Rede auf dem Bundesparteitag der Linken zum Wahlprogramm in der Berliner Max-Schmeling-Halle

(Anrede)

 

Was die Kommunal- und Europawahlen anbelangt, so waren wir in Sachsen mit dem Ergebnis nicht wirklich zufrieden. 20,1  Prozent bei den Europawahlen lagen unter unseren Erwartungen und auch unter unseren Hoffnungen. Wir haben vielerorts verloren, gerade im Osten, aber das kann uns natürlich nicht trösten, denn ein Teil der Verluste, die wir in Sachsen hinnehmen mussten, war ohne Zweifel auch hausgemacht, wenn ich nur an die jahrelangen Auseinandersetzungen in der Landeshauptstadt Dresden denke, die letztlich zur Spaltung der Stadtratsfraktion führten.

 

Eines sollten wir nach alledem begriffen haben: Linke Politik kann und darf nicht beliebig sein. Kommunales Eigentum im Bereich der Daseinsvorsorge – und da gehören Wohnungsunternehmen aus meiner Sicht dazu – darf nicht auf „Teufel komm raus“ privatisiert werden. Wir als LINKE müssen stattdessen dafür Sorge tragen, dass Eigentum der Kommunen langfristig gesichert wird und bereits erfolgte Privatisierungen, z.B. im Energiebereich, wieder zurück genommen werden.

Die jüngsten Wahlen haben aber auch noch etwas anderes gezeigt.

Da die LINKE bei den Kommunalwahlen nicht in allen Orten mit eigenen Kandidaten angetreten ist, und die Kreistage bereits im letzten Jahr gewählt wurden, war das landesweite Resultat von gut 15 Prozent nicht mit früheren Wahlen vergleichbar. Dennoch gab es eine ganze Reihe sehr interessanter Einzel-Ergebnisse, von denen ich nur einen Aspekt herausgreifen möchte.

 

In Böhlen erreichte die LINKE bei den Stadtratswahlen 37,4 Prozent, im erzgebirgischen Lugau waren es 33,5 Prozent, in Borna 29,2 und in Kamenz 26 Prozent. Die genannten vier Orte, die deutlich über dem landesweiten Durchschnitt lagen, haben eines gemein: In all diesen Städten regiert eine Bürgermeisterin bzw. ein Bürgermeister der LINKEN.

 

Entgegen anderslautenden Behauptungen lohnt es sich also durchaus, mehr politische Verantwortung zu übernehmen. Ich habe in der letzten Wahlperiode manche Entscheidungen innerhalb der Berliner Landesregierung durchaus kritisch gesehen. Ich denke, unsere Genossinnen und Genossen in Berlin leisten jetzt eine sehr gute, engagierte Arbeit und werden bei den kommenden Wahlen zum Abgeordnetenhaus auch wieder zulegen. Daran habe ich keinen Zweifel.

 

Hören wir also auf damit, uns gegenseitig unsere unterschiedlichen Konstellationen und Ambitionen vorzuwerfen. Die Wählerinnen und Wähler erwarten von uns, dass wir beides leisten können, also sowohl Opposition als auch Regierungsverantwortung. Letzteres kommt steht derzeit auf Bundesebene nicht an, in den Ländern jedoch sollten wir dafür offen sein, wenn Mehrheiten vorhanden sind und die politischen Schnittmengen mit möglichen Partnern stimmen.

Zum Bundestagswahlprogramm werden wir ja später noch über diverse Änderungsanträge diskutieren und entscheiden. Deshalb an dieser Stelle nur soviel: Man kann sicher unterschiedlicher Ansicht darüber sein, ob es gut ist, dass  derzeit noch kein beschlossenes Parteiprogramm der LINKEN existiert. Gleichwohl müssen wir mit diesem Fakt umgehen.

 

Eines jedoch sollten wir nicht tun: Die Diskussion um das Bundestags-Wahlprogramm darf nicht dazu missbraucht werden, um Vorentscheidungen über das künftige Parteiprogramm herbeizuführen.

Wir reden heute und morgen über die Vorhaben für die nächsten vier Jahre im Deutschen Bundestag und nicht über eine mögliche Weltrevolution, und ich möchte an alle appellieren, dies bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen. Lasst uns deshalb zunächst dafür streiten, dass es überhaupt einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland gibt, über die konkrete Höhe können wir uns dann immer noch streiten. Ich könnte mir als Einstieg wie in Frankreich 8,71 Euro sehr gut vorstellen und von da aus können wir dann auch die zehn Euro als Fernziel anpeilen.

 

Nun noch ganz kurz etwas zur Diskussion über die Bewertung der DDR-Vergangenheit, die auch im Bundestagswahlkampf eine Rolle spielen wird. Ich sage: Keine Partei hat sich so intensiv mit ihrer Verantwortung und mit ihren Fehlern auseinandergesetzt wie die frühere PDS.  Die CDU hat diesbezüglich nichts Vergleichbares aufzuweisen, und deshalb plädiere ich auch dafür, dass wir uns der Debatte zum 20. Jahrestag der „friedlichen Revolution“ sehr selbstbewusst stellen.

Wir in Sachsen haben seit Monaten eine Debatte um die Vergangenheit von Stanislaw Tillich, und im Kabinett sind sämtliche CDU-Minister mit Ost-Biografie ehemaligen Blockflöten. Frühere Bürgerrechtler sucht man vergeblich. Jetzt soll Tillich als Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Kreises Kamenz sogar noch nach dem Fall der Mauer an Zwangsenteignungen mitgewirkt haben, und bis heute verschweigt er wichtige Fakten aus seinem Lebenslauf.

Was ich dem Noch-Ministerpräsidenten vorwerfe, ist nicht dessen Funktion zu DDR-Zeiten, sondern die Art und Weise, wie er heute damit umgeht.

Herr Tillich hat nicht das Recht, Menschen zu beschimpfen, die sich in der DDR im Unterschied zu ihm aus ehrlicher Überzeugung und nicht aus reinen Karrieregründen engagiert haben! Im Ergebnis der Debatten der letzten Monate gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: 

Entweder war die DDR durch und durch ein Unrechtsstaat, dann hätte Herr Tillich qua herausgehobenem Amt aktiv an diesem Unrecht mitgewirkt und müsste sich fragen lassen, ob er heute glaubwürdig den Freistaat Sachsen repräsentieren kann.

Oder aber es gab tatsächlich auch ein paar gute Gründe, sich in der DDR in politische oder gesellschaftliche Verantwortung zu begeben – dann gilt das aber für alle und nicht nur für CDU-Mitglieder!

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

legt man das Ergebnis der Europawahl zugrunde, dann hätten derzeit weder CDU und FDP noch CDU und SPD eine Mehrheit in Sachsen. Der Ausgang der Landtagswahlen ist also wirklich noch völlig offen.

 

Ich weiß, dass Bodo Ramelow gern der erste Ministerpräsident der LINKEN werden möchte, aber ich sage hier und heute: Lieber Bodo, freu Dich nicht zu früh, auch wir in Sachsen haben den Kampf um eine Ablösung der CDU noch längst nicht aufgegeben. In diesem Sinne ein ganz herzliches Glück Auf!

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