Rede auf dem Kleinen Parteitag der LINKEN Sachsen am 16. Juni 2012

Rede auf dem Kleinen Parteitag der LINKEN Sachsen am 16. Juni 2012

Es gilt das gesprochene Wort!

(Anrede)

Die LINKE begeht heute ihren 5. Geburtstag. Aus diesem Grund kann ja auch Katja als neugewählte Parteivorsitzende jetzt hier nicht teilnehmen. Doch so richtige Feierlaune zum Jubiläum vermag nicht aufzukommen.

Ja natürlich: Die LINKE ist immer noch eine junge Partei, und da sind Kinderkrankheiten nichts Ungewöhnliches. Aber die zurückliegenden Wochen, ja eigentlich Monate waren für uns eine extrem schwierige Zeit, unsere Umfragewerte auf Bundesebene gingen kontinuierlich zurück, wir sind in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen aus zwei Landtagen im Westen herausgeflogen, und die Schuld dafür dürfen wir nicht bei anderen suchen.

Wir selbst haben unseren politischen Kontrahenten unnötige Angriffsflächen geboten, völlig unproduktive Personaldebatten geführt und den Menschen im Land den Eindruck vermittelt, wir würden uns nur mit uns selbst beschäftigen, anstatt ihre Interessen zu vertreten. Damit muss endlich Schluss sein! 

Der Parteitag in Göttingen war eine Zäsur in der noch kurzen Geschichte der LINKEN, und ich bin sehr froh darüber, dass es nicht zu der von manchen erhofften oder befürchteten Trennung oder Spaltung gekommen ist. Auch Deutschland braucht eine starke LINKE, und wir haben nicht das Recht, das Vertrauen von mehr als fünf Millionen Wählerinnen und Wählern, die uns 2009 mit einem Rekordergebnis in den Bundestag gewählt haben, leichtfertig zu verspielen.

Wir müssen endlich begreifen, dass eine in sich zerstrittene Partei nicht attraktiv ist, erst recht nicht, wenn es dabei weniger um Sachfragen als vielmehr um Macht und Ämter geht. 

Ich halte im Übrigen überhaupt nichts davon, mit Blick auf innerparteiliche Wahlen irgendwelche Bedingungen zu stellen oder Ausschlusskriterien zu formulieren, nach dem Motto: Wenn der- oder diejenige gewählt wird, dann ziehe ich meine Kandidatur zurück.

Und ich habe nicht das geringste Verständnis dafür, dass es nach der Entscheidung über den gemischte Liste für den Parteivorsitz Delegierte gab, die meinten die „Internationale“ anstimmen zu müssen oder mit Blick auf die Nichtwahl von Dietmar Bartsch sogar sangen „Ihr habt den Krieg verlor’n!“

So dürfen wir nicht miteinander umgehen!

Ich sage es in aller Deutlichkeit, bei allen Unterschieden und bei allen persönlichen Sympathien oder Antipathien: Ich führe gegen niemanden in dieser Partei ein „letztes Gefecht“ und schon gar keinen Krieg! Wir müssen es in unserer Partei endlich lernen, mit unserer Verschiedenheit, mit der unterschiedlichen Sozialisation, mit unseren unterschiedlichen Lebenserfahrungen produktiv umzugehen und das als einen Gewinn zu begreifen, anstatt immer neue und vor allem unnötige interne Konfrontationen zu suchen.

Ich bin sehr froh darüber, dass unser neuer Parteivorsitzender Bernd Riexinger, dem ich nach seiner Wahl natürlich gratuliert, ihn aber auch auf diese Unkultur hingewiesen habe, sofort regiert und sich davon öffentlich distanziert hat. Wir haben zudem vereinbart, dass er möglichst bald zu uns nach Sachsen kommen und auch mit der Landtagsfraktion über die künftigen Herausforderungen sprechen wird. Ich glaube, das ist der richtige Weg.

Was die Personalentscheidungen auf dem Göttinger Parteitag anbelangt, so werden diese naturgemäß unterschiedlich bewertet. Auch meine Favoriten sind nicht in jedem Fall zu Zug gekommen.

Und dennoch plädiere ich vehement dafür, dass wir alle gemeinsam die nun gewählte Parteiführung nicht nur akzeptieren, sondern vorbehaltlos unterstützen, denn es geht in den kommenden Jahren um nicht mehr und nicht weniger als um den Fortbestand einer starken linken Kraft im neoliberalen Deutschland.

Dafür will auch ich persönlich meinen Beitrag leisten und deshalb kandidiere ich für den nächsten Deutschen Bundestag.

Ich habe mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Ich war und ich bin sehr gern Fraktionsvorsitzender der LINKEN im Sächsischen Landtag. In einer Situation, in der unsere Existenz im Bundestag jedoch ernsthaft gefährdet ist, bin ich bereit, gemeinsam mit Katja und anderen nunmehr auch bundespolitische Verantwortung zu übernehmen.

Obwohl ich erst 49 Jahre alt bin, kann doch schon auf mehr als zwei Jahrzehnte politischer Erfahrung in herausgehobenen Funktionen zurückblicken.

Ich war in der so genannten „Wendezeit“ für die PDS in Berlin das jüngste Mitglied am Zentralen Runden Tisch der DDR, habe dann (auf einem aussichtslosen Platz) für die letzte Volkskammer kandidiert und wurde 1991 in den Parteivorstand der PDS gewählt.

Später gehörte ich für vier Jahre dem sächsischen Landesvorstand an und war auch sieben Jahre lang Mitglied des Bundesparteirates. Ich habe also über meine parlamentarische Arbeit hinaus immer auch versucht, in die Partei hinein wirksam zu werden.

1994 wurde ich zunächst in den Kreistag Sächsische Schweiz und dann auch in den Sächsischen Landtag gewählt. Im Kreistag war ich über 14 Jahre hinweg als Fraktionschef tätig und habe diese Funktion schweren Herzens erst dann aufgegeben, als ich den Vorsitz der Landtagsfraktion übernommen habe.

Dem Kreistag gehöre ich jedoch auch nach der letzten Kreisgebietsreform weiterhin an, denn ich glaube, diese kommunalpolitische Arbeit ist ein guter Schutz davor, dass man als hauptamtlicher Politiker die Bodenhaftung und das Verständnis für die alltäglichen Sorgen der Menschen nicht verliert.

Im Landtag wiederum war ich zwölf Jahre lang als Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion und auch als bildungspolitischer sowie sportpolitischer Sprecher tätig, ehe ich 2007 den Fraktionsvorsitz von Peter Porsch übernommen habe.

Damals gab es in der Dresdner Stadtratsfraktion im Zusammenhang mit dem Woba-Verkauf heftigste Kontroversen, die letztlich zur Spaltung unserer Fraktion in der Landeshauptstadt führten und auch unmittelbar in die Landtagsfraktion hineinwirkten, in der mehrere Stadträte aus beiden Lagern saßen. Das war eine extrem schwierige Zeit und eine große Herausforderung.

Ich habe dennoch bei meiner Amtseinführung erklärt, dass ich die Landtagsfraktion mit 31 Abgeordneten übernehme und die Legislaturperiode auch mit 31 MdL beenden will. Das ist unter großen Schwierigkeiten gelungen, auch wenn die vorhandenen und medial begleiteten Konflikte natürlich nicht ohne Auswirkungen auf unser Wahlergebnis bei den Landtagswahlen im Jahr 2009 blieben, bei denen ich erstmals als Spitzenkandidat für die LINKE antrat. 

Die neue Landtagsfraktion wählte mich wieder zu ihrem Vorsitzenden, und ich glaube, dass die Fraktion in den vergangenen knapp drei Jahren alles in allem eine gute Arbeit geleistet hat.

Vor einigen Monaten bin ich von Verantwortungsträgern auf der Bundesebene wie im Landesverband gefragt worden, ob ich mir vorstellen könne, 2013 für den Bundestag zu kandidieren. Ich war diesbezüglich zunächst unentschlossen und habe deshalb die Beratung von Genossen und Freunden gesucht.

Das Ergebnis dieser Konsultationen ist meine heutige Kandidatur.

Ich mache damit in der Endkonsequenz auch den Weg frei für einen Neuanfang an der Spitze der Landtagsfraktion. Ich bin als Parlamentarischer Geschäftführer und Fraktionsvorsitzender dort seit mehr als 17 Jahren tätig und manche wünschen sich vielleicht nun auch mal ein neues Gesicht. Einige sind der Ansicht, dass es gut wäre, Partei- und Fraktionsvorsitz zusammenzuführen. Andere Abgeordnete haben mich noch in dieser Woche gebeten, unbedingt als Fraktionsvorsitzender weiter zu machen.

Ich denke: Das letzte, was unsere Partei, was unser Landesverband nach Göttingen braucht, ist eine neuerliche Personaldebatte mit völlig ungewissem Ausgang. Dabei können wir alle nur verlieren, und wir als größter Landesverband haben noch eine ganz besondere Verantwortung.

Ich möchte, dass wir gemeinsam und als Partei gewinnen, und dafür will ich auch in Zukunft meinen Beitrag leisten. Deshalb stelle ich mich der neuen Herausforderung und kandidiere für den Deutschen Bundestag.

