Rede zum Gesetzentwurf der Staatsregierung in den Drs 5/3194 und 5/4043 „Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplanes des Freistaates Sachsen für die Haushaltsjahre 2011 und 2012 (Haushaltsgesetz 2011/2012) und die Festlegung der Finanzausgleichsmassen und der Verbundquoten in den Jahren 2011 und 2012“
026. Sitzung des 5. Sächsischen Landtages, 15.12.2010
Rede zum Gesetzentwurf der Staatsregierung in den Drs 5/3194 und 5/4043 „Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplanes des Freistaates Sachsen für die Haushaltsjahre 2011 und 2012 (Haushaltsgesetz 2011/2012) und die Festlegung der Finanzausgleichsmassen und der Verbundquoten in den Jahren 2011 und 2012“
Es gilt das gesprochene Wort
Herr Präsident, meine Damen und Herren,
Haushaltsberatungen gehören normalerweise zu den wichtigsten Debatten in einem Parlament und bieten die Gelegenheit zu einer Generalaussprache über die Politik der amtierenden Regierung. Oftmals werden solche Debatten sogar zu so genannten politischen Sternstunden. Das allerdings funktioniert nur dann, wenn auch der jeweilige Regierungschef in seiner Grundsatzerklärung einen Beitrag dazu leistet. Von Ihrer Rede, Herr Ministerpräsident, konnte man das allerdings nun wahrlich nicht behaupten. Ich bin ziemlich sicher, weder Kurt Biedenkopf noch Georg Milbradt hätten es gewagt, dem Parlament eine derart schönfärberische Rede anzubieten, wie Sie es getan haben.
Und vor allem eines, Herr Kollege Tillich, ist bei Ihren Ausführungen deutlich geworden. Sie haben zwar im vergangenen Jahr mit Ihrer Partei noch einmal und hoffentlich zum letzten Mal den Regierungsauftrag erhalten, die Interessen der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land vertreten Sie aber ganz offenkundig nicht.
Sie haben in Ihrer heutigen Rede einmal mehr versucht, unter dem Markenzeichen der so genannten Schuldenfreiheit des sächsischen Doppelhaushaltes eine Erfolgsgeschichte der CDU-FDP-Staatsregierung zu konstruieren. Ich betrachte es als parlamentarischen Auftrag der Fraktion DIE LINKE, Ihnen diese Legende nicht durchgehen zu lassen.
Deshalb stelle ich die folgende Frage: Was war und was ist das kennzeichnende Merkmal der derzeitigen Haushaltspolitik unter dem Label einer CDU-FDP-Koalition? Der gravierendste Unterschied zu bisherigen Regierungen und Koalitionen ist, dass man diesmal gar nicht erst versuchte, mit fundierten Sachargumenten einen haushaltspolitischen Diskurs zwischen Regierung und Parlament zu führen. Ganz im Gegenteil. Von Anfang an war es eine von der Staatsregierung inszenierte finanzpolitische Propagandaschlacht, in deren Mittelpunkt ein angekündigtes Horrorszenario stand: „Es kommt haushaltspolitisch alles ganz schlimm. Wir müssen finanzielle Risiken ungeahnten Ausmaßes abschirmen und das Haushaltsvolumen auf ein bislang nie gekanntes Niveau herunterfahren – und zu alledem gibt es keinerlei Alternative!“ Diese Behauptungen waren vor allem eines, nämlich der dreiste Versuch davon abzulenken, dass die größten haushaltspolitischen Risiken der nächsten Jahre das Ergebnis einer verfehlten CDU-Politik, also hausgemacht sind. Zur Erinnerung: 2,75 Milliarden Bürgschaften im Zuge des Notverkaufs der Landesbank sowie 400 Millionen Mehrkosten für den Citytunnel Leipzig.
Ziel der Staatsregierung war es von Anfang an, das Parlament im Rahmen der Haushaltsdebatte in eine Defensivposition zu bringen. Deshalb wurde mit Haushaltsbewirtschaftungsmaßnahmen in Höhe von 140 Millionen Euro für das Haushaltsjahr 2010 eine Drohkulisse aufgebaut und wie im Zuge eines generalstabsmäßigen Manövers geübt, damit das neue Kabinett sich an Haushaltsdisziplin gewöhnt, die neue CDU-FDP-Koalition im Parlament schon mal Abwehrschlachten trainiert und der Landtag als Ganzes monatelang beschäftigt wird.
Ich bin ganz sicher: Der vor uns stehende Jahresabschluss des Haushaltsjahres 2010 wird belegen, dass diese Haushaltsbewirtschaftungsmaßnahmen zu keiner Zeit notwendig und gerechtfertigt waren, aber sie haben vielen Vereinen, Verbänden und Organisationen das Leben extrem schwer gemacht.
Der zweite Teil der Propagandaschlacht begann mit der Frühjahrsklausur der Staatsregierung, in deren Ergebnis Ministerpräsident und Finanzminister am 3. März mitteilten, dass ihr wichtigster Eckwert für den kommenden Doppelhaushalt im Absenken des Haushaltvolumens von jeweils 1,7 Milliarden Euro pro Jahr besteht. Auf meine Dringliche Anfrage vom 26. April 2010, mit welchen konkreten Maßnahmen oder Haushaltsinstrumenten die Staatsregierung beabsichtigt, die von ihr spätