Rede zum 60. Geburtstag von Regina Schulz, 1. Vizepräsidentin des Sächsischen Landtages

Dresden, 26. September 2008

Sehr verehrter Herr Präsident ,
sehr geehrte Gäste aus Nah und Fern,
liebe Regina,

es ist ein besonderer Anlass, der uns heute in diesem festlichen Rahmen zusammenführt und es ist mir eine besondere Freude, zur Schar der Gratulanten gehören zu dürfen.
Es ist Dein Tag, liebe Regina, und es ist schön, dass wir in dieser kleinen Feier Dein Leben ein Stück Revue passieren lassen und mit Dir Anteil nehmen können an wichtigen Stationen Deiner Entwicklung.

Heute, vor 60 Jahren – und ich kann den Anlass unseres Zusammenkommens auch als Gentlemen leider nicht verschweigen – wurdest Du in Kahla in Thüringen geboren.
Der Weg von Freistaat zu Freistaat war lang und auch Dein Leben spiegelt ein Stück der Entwicklung unserer alten und neuen Heimat wieder.

Du warst die älteste Tochter und hast mit drei weiteren Geschwistern eine bodenständige Kindheit erleben dürfen. Dein Vater war Maurer und welche Folgen das für Deine weitere Entwicklung hatte, darauf hat der Landtagspräsident schon hingewiesen.
Deine Mutter war Arbeiterin und lernte in ihren Beschäftigungs-verhältnissen sowohl die Industrie als auch die Landwirtschaft kennen. Ihr erlebtet eine einfache, aber dennoch schöne Kindheit.
Deinen Eltern gelang es, in Euren Herzen die Liebe zu den Mitmenschen, der Natur, dem Singen und der Freude an der Gemeinschaft zu erwecken.
Du hast Dir diese soziale Kompetenz bis heute nicht nur bewahrt, sondern immer weiter vervollkommnet!

Neben Deiner Familie prägten Dich engagierte Lehrer Deiner Bad Blankenburger Schule und Du warst diesen auch in außerschulischen Arbeitsgemeinschaften und der Freizeit eng verbunden.
Aufgrund Deiner guten Leistungen besuchtest Du von 1963 bis 1967 die Erweiterte Oberschule in Rudolstadt und konntest erfolgreich Dein Abitur mit Berufsausbildung abschließen.
Da Du schon immer ein Vati-Kind warst, wurdest Du folgerichtig und fast selbstverständlich Maurerin. Damals und heute, trotz aller positiven Emanzipation, ein eher ungewöhnlicher Frauenberuf und ehrlich gesagt, ich kann mir nicht vorstellen, wie Du knackigen Männern hinterher pfeifst oder eine Bierflasche mit den Zähnen öffnest. Oder schlummern da noch ungeahnte Geheimnisse in Dir?

Du hast Deinen eingeschlagenen Weg weiter verfolgt und Dich zum Studium der Berufspädagogik für Bauwesen entschlossen. 1971 schließlich konntest Du Dein Diplom als Ingenieur-Pädagogin an der Technischen Universität Dresden erlangen.

An dieser Stelle möchte ich den Hut vor Deinen Eltern ziehen. Sie haben es verstanden, Deine Gaben zu erkennen und so zu fördern, dass Du sowohl praktisch als auch pädagogisch Fähigkeiten entwickelt hast, die Dir Dein ganzes Leben weitergeholfen haben. In so einer großen Familie war das ganz sicher kein leichtes Unterfangen…

Dein Wissen und Deine Liebe zu jungen Menschen konntest Du viele Jahre lang als Berufsschullehrerin für Bauberufe weitergeben und ausleben. Dabei führte Dich Dein Weg von Nord nach Süd, von Greifswald bis Putzkau.
Dabei warst Du sehr erfolgreich, denn Du hattest den Mut zu neuen methodischen Ansätzen und hast zum Beispiel für das Unterrichtsfach „Technisches Zeichnen“ didaktische Lehrmaterialien erarbeitet.

Wenn ich so an meine Schul- bzw. Ausbildungszeit zurückdenke, kann ich sagen, ohne despektierlich erscheinen zu wollen, ich hätte Dich auch gern als Lehrerin gehabt. Vielleicht wäre ich dann manchmal nicht ganz so hitzig, wie es heute bisweilen kritisiert wird. Aber da der Spruch „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ schon lange seine ursprüngliche Bedeutung verloren hat, gibt es vielleicht auch für mich noch etwas Hoffnung ?!

Da sich Qualität letztlich doch zumeist durchsetzt, wurdest Du von 1981 bis 1984 Leiterin des Bereichs Theoretische Berufsausbildung an der Betriebsschule des Volkseigenen Betriebes Landbaukombinat Dresden mit Sitz in Kamenz und anschließend erfolgte für fünf Jahre eine Delegierung als Mitarbeiterin in die SED- Kreisleitung Kamenz, und Du gehörst zu den wenigen hier im Raum, die unseren heutigen Ministerpräsidenten durch gemeinsame Arbeit bereits seit dieser Zeit kennen.

Nach der friedlichen politischen Wende konntest Du bis 1991 zunächst an Deine frühere Schule zurückkehren. Die Folgen der Delegation in die Kreisleitung wurden jedoch für Dich zu einer bitteren persönlichen Lebenserfahrung, denn sie bescherte Dir das Prädikat „persönliche Nichteignung“ für den Schuldienst und auch den Öffentlichen Dienst.
Ein geliebtes, gelebtes Lehrerinnen-Leben, ein Lebenstraum wurde zerstört und gerade Dein Schicksal zeigt, dass auch die friedliche Wende bisweilen zu ungerechtfertigten Brüchen in beruflichen Biografien führte.
Aber Du hast Dich nicht klein gemacht, nicht unterkriegen lassen und in der Arbeitslosigkeit Weiterbildungsmaßnahmen des Arbeitsamtes genutzt, um den neuen persönlichen Verhältnissen etwas entgegenzusetzen. Auch in dieser Zeit war Dir Deine Familie Halt und Trost.

Du hast nicht resigniert, Du hast Dich nicht fallen lassen, sondern immer wieder neu nach beruflicher und menschlicher Bestätigung gesucht.
Ob als Mitarbeiterin in einem kleinen Maklerbüro oder endlich wieder als Lehrerin für Bauberufe bei einem freien Bildungsträger – diese Zeit bezeichnest Du selbst gern als Deine schönste berufliche Zeit, denn Du konntest aktiv daran mitwirken, erwachsenen Menschen nach der Wende eine neue berufliche Perspektive aufbauen zu helfen.
Deine Lebenserfahrung und Dein Wissen waren erneut gefragt und Du wurdest im Ehrenamt 10 Jahre lang kompetentes Mitglied einer Prüfungskommission der IHK Dresden – natürlich für den Beruf Maurer!

Neben allen beruflichen und familiären Herausforderungen war und ist Dir das Engagement für die Menschen unserer Gesellschaft immer Herzenssache geblieben.
Dieser Einsatz wurde durch die Wählerinnen und Wähler im Jahr 1994 belohnt, als Du über die Landesliste Mitglied des Sächsischen Landtages wurdest.
Du warst und bist bis heute eine riesengroße Bereicherung für unsere Fraktion. Dass es auch bei unsereinem nicht immer problemlos zugeht, ist wohl hinlänglich bekannt. Aber Du, Regina, bist Fels in der Brandung, glättendes Element, mütterliche Trösterin und kluge Menschenkennerin. Dein Wesen hilft uns, unsere Ideale zu bewahren und nicht im täglichen politischen Trott zu vergessen, was wirklich wichtig ist. Danke für Deine stille Stärke!

Um den Anforderungen einer echten Laudatio zu entsprechen, müsste ich an dieser Stelle ungezählte Tätigkeitsbereiche benennen, in denen Du, Regina, aktiv mitgewirkt hast bzw. bis heute mitwirkst. Wer Dich kennt, weiß das, und deshalb nenne ich nur einige Dinge stellvertretend:
neun Jahre lang stellvertretende Fraktionsvorsitzende
Mitarbeit im Wahlprüfungsausschuss, Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit, Landwirtschaft/Ernährung und Forsten, Petitionsausschuss
Sprecherin der Fraktion für Wirtschaft, Arbeit, Berufliche Bildung
Stadträtin in Kamenz
Kreisrätin im Landkreis Kamenz / ab 2008 im Kreistag Bautzen
Fördermitglied in verschiedenen Verbänden und Vereinen
Initiatorin zur Gründung des „Kamenzer Friedensforums“

und, als eine Aufgabe, die Dir besonders viel Freude bereitet, bereits schon in der 2. Wahlperiode Sprecherin der Regionalgruppe der Jugendherbergen in der Oberlausitz. Hier begegnest Du nicht nur Politikerinnen und Politikern, sondern Partnern aus der gesamten Breite des gesellschaftlichen Lebens.