Im Falle meiner Wahl möchte ich mich insbesondere für folgende zehn Punkte einsetzen:

1. DIE LINKE muss eine konsequente Friedens- und damit Antikriegspartei bleiben. Deutsche Soldaten haben im Ausland nichts verloren. Krieg löst keine Probleme, sondern schafft nur beständig neue.

2. Bei allen vorhandenen Problemen bis hin zur aktuellen Euro-Krise müssen wir uns klar zu Europa bekennen. Die europäische Union ist ein Gewinn, muss aber natürlich noch demokratischer werden. Wir brauchen nicht nur eine gemeinsame Währung, sondern vor allem eine gemeinsame Wirtschaftspolitik und eine echte Sozialunion, deren Standards sich an den fortschrittlichsten Ländern ausrichten müssen.

3. Die Politik muss wieder das Primat über die Wirtschaft erlangen. Es kann nicht sein, dass weiterhin Großbanken, die ominösen Finanzmärkte und selbsternannte Rating-Agenturen die Entscheidungen der gewählten Parlamente dominieren.

4. Die Verursacher der Finanzkrise müssen endlich zur Kasse gebeten werden. Die Steuerzahler haften derzeit für die Verluste der Banken, deren zum Teil utopische Gewinne bleiben aber weitgehend unangetastet. Damit muss Schluss sein. Wir brauchen dringend eine Finanztransaktions- bzw. Börsenumsatzsteuer, die das Treiben von reinen Spekulanten spürbar erschwert und dem Staat zudem auch noch zusätzliche Einnahmen bringt. 

5. Wir brauchen eine grundlegende Steuerreform. Die wirklich Reichen in diesem Land müssen deutlich stärker als bisher an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligt werden. Entsprechende Konzepte der Bundestagsfraktion liegen dazu bereits vor.

6. Wir müssen die zunehmende Prekarisierung in unserem Land stoppen und den Trend wieder umkehren. Wir brauchen gute und gut bezahlte Arbeit, von der die Menschen auch wirklich leben können. Deshalb muss die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes eine unserer zentralen politischen Forderungen bleiben.

7. Wir brauchen in Deutschland handlungsfähige Kommunen, die in der Lage sind, die ihnen zugewiesenen Aufgaben auch zu erfüllen. Dazu bedarf es einer entsprechenden Finanzausstattung durch Bund und Länder. Eine Föderalismuskommission III unter Beteiligung der Landesparlamente und der kommunalen Spitzenverbände könnte hierzu die entsprechenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen. 

8. Die Privatisierung von wichtigen Einrichtungen der Daseinsvorsorge in den Kommunen muss schnellstmöglich gestoppt werden. Der Bürgerentscheid hier in Dresden zu den städtischen Krankenhäusern hat dazu ein wichtiges Zeichen gesetzt. Langfristig müssen wir eine Rekommunalisierung in zentralen Bereichen wie beispielsweise Gesundheit, Wohnen sowie Wasser- und Energieversorgung anstreben.

9. Das de facto existierende Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern im Bildungsbereich muss aufgehoben werden. Das betrifft zum einen die Frage einer dauerhaften Kofinanzierung von Ganztagsschulen, aber letztlich auch die Schulstrukturen. 16 unterschiedliche Schulgesetze und 16 unterschiedliche Schulsysteme können auf Dauer keinen Bestand haben.

 

Und schließlich 10. Die antifaschistische Arbeit muss weiterhin ein zentrales Anliegen von Partei und Fraktion sein. Deshalb werde ich natürlich auch weiter in Dresden und anderswo gegen Nazi-Aufmärsche auf die Straße gehen und lasse mich auch durch völlig absurde Verfahren der sächsischen Justiz nicht davon abhalten. In Kürze sollen Bodo Ramelow und ich sowie unsere zwei hessischen Fraktionsvorsitzenden-Kollegen wegen unserer Beteiligung an den Anti-Nazi-Protesten im Jahr 2010 vor Gericht gestellt werden. Ich kann Euch versichern: Wir lassen uns von niemandem einschüchtern. Friedlicher Widerstand gegen die Nazis ist notwendig, richtig und legitim. Und dabei wird ganz sicher auch die Bundestagfraktion wieder ihren Beitrag leisten.

(Anrede)

Bei allen Differenzen, die es in der Partei, aber auch in unserem Landesverband gibt, sind wir uns sicher in einem einig. Die LINKE braucht eine starke Vertretung im nächsten Deutschen Bundestag. Dafür will ich gemeinsam mit Katja kämpfen. Ich bitte um Euer Vertrauen und Eure Unterstützung.

 

 

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