Menschenrechtsdialog mit Aserbaidschan auf Augenhöhe führen

Sportliche Großereignisse sind kein geeignetes Mittel, um alle politischen Probleme zu klären. Das kann der Sport nicht leisten. Anstatt den Sport zu politisieren, muss die Politik in die Pflicht genommen werden, einen Menschenrechtsdialog dauerhaft auch mit schwierigen Partnern zu suchen. Diese Aufgabe darf nicht bei den Sportlerinnen und Sportlern abgeladen werden! Ich werde deswegen am 21. Juni zu den Europäischen Spielen nach Baku reisen, um mir ein Bild vor Ort zu machen.

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Wortlaut der Rede

Dr. André Hahn (DIE LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Linke teilt die Einschätzung, dass es in Aserbaidschan beträchtliche Defizite bei bestimmten Menschenrechten gibt. Hier darf nichts beschönigt werden. Es sollte aber auch nichts pauschalisiert werden.

Defizite bei der Einhaltung von Menschenrechten und der Umsetzung von internationalen Konventionen gibt es leider auch in vielen anderen Staaten dieser Welt. Selbst Deutschland ist davon nicht ausgenommen. So ist beispielsweise die UN-Behindertenrechtskonvention bereits seit 2009 in Kraft, die gesetzliche Umsetzung in Bund und Ländern jedoch bis heute nur mangelhaft erfolgt.

(Frank Schwabe (SPD): Was sind das für Vergleiche?)

Doch darüber reden wir heute nicht. Es geht ausschließlich um Aserbaidschan, weil heute in diesem Land die European Games, die ersten europäischen Spiele eröffnet werden, an denen rund 6 000 Sportlerinnen und Sportler aus allen 50 Staaten, die dem EOC, dem Europäischen Olympischen Komitee, angehören, teilnehmen werden, darunter auch eine Delegation des Deutschen Olympischen Sportbundes mit 265 Sportlerinnen und Sportlern.

Europa war bis dato der einzige Erdteil ohne Kontinentalspiele im Sportbereich. Deshalb wurden vom EOC im Dezember 2012 die European Games ins Leben gerufen und an die aserbaidschanische Hauptstadt Baku, dem einzigen Bewerber, vergeben. Auch der DOSB hat zugestimmt.

Über die beiden vorliegenden Anträge soll heute nach knapp halbstündiger Debatte ohne Ausschussberatung sofort abgestimmt werden. Das war zuletzt bei den Olympischen Sommerspielen 2008 in Peking und bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi im vergangenen Jahr der Fall. Ich bin sehr gespannt darauf, ob das auch so sein wird, wenn das nächste Sportgroßereignis zum Beispiel in den Vereinigten Staaten von Amerika stattfindet, und ob dann Union und SPD oder vielleicht auch die Grünen einen Antrag vorlegen, der auf die Abschaffung der unmenschlichen Todesstrafe drängt, die es noch in einigen Bundesstaaten der USA gibt.

(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) – Frank Schwabe (SPD): Kommen Sie mal zum Thema! Aserbaidschan ist das Thema! Ich bin gespannt, was die Linke dazu zu sagen hat! Das ist doch unterirdisch!)

Ich finde, dass es völlig legitim ist, im Zusammenhang mit Sportgroßereignissen auch über Menschenrechtsfragen im Austragungsland zu reden. Ich halte es aber problematisch, wenn dabei mit zweierlei Maß gemessen wird.

(Frank Schwabe (SPD): Das ist doch unterirdisch! Peinlich für die Linken!)

Richtig ist, dass die Presse- und Versammlungsfreiheit in Aserbaidschan eingeschränkt, die Unabhängigkeit der Justiz nicht hinreichend gewährleistet und Korruption weit verbreitet ist.

(Michaela Engelmeier (SPD): Kritische Menschen werden verhaftet!)

Zu einer ehrlichen Bilanz gehören aber auch die erzielten Erfolge. Ist es nicht vielleicht auch Ausdruck von Religionsfreiheit, wenn die Angehörigen der drei monotheistischen Weltreligionen dort friedlich zusammenleben? Vielleicht sollten Sie das auch zur Kenntnis nehmen: Aserbaidschan ist eines der wenigen traditionell muslimischen Länder, in denen der Neubau von Kirchen und Synagogen ermöglicht wird und stattfindet.

(Frank Schwabe (SPD): Das ist peinlich, was Sie hier machen! Kommen Sie mal zum Thema!)

