Präsidum, Gedenkstätten, Pressefreiheit und Wohlfahrtspflege – das war der heutige Tag
Kaum, dass die Woche begonnen hat, neigt sie sich auch schon wieder dem Ende zu.
Die offiziellen Termine an diesem Donnerstag begannen um 10 Uhr mit der Sitzung des Landtagspräsidiums. Hier wurde die Tagesordnung für die Plenarsitzungen in der kommenden Woche festgelegt, wobei es aufgrund der Vielzahl der zu beratenden Gegenstände wohl an allen drei Tagen bis kurz vor Mitternacht gehen wird.
Es sind nicht nur sage und schreibe 15 Gesetzentwürfe, zwei Große Anfragen und knapp ein Dutzend Anträge abschließend zu beraten, sondern es wird auch gleich zwei völlig überflüssige Regierungserklärungen geben, die in der Regel eine mehrstündige Debatte nach sich ziehen. Die scheidenden Minister wollen sich offenbar noch einmal ins vermeintlich rechte Licht rücken. Für mich ist das ein Missbrauch der Geschäftsordnung für Wahlkampfzwecke, denn niemand glaubt ernsthaft, dass die Regierung in den Erklärungen substanziell irgendetwas Neues vortragen wird. Aber auf diese Weise kann man kritische und daher unliebsame Anträge der Opposition in die Abend- oder gar Nachstunden verdrängen, so dass die Medien darüber kaum berichten können. Aber ich bin sehr zuversichtlich: Derartige Spielchen werden CDU und SPD am Ende nichts bringen. Die Menschen im Land haben ein gutes Gespür für Aufrichtigkeit, und sie werden sich hoffentlich auch nicht von neuerlich falschen Wahlversprechen blenden lassen. Insbesondere die CDU war jetzt fast zwei Jahrzehnte an der Macht; was sie bisher nicht umgesetzt hat, wird sie auch in den nächsten 20 Jahren nicht zustande bringen, egal was Herr Tillich jetzt verkündet.
Das hinderte die „Sächsische Zeitung“ in ihrer heutigen Ausgabe allerdings nicht daran, in einem Vorab-Bericht zum CDU-Parteitag am Wochenende Details aus deren Wahlprogramm vorzustellen. Als wir als LINKE vor zwei Wochen unseren Programmentwurf auf einer Pressekonferenz vorstellten, war die SZ gar nicht erst gekommen, und es wurde auch nicht mal eine Agenturmeldung für die Berichterstattung genutzt.
Zum Parteitag selbst war ein Vertreter der SZ dann zwar anwesend, doch er brachte das Kunststück fertig, einen Artikel zu fabrizieren, in dem keine eine einzige programmatische Forderung aus dem dann beschlossenen Wahlprogramm auch nur erwähnt wurde. Stattdessen wurde über angebliche innerparteiliche Querelen geschrieben, die auf dem Parteitag gar nicht stattgefunden haben. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt. Alle anderen Tageszeitungen in Sachsen berichteten zwar nicht unkritisch, aber dennoch weitgehend sachlich über unseren Parteitag.
Man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusagen, dass es in der „Sächsischen Zeitung“ über den CDU-Parteitag am kommenden Wochenende am darauffolgenden Montag einen ausführlichen und selbtsverständlich auf die politischen Inhalte eingehenden Bericht geben wird, und natürlich wird der noch amtierende Ministerpräsident aus Sicht der SZ eine grandiose Rede gehalten haben, an der keinerlei Kritik zu üben ist. Und wenn sich überhaupt jemand kritisch zur Regierung äußern darf, dann gibt es wieder mal ein großes Interview mit Holger Zastrow, dem Werbeagenturleiter der FDP und Möchte-gern-Koalitionspartner der CDU, der außer flotten Sprüchen nun wahrlich gar nichts zu bieten hat.
DIE LINKE als tatsächliche Opposition zur herrschenden Politik findet in der SZ dagegen nur höchst selten Berücksichtigung, und selbst dann oft tendenziös und mit abwertenden Kommentaren.
Unter wirklich unabhängiger Berichterstattung und echter Pressefreiheit, für die 1989 in der DDR zu Recht demonstriert wurde, verstehen viele Menschen im Land mit Sicherheit etwas anderes. Sie wollen weder die Hofierung der neuen Staatspartei noch das künstliche Hochschreiben einer FDP, die im Osten generell und auch hier bei uns in Sachsen weder eine Tradition hat und mit ihren wirren Politikansätzen unter normalen Umständen eigentlich auch keine Zukunft haben dürfte.