Jeder fragt sich jetzt vielleicht, ob da überhaupt noch Zeit für Dich und Dein Privatleben bleibt. Ja, sie bleibt. Sehr eingeschränkt zwar, aber umso intensiver gestaltet und genutzt. Da ist als wichtigster Mitstreiter Dein Mann Karl zu nennen. Nicht nur beruflich konntet Ihr Euch stets austauschen, denn auch er ist Berufsschullehrer für Bauberufe, sondern seit 38 Jahren verbinden Euch Liebe, Respekt, Anerkennung und Toleranz. Euer gemeinsamer Sohn hat mit seiner Frau und den zwei Enkelkindern Euer Eltern-Glück perfekt gemacht, wenn auch durch die Entfernung bis Passau viel zu wenig Zeit bleibt, die beiden Kleinen aufwachsen zu sehen. Aber, die Grenzen sind offen, und es gibt so oft als irgend möglich ein Wiedersehen.

Mit Eurem nicht zu kleinem Haus am Wald habt Ihr Euch einen weiteren Lebenstraum erfüllen können, und es ist fast so, als schließt sich der Kreis, denn auch hier kannst Du, so wie in Deiner Kindheit, der Natur nahe sein, pflanzen, gestalten, Familie und Freunde verwöhnen, ausruhen und Dich gelegentlich über die ungebetenen Gäste in Eurem Garten ärgern – ich betone ausdrücklich, dass ausschließlich die Wildschweine gemeint sind. Dieser Hintergrund gibt Dir die Kraft für Dein tägliches Engagement, Deinen Einsatz, Deinen Veränderungswillen.

So wie andere Parteien leidet auch die Linke unter dem demographischen Wandel, d.h. respektvoll ausgedrückt, es gibt noch kein richtiges Gleichgewicht zwischen jung und etwas älter. Aber ich wünschte mir, dass es tausende sogenannte Ältere wie Dich gäbe, um unser Land besser und gerechter zu entwickeln.
Die Erfahrungen Deines Lebens haben Dich zu dieser kostbaren, einmaligen Frau gemacht, die heute hier vor uns steht. Als menschliche wie als politische Weggefährtin bist Du mir, bist Du uns sehr wichtig und eine große Bereicherung für unsere Arbeit und unser Leben.

An dieser Stelle sei mir aber noch eine kleine Einfügung gestattet: Regina, Deine Zuwendung, Deine Poesie und Deine guten Gespräche haben dazu beigetragen, dass meine Frau und ich einen Schicksalsschlag im privaten Bereich besser verkraften konnten.
Als unser Dank haben wir diese Worte für Dich gemeinsam geschrieben und wir möchten Dir sagen, wir schätzen uns reich und glücklich, einen Menschen wie Dich kennen zu dürfen.
Meinen Gruß und unseren Dank an Dich möchten wir mit einem Segenswunsch aus Irland abschließen:

Segen sei mit dir,
der Segen strahlenden Lichtes,
Licht um dich her und innen in deinem Herzen.

Sonnenschein leuchte dir und erwärme dein Herz,
bis es zu glühen beginnt, wie ein großes Torffeuer,
und der Fremde tritt näher,
um sich daran zu wärmen.

Aus deinen Augen strahle gesegnetes Licht
wie zwei Kerzen in den Fenstern deines Hauses,
die den Wanderer locken,
Schutz zu suchen dort drinnen
vor der stürmischen Nacht.

Wem du auch begegnest,
wenn du über die Straße gehst,
ein freundlicher Blick von dir möge ihn treffen.

Nicht nur heute, aber besonders heute, genieße die freundlichen Blicke, die auf Dich fallen! Du hast sie Dir verdient und ich bin mir sicher, Du wirst sie erwidern!

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