in diesem Land kluge Entscheidungen und eine glückliche Hand.