Die vielen Gespräche, die ich bei Veranstaltungen im Land führe, bestärken mich jedoch in der Auffassung, dass ein offenkundiges Agieren einzelner Medien für oder gegen eine Partei letztlich keinen Erfolg haben wird, denn die Menschen bilden sich selbst ihre Meinung.
Nach dem Präsidium fuhr ich für knapp eine Stunde in das Jüdische Gemeindezentrum, um dem Landesvorsitzenden der Jüdischen Gemeinden in Sachsen, Heinz-Joachim Aris, zu seinem 75. Geburtstag zu gratulieren – für mich keine Pflichtaufgabe, sondern eine Herzenssache. Im Rahmen des Empfangs gab es viele interessante Begegnungen und Gespräche, so u.a. mit der Familie von Herrn Aris, mit Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofes, dem sächsischen Polizeipräsidenten, dem Dresdner Regierungspräsidenten, aber zum Beispiel auch mit meinem langjährigen CDU-Kontrahenten Klaus Leroff, mit dem ich als Parlamentarischer Geschäftsführer über fast ein Jahrzehnt hinweg im Landtag zum Teil heftige Kontroversen ausgetragen habe. Dennoch haben wir ungeachtet der nach wie vor vorhandenen politischen Differenzen bis heute auf der persönlichen Ebene ein durchaus gutes, von gegenseitigem Respekt getragenes Verhältnis. Typen mit Ecken und Kanten wie Klaus Leroff, die zwar natürlich zu allererst die Interessen ihrer Fraktion vertreten haben, aber zugleich als Demokraten auch zum Kompromiss fähig waren und sich an letztlich getroffene Absprachen immer gehalten haben, findet man in der heutigen CDU so gut wie gar nicht mehr.
Bevor ich wieder zurück in den Landtag musste, hatte ich auch noch ein Zusammentreffen mit Dr. Peter Fischer vom Zentralrat der Juden in Deutschland, mit dem ich einmal mehr über das Sächsische Gedenkstättengesetz sprach, das dringend novelliert werden muss, denn es ist ein unhaltbarer Zustand, dass sich die Opferverbände aus der Zeit vor 1945, allen voran der Zentralrat der Juden, aus absolut nachvollziehbaren Gründen gezwungen sehen, seit Jahren ihre Mitarbeit in den Gremien der Gedenkstättenstiftung auszusetzen.
Die De-facto-Gleichsetzung von DDR und Nazi-Zeit muss endlich korrigiert und die Singularität des Holocaust sowie der NS-Verbrechen muss unzweideutig klargestellt werden, wobei es am Ende sicher auch vernünftig wäre, für beide Perioden separate Beiräte in der Stiftung zu bilden.
Am Nachmittag schließlich gab es dann das inzwischen schon traditionelle Treffen von Vertretern der Linksfraktion mit Vertretern der Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Sachsen, an dem diesmal neben mir als Fraktionsvorsitzendem von unserer Seite der Sozialexperte Dietmar Pellmann, die gesundheitspolitische Sprecherin Kerstin Lauterbach und Hans-Jürgen Muskulus als parlamentarisch-wissenschaftlicher Berater teilnahmen.
Zur Liga in Sachsen gehören die Arbeiterwohlfahrt, der Caritasverband für das Bistum Dresden-Meißen, das Deutsche Rote Kreuz, das Diakonische Werk der Evangelischen Landeskirche in Sachsen, der Paritätische Wohlfahrtsverband und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland.
Die Themenpalette in der knapp zweistündigen Diskussion reichte von der Kinder- bis zur drohenden Altersarmut, von Fachkräftemandel im Sozial- sowie vor allem Pflegebereich bis zum Betreuungsschlüssel in den Kindertagesstätten und vom einer Bewertung der absehbaren Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise bis hin zur Zukunft der beruflichen Schulen in freier Trägerschaft, wobei es in vielen Fragen ein erhebliches Maß an Übereinstimmung gab.
Und ohne dass es explizit so ausgesprochen wurde, war mein Eindruck nach dem Gespräch, dass auch aus sozialpolitischer Sicht nach der bevorstehenden Landtagswahl eine Koalition von CDU und FDP die schlechteste aller denkbaren Regierungen wäre.