Und was ist mit der Senkung der Armutsquote in der Bevölkerung von rund 50 Prozent auf aktuell 5 Prozent innerhalb der letzten zehn Jahre? Davon findet sich nichts in den Anträgen. Ich bedauere, dass hochgradig selektiv auf das Land geblickt wird und dass man sich ausschließlich auf die Defizite beschränkt. Wir leugnen diese Defizite nicht, wir sprechen sie klar an.

(Frank Schwabe (SPD): Dann sagen Sie doch einmal, welche denn?)

– Ich habe sie doch genannt. Sie sollten zuhören oder lesen Sie das im Protokoll nach. – Diese Dinge sind für uns auch nicht akzeptabel.

(Frank Schwabe (SPD): Dort sind politische Gefangene in Haft! Können Sie das einmal benennen?)

Die Menschenrechte sind unteilbar und bedingen einander – hier stimme ich Ihnen zu -; da geht es auch um soziale Fragen. Diese Dinge haben Sie zum Beispiel nicht angesprochen.

Ich füge hinzu: Sportliche Großereignisse sind kein geeignetes Mittel, um alle politischen Probleme zu klären. Das kann der Sport nicht leisten. Solche Veranstaltungen sollen vielmehr den Gedanken der Völkerverständigung und des friedlichen Miteinanders befördern, und die Politik muss in die Pflicht genommen werden, den Dialog fortzuführen.

(Frank Schwabe (SPD): Um Gottes willen!)

Wir müssen den Menschenrechtsdialog dauerhaft auch mit schwierigen Partnern führen.

(Frank Schwabe (SPD): Gibt es politische Gefangene in Aserbaidschan?)

Diese Aufgabe darf nicht bei den Sportlerinnen und Sportlern abgeladen werden. Deshalb werde ich am 21. Juni 2015 nach Baku reisen und mir, wie andere Kollegen aus dem Sportausschuss auch, als kritischer Beobachter selbst ein Bild vor Ort machen.

Ich denke, wir sollten mit anderen Ländern einen Menschenrechtsdialog auf Augenhöhe und ohne Überheblichkeit führen. Nur dann sind wir glaubwürdig und können wir Erfolge erzielen.

Ich wünsche mir ganz zum Schluss – hier schließe ich mich dem Kollegen Frank Heinrich von der CDU an -, dass wir den Sportlerinnen und Sportlern, die dort an den Wettbewerben teilnehmen werden, gemeinsam die Daumen drücken und ihnen beste Erfolge wünschen.

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Denken Sie bitte an die Zeit, Herr Kollege. Sie sind jetzt schon eine Minute über Ihrer Redezeit.

Dr. André Hahn (DIE LINKE):

Sehr wohl, Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Ich wünsche mir, dass wir den Menschenrechtsdialog mit Aserbaidschan auch nach den Spielen weiterführen; denn gerade wenn die Lichter aus sind und die Öffentlichkeit nicht mehr so präsent ist, ist er notwendig und wichtig.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN – Frank Schwabe (SPD): So etwas Peinliches habe ich überhaupt noch nie gehört!)

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Das Wort zu einer Kurzintervention hat jetzt der Kollege Frank Schwabe.

Frank Schwabe (SPD):

…..

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Herr Kollege Hahn.

Dr. André Hahn (DIE LINKE):

Frau Präsidentin, ich will gerne darauf reagieren. – Herr Schwabe, ich bitte Sie einfach, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich in meinem ersten Satz davon gesprochen habe, dass es beträchtliche Menschenrechtsverletzungen in Aserbaidschan gibt. Ich habe dann auch konkret welche genannt, nämlich die Einschränkung von Presse- und Versammlungsfreiheit, die nicht vorhandene Unabhängigkeit der Justiz und die weitverbreiteten korruptiven Strukturen. Das habe ich aufgezählt.

Ich bestreite auch nicht, dass es politische Gefangene gibt. Es gibt auch keinen Grund, das zu bestreiten. Ich habe nur versucht, deutlich zu machen, dass Sie hier vor sportlichen Großereignissen bei bestimmten Ländern Anträge stellen, während Sie das bei anderen Ländern, in denen es auch Menschenrechtsverletzungen gibt – dafür habe ich als Beispiel die Todesstrafe in den Vereinigten Staaten genannt -, nicht tun.

Ich glaube, dass es wichtig ist, mit den Verantwortlichen in Aserbaidschan einen politischen Dialog zu führen. Es hilft nicht, die Menschenrechtsverletzungen, die es gibt, zu leugnen oder zu verharmlosen.

Das will ich auch nicht tun. Aber wir möchten uns dann bitte schön alle ernst nehmen und andere Defizite, die es gibt, ebenso deutlich ansprechen.

(Dr. Rolf Mützenich (SPD): Die hätten Sie beim Besuch des ägyptischen Staatspräsidenten auch nennen müssen!)