LINKE will neuen Aufbruch für innovative sächsische Wirtschaftspolitik – CDU ideenlos und erschöpft

Statement von Dr. André Hahn, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE und Spitzenkandidat seiner Partei zu den Landtagswahlen, vor der Landespressekonferenz zum notwendigen Neuaufbruch der Wirtschaftspolitik für Sachsen:

Neuer Aufbruch statt alter Rituale

Am kommenden Sonntag besteht die Gelegenheit, in drei Bundesländern einen CDU-Ministerpräsidenten abzulösen und für neue Mehrheiten zu sorgen. Die absolute Mehrheit für die CDU ist in Sachsen schon Geschichte, sie wird auch in Saarland und in Thüringen zu Ende gehen. Es ist Zeit für eine Neuorientierung. Viele Beobachter der sächsischen Landespolitik haben sicher damit gerechnet, dass ich diese Woche das übliche 100-Tage-Programm für die Zeit nach der Wahl vorstelle. Doch wir wollen einen neuen Aufbruch für Sachsen statt alter Rituale und daher bin ich als Ministerpräsidenten-Kandidat der LINKEN nicht der Versuchung erlegen, in den Wettbewerb mit dem 19-Punkte-Plan des noch amtierenden Ministerpräsidenten Tillich einzutreten, ein Sammelsurium der Beliebigkeit, das nur da wirklich gut ist, wo er von uns abgeschrieben hat.

Was ich als allererstes als Ministerpräsident tun würde, habe ich bereits beim Wahlkampfauftakt der LINKEN am 7. August in Leipzig gesagt: Ich werde zwei Gesetzesnovellen in Auftrag geben: für einen Personalschlüssel von 1:10 in Kitas und für kostenloses Mittagessen für alle Kita- und Schulkinder!

Den genannten Kita-Personalschlüssel gibt es bereits – im rot-rot regierten Berlin. Und das kostenlose Mittagessen ist in einem Gesetzentwurf der Landtags-Linksfraktion konzipiert, der leider auch von der SPD-Fraktion abgelehnt worden ist, deren Vorsitzender ja wiederholt behauptet hat, die Sozialdemokraten seien ebenfalls für das kostenlose Mittagessen für alle Kinder.

Wir haben als Linksfraktion in der zu Ende gehenden Legislaturperiode 36 Gesetzentwürfe auf allen landespolitischen Politikfeldern eingebracht, deren Umsetzung für zwei Jahre Regierungstätigkeit reichen würde, in denen im Gegensatz zur amtierenden CDU/SPD-Koalition tatsächlich etwas Substanzielles passieren würde, was das Land weiter bringt!

Dazu gehört im Übrigen auch unser Komplett-Entwurf eines neuen Schulgesetzes, den außer uns seit 1990 keine andere Oppositionsfraktion erarbeitet hat.

Damit könnte unter anderem das längere gemeinsame Lernen, das vier Fünftel aller Sachsen für ihre Kinder und Enkel haben wollen, flächendeckend eingeführt werden. Auch das können wir mit einer neuen Mehrheit der Vernunft sofort beschließen und Schritt für Schritt verwirklichen. Ich habe die SPD und die GRÜNEN dazu eingeladen, mit uns zusammen für eine solche neue Mehrheit ohne CDU zu kämpfen, denn es ist allein die Blockade der CDU, an der das längere gemeinsame Lernen als Regelfall bisher scheitert.

Wenn Herr Zastrow dieser Tage beklagt, der Landtag sei zu sehr auf Gesetzentwürfe der Staatsregierung fixiert, mag das für die FDP-Fraktion zutreffen, die mehr mit PR als mit inhaltlicher Arbeit beschäftigt ist. DIE LINKE aber hat mehr eigene Gesetzentwürfe erarbeitet als CDU- und SPD-Fraktion zusammen und damit unter Beweis gestellt, dass wir die politische Alternative zur derzeit herrschenden Politik in Sachsen sind.

Tillich baut Luftschlösser

Entscheidend sind nämlich nicht irgendwelche aus dem Hut gezauberten Aktionspläne, die sich eben so schnell wieder in Luft auflösen wie sie vorgeführt wurden. Siehe das Versprechen von Herrn Tillich in seiner ersten Regierungserklärung, den Personalschlüssel in Kitas von 1:13 auf 1:12 zu verbessern. Es wurde bereits bei den zurückliegenden Haushaltsberatungen gebrochen. So wird sich auch der 19-Punkte-Plan, der ja an diese Regierungserklärung anknüpfen soll, als Luftschloss erweisen.

Auch deshalb ist Herr Tillich vor mir auf der Flucht und stellt sich keiner direkten Auseinandersetzung, wohl wissend, dass nichts von dem, was er zurzeit überall im Land erzählt, einer ernsthaften Überprüfung standhalten würde. Herr Althaus hat zwar auch keine Argumente, aber er ist wenigstens nicht feige.

Ich erneuere daher meine wiederholte Aufforderung an das Landesfunkhaus Sachsen des MDR, analog zu Thüringen, wo gestern Abend ein solches TV-Streitgespräch stattgefunden hat, und auch zu Brandenburg (wo dies ebenfalls vorgesehen ist) den sächsischen Fernsehzuschauern eine direkte Gegenüberstellung der maßgeblichen politischen Alternativen noch vor der Wahl zu ermöglichen.

60-Punkte-Programm der Linksfraktion: „Arbeiten und Wirtschaften in Sachsen – von der Krise in die Zukunft“

Was wir der Öffentlichkeit heute vorstellen, ist das letzte große Werk der Linksfraktion des 4. Sächsischen Landtags, ein 60-Punkte-Programm „Arbeiten und Wirtschaften in Sachsen“, das den Weg „von der Krise in die Zukunft“ aufzeigen will. Linke sind ja bekanntlich besonders gründlich in der Analyse von Krisen, doch ich will mich jetzt hier nicht lange damit aufhalten, dass auch diese Krise nicht vom Himmel gefallen ist.

Das Schlachtfeld auf den Finanzmärkten, das durch enthemmte Spekulation angerichtet worden ist, ist Folge der Bewaffnung dieser Finanzmärkte, die von politisch Verantwortlichen wie der seinerzeit agierenden Bundesregierung von SPD und GRÜNEN erlaubt wurde. Insofern ist es reichlich komisch, wenn Herr Ströbele, dessen GRÜNE damals bei allem mitgemacht haben, nun mit der plakativen Forderung nach „Entwaffnung der Finanzmärkte“ in den Bundestagswahlkampf zieht.

Wir wollen aber jetzt den Blick nach vorn richten und praktische Vorschläge für die Überwindung der Auswirkungen der Krise in Sachsen machen. Deshalb sei es mir gestattet, schon gleich zu Anfang ganz konkret zu werden. Sie sehen daran, dass unsere Politik nicht am so genannten grünen Tisch entsteht, sondern im Gespräch mit Menschen vor Ort, also vom Alltag in Sachsen inspiriert ist.

Heute genau vor einer Woche habe ich die Produktionsschule „Schauplatz“ in Leipzig besucht, die sich sehr wirkungsvoll der Jugendlichen annimmt, die als Schul- oder Ausbildungsabbrecher ohne ein solches Bildungsangebot keine Aussichten auf eine berufliche Perspektive hätten. Da seit 1990 fast 100.000 junge Menschen in Sachsen die Schule ohne Abschluss verlassen haben, ist offensichtlich: Der Bedarf an Produktionsschulen ist enorm. Doch bisher gibt es im Freistaat nur zwei davon, und die leben in ständiger Unsicherheit, weil sie sich ihre Finanzierung mühsam aus unterschiedlichen Fördertöpfen organisieren müssen.

In Mecklenburg-Vorpommern ist das anders, dort gibt es fünf Produktionsschulen, nicht nur zwei, und das obwohl das Land weniger als die Hälfte der Einwohnerzahl von Sachsen hat. Und im Unterschied zu Sachsen können sich diese Einrichtungen dort völlig unbelastet von Finanzierungssorgen auf die Jugendlichen konzentrieren, weil es ein Landesprogramm gibt, das ihren Bestand sichert.

(http://www.dji.de/cgi-bin/projekte/output.php?projekt=229&Jump1=LINKS&Jump2=15)

Zehn Produktionsschulen für Sachsen

Der „Vater“ der Produktionsschulen in Mecklenburg-Vorpommern heißt Helmut Holter, ehemaliger Arbeitsminister der LINKEN in diesem Bundesland. Die bessere Unterstützung und Förderung von Produktionsschulen, auch durch eine Bundesratsinitiative für eine längst überfällige gesetzliche Verankerung dieser Schulform, ist Punkt 1 meines wirtschaftspolitischen Sofortprogramms für Sachsen, das ich im Fall einer Regierungsübernahme durch DIE LINKE im Freistaat bis zum Jahresende angepackt werden wird.

Unser mittelfristiges Ziel: Zehn Produktionsschulen für Sachsen! Bei der praktischen Umsetzung werden wir im engen Kontakt mit Helmut Holter stehen, der seit einem halben Jahr Vorsitzender der Linksfraktion im Schweriner Landtag ist.

Gerade weil wir uns nicht in der Opposition eingerichtet haben, sondern bereit sind, noch mehr Verantwortung für Sachsen zu übernehmen, nehmen wir aktiv Anteil an den Erfahrungen, die LINKE beim Regieren in zwei Bundesländern gemacht haben.

60.000 öffentlich geförderte Arbeitsplätze

Mit der Hilfe beim Start ins Berufsleben endet die Verantwortung des Freistaates nämlich nicht. Legt man nämlich die tatsächliche Unterbeschäftigungsquote von 20 Prozent zugrunde, bedeutet dies: Jeder fünfte Bewohner Sachsens, der arbeiten will, hat keinen Job. Wir wollen daher nach Berliner Vorbild – dort unter Federführung des LINKEN Wirtschaftssenators Harald Wolf – die Fördermittel von EU, Bund, Land sowie Arbeitslosengeld bzw. Unterstützung von Langzeitarbeitslosen durch Kosten der Unterkunft etc. so bündeln, dass statt Arbeitslosigkeit Arbeit bezahlt finanziert wird.

So wollen wir mindestens 60.000 sozialversicherungspflichtige und Existenz sichernde Arbeitsplätze für Menschen schaffen, die anderweitig keine Aussicht auf Vermittlung in ein Beschäftigungsverhältnis haben. Dies ist der zweite Punkt unseres Sofortprogramms, über den ich in den letzten Wochen schon viel sprechen konnte und gerade in Sozial und Kultureinrichtungen viel Zuspruch erfahren habe. Den Einstieg in unser Landesarbeitsprogramm, zu dem dieses Projekt öffentlich geförderter Beschäftigung gehört, wollen wir bis zum Jahresende schaffen.

Das ist schon deshalb realistisch, weil wir dieses Landesarbeitsprogramm, untersetzt durch detaillierte Bestandteile, schon mehrfach im Landtag thematisiert haben.

Innovationsgutscheine

Wie Sie wissen, werden die allermeisten Arbeitsplätze in Sachsen von kleinen und mittelständischen Unternehmen geschaffen. 90.000 der 140.000 Betriebe im Freistaat haben weniger als fünf Beschäftigte und können sich daher keine eigene Forschungsabteilung leisten. Deshalb haben wir bereits im April vorgeschlagen, nach baden-württembergischen Vorbild Innovationsgutscheine einzuführen, mit denen sich kleinere Betriebe Know-how einkaufen können, um ihre Produkte durch Innovation marktfähig zu halten. Herr Tillich hat das jetzt in seinem 19-Punkte-Plan übernommen, woran man sieht: Wenn es um Innovation in der Wirtschaftspolitik geht, ist DIE LINKE das Original und die CDU und Herr Tillich die verspätete Kopie!

2004-2009 – Regierungserfahrung für LINKE Opposition

Helmut Holter, der als Arbeitsminister in Mecklenburg-Vorpommern die langfristige Förderung der Produktionsschulen auf den Weg gebracht hat, ist auch gewissermaßen Schirmherr unseres Alternativen Landesentwicklungskonzepts für Sachsen (Aleksa.) gewesen, das wir mit ihm zusammen Anfang 2004 in Dresden vorgestellt haben. Das 60-Punkte-Konzept „Arbeiten und Wirtschaften in Sachsen – von der Krise in die Zukunft“ knüpft am Aleksa. an, das bei seiner Vorstellung viel Anerkennung geerntet hat, sogar vom CDU-Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt. Es vertieft zudem das Landeswahlprogramm der LINKEN in den Bereichen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik.

Da anders als bei der Bildungspolitik diese Politikfelder stark bundespolitisch bestimmt sind, enthält das Konzept auch Forderungen an die Bundespolitik, so nach einem gerechten Steuersystem, das Konzerne sowie Bezieher hoher Einkommen stärker belastet und kleine bzw. mittelständische Unternehmen und Bezieher mittlerer und niedriger Einkommen entlastet. Da wir uns im Gegensatz zur FDP, die sich einbildet, im Landtag Steuern senken zu können, mit dem bundesdeutschen Staatsgefüge auskennen, sage ich klar: Dies ist eine Sache von Bundesratsinitiativen einer Sächsischen Staatsregierung ohne CDU-Beteiligung, gemeinsam mit anderen Landesregierungen, in denen die CDU ebenfalls nichts zu sagen hat.

Zu den bundespolitischen Weichenstellungen, die wir von Sachsen aus anstoßen wollen, zählt auch ein Mindestlohn für Praktika von 300 Euro, um den Missbrauch von jungen Menschen in Ausbildung als billige oder gar kostenlose Arbeitskräfte endlich zu stoppen.

„Weiter so“ geht nicht mehr weiter!

Man sieht an der Wirtschafts- und Arbeitspolitik wie an der Bildungspolitik: Ein Sowohl als auch gibt es nicht. Es gibt in den entscheidenden Grundsatzfragen Schwarz oder Rot, das Konzept der CDU oder das der LINKEN. Wer von den Wählerinnen und Wählern ernst genommen werden will, muss sich entscheiden, in welche der beiden Richtungen er oder sie mitgehen will.

Seit zehn Jahren hat Sachsen im Vergleich mit dem Bundesdurchschnitt, aber auch im europäischen Maßstab mit durchschnittlichen Wachstumsraten von unter zwei Prozent eine zu schwache Wachstumsdynamik, um eine selbst tragende Wirtschaftsentwicklung zu erreichen.

Gleichzeitig müssen sich im Freistaat ein Drittel der Beschäftigten in ungesicherten und nicht Existenz sichernden Arbeitsverhältnissen verdingen. Daran wird sich unter Herrn Tillich und der CDU nichts ändern, denn sie wissen ja angeblich schon, wo’s langgeht – nämlich weiter so!

Bausteine der wirtschaftlichen Erneuerung Sachsens

Ich will nun noch einige konkrete Ideen aus unserem Wirtschaftskonzept herausgreifen. Da die Zeiten der Fünfjahrespläne und universalen Welterklärungsentwürfe vorbei sind, umfassen diese, ja recht langfristig erarbeiteten 60 Punkte nicht alles, was uns aktuell wirtschaftspolitisch wichtig ist, aber sie leisten dazu einen kreativen Beitrag. Es sind Bausteine der wirtschaftlichen Erneuerung Sachsens, zum Beispiel:

– Das sächsische Vergaberecht wird so geändert, dass öffentliche Aufträge an definierte Sozialstandards der Anbieter gebunden sind, insbesondere Existenz sichernde Löhne und die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen.

– Ein Förderprogramm „Fachkräftesicherung“ soll kleine, mittelständische Unternehmen und Kommunen bei Arbeits- und Lebensbedingungen unterstützen, die geeignet sind, Fachkräfte im Land zu halten bzw. nach Sachsen zu holen.

– Bei der Unternehmensförderung werden unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Firmen schrittweise revolvierende Fonds eingeführt, d.h. Fördermittel sind im Erfolgsfall zurückzuzahlen, so dass die staatlichen Zuschüsse nicht verloren sind, sondern weiteren Betrieben zugute kommen können.

– Fördermittelvergabe und öffentliche Beteiligungen im Land werden durch einen zweijährlichen Sächsischen Subventionsbericht transparent gemacht, der auch Angaben zu den Gehältern von Managern öffentlicher Unternehmen enthält.

– Zwecks zielgerichteter Wirtschafts- und Arbeitsförderung sollen Landkreise, kreisfreie Städte, Kommunen und Kommunalverbünde so genannte Regionalbudgets erhalten, mit denen sie eigenverantwortlich den Mitteleinsatz steuern können.

– Bis 2040 soll Sachsen seinen Energiebedarf vollständig aus erneuerbaren Energiequellen decken können, deshalb wollen wir eine dezentral und mittelständisch verfasste Energiewirtschaft fördern, die u. a. Bürgersolar-, Photovoltaik- und Geothermieanlagen sowie Energieerzeugung mit Kraft-Wärme-Kopplung umfasst.

Zur Entstehung des Konzepts sowie seiner Bedeutung für praktische LINKE Politik in Sachsen werden Ihnen nun noch Karl-Friedrich Zais und Heinz Hoffmann einige Ausführungen machen. Karl-Friedrich Zais ist der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion und Mitglied des Arbeitskreises „Arbeit, Landesentwicklung, Infrastruktur & Umwelt“, unter dessen Federführung dieses 60-Punkte-Programm entstanden ist. Heinz Hoffmann ist Gewerkschaftssekretär der IG Metall und Mitglied meines Kompetenzteams, das ich als Ministerpräsidenten-Kandidat berufen habe. Er bringt sich seit Langem fachkundig in alle Themen ein, die die Arbeitswelt der Menschen in Sachsen berühren.