NADA-Verzicht – Entlastung, aber keine Lösung für Frank Ullrich

Sabine Poschmann (SPD) übernimmt den Aufsichtsratsposten in der NADA von Frank Ullrich. Die Diskussionen über dessen mögliche Dopingvergangenheit ist damit aber nicht beendet. Obwohl der Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag weiterhin jegliches Doping rigoros bestreitet, fordern die Sportausschuss-Obleute von CDU, Grüne, FDP und selbst aus der SPD eine Aufklärung der Dopingvorwürfe. Die Vertreter der Linken und der AfD dagegen geben Ullrich Rückendeckung.

Ullrichs Verzicht auf das NADA-Aufsichtsratsmandat reicht vielen Fraktionen im Sportausschuss des Bundestages offensichtlich nicht. „Das nimmt erstmal Luft raus aus der Diskussion“, sagt SPD-Parteigenossin Sabine Posch. „Aber die Diskussion um Frank Ullrichs Dopingvergangenheit ist damit nicht beendet.“

Dabei hatte Frank Ullrich erst vor wenigen Tagen absolut eindeutig versichert, dass er „selbst keine Dopingmittel eingenommen, noch die Einnahme angewiesen oder selbst welche an Athleten verabreicht und auch nicht die Einnahme überwacht oder kontrolliert habe.“ Eine Aussage ohne Einschränkung, nicht einmal das Wörtchen „wissentlich“kommt darin vor. Dass triggert offensichtlich Fritz Güntzler, den Obmann der CDU/CSU Fraktion im Sportausschuss: „Wenn jemand derart klare Aussagen trifft, dann legt er die Messlatte sehr hoch. Wenn Frank Ullrich also nur in einem Punkt die Unwahrheit gesagt hat, ist er als Ausschussvorsitzender nicht mehr zu halten.“

Zweifel an Ullrichs Aussagen

Einen Abwahlantrag wird es in der Sportausschuss-Sitzung am Mittwoch (27.04.2022) aber nicht geben, weder von der CDU/CSU noch von den anderen Fraktionen. Trotzdem legt Güntzler nach: „Es spricht einiges dafür, dass das, was Frank Ullrich über seine Dopingbeteiligung gesagt hat, nicht der Wahrheit entsprechen kann.“

Diese Einschätzung teilt auch Doping-Experte Michael Lehner, der dem Verein Doping-Opfer-Hilfe vorsteht: „Ich halte es für faktisch ausgeschlossen, dass Frank Ullrich in seiner DDR Sport-Karriere von Doping nichts mitbekommen hat. Er muss es mitbekommen haben.“ Und die Begründung liefert er gleich mit. „Biathlon in der DDR war seit Anfang der 70er Jahre eine Hoch-Doping Disziplin. Da gab es keine Ausnahmen.“ In der DDR war Frank Ullrich nicht nur höchsterfolgreicher Biathlet, sondern später auch Nationaltrainer.

Ullrich spricht von Hetzjagd

Ullrich selbst sieht sich zu Unrecht verdächtigt. In der letzten Obleute-Sitzungdes Sportausschusses warf er Güntzler vor, eine Hetzjagd auf ihn zu veranstalten, so ist es aus Teilnehmerkreisen zu hören. Der Ton ist also offensichtlich rau in der Debatte um Frank Ullrichs mögliche Dopingvergangenheit.

Philipp Hartewig von der FDP spricht von einer „berechtigten Erwartungshaltung“ was die Integrität der Sportausschussmitglieder betrifft. „Das betrifft auch insbesondere Frank Ullrich als Vorsitzenden.“ Aber nicht nur der Jurist Hartewig, auch alle anderen Obleute betonen, dass für Ullrich die Unschuldsvermutung gilt. Hartewig warnt sogar: „Wir müssen vorsichtig agieren und sollten keine Vorverurteilung vornehmen. Denn bislang ist nichts erwiesen.“

Unterstützung von der Linken und der AfD

Unterstützung bekommt Ullrich von den Obleuten der Linken und der AfD. „Ich halte es für falsch, Frank Ullrich als Vorsitzenden des Sportausschusses in Frage zu stellen“, sagt Andre Hahn. Ganz ähnlich klingt Jörn König von der AfD: „Für mich ist das Thema abgeräumt. Die SPD sollte froh sein, dass jemand mit dieser Lebenserfahrung Ausschussvorsitzender ist und nicht irgendein jahrelanger Parteifunktionär.“ Aber König war selbst Leistungsschwimmer in der DDR, deshalb fügt er hinzu: „Als DDR-Verbandstrainer kann man sich sicherlich nicht hinstellen und sagen: Ich wusste nichts von Doping.“

Auch deshalb ist das Thema offensichtlich noch nicht abgeräumt. Eine Aufklärungskommission muss her, fordert der stellvertretende Ausschussvorsitzende Philip Krämer  von den Grünen: „Ich würde es begrüßen, wenn Frank Ullrich der Erstellung eines unabhängigen Gutachtens zustimmen würde.“

So ein Gutachten könnte Stasi-Unterlagen auswerten und eventuell den Wahrheitsgehalt von Ullrichs Aussagen ermitteln. „Damit könnten die Vorwürfe möglicherweise ein für alle Mal ausgeräumt werden“, hofft der Grünen-Politiker. Ullrich selbst hat sich angeblich bereits mit Evelyn Zupke getroffen, das ist die SED-Opferbeauftragten des Deutschen Bundestags. Möglich, dass der ehemalige Weltklasse-Biathlet mit ihr erörtert, ob und wie eventuell vorhandene Stasi-Akten über ihn auszuwerten wären.

Poschmann fordert zur Aufklärung auf

In der heutigen (Mittwoch, 27.04.2022) Sportausschuss-Sitzung wollte die CDU/CSU-Fraktion Ullrichs Abberufung vom NADA-Aufsichtsrat beantragen. Durch Ullrichs Verzicht hat sich die Sache eigentlich erledigt. Trotzdem bleibt der Tagesordnungspunkt erhalten. Die CDU/CSU will diesen Punkt offensichtlich weiter thematisieren und erhofft sich eine Stellungnahme des Sportausschussvorsitzenden wie er die Forderungen nach einer weiteren Aufarbeitung sieht.

Sogar Ullrichs SPD-Parteifreundin Sabine Poschmann fordert: „Frank Ullrich muss jetzt für Aufklärung sorgen. Dafür sollten wir ihm Zeit geben und abwarten, was die Gespräche mit SED-Opferbeauftragten des Deutschen Bundestags ergeben.“ Andre Hahn von den Linken hält eine weitere Aufarbeitung nicht für notwendig und fordert stattdessen: „Über 30 Jahre nach der Wiedervereinigung sollten wir endlich damit aufhören, uns die Biografien um die Ohren zu hauen.“

Quelle: MDR, von Peer Vorderwülbecke, 27. April 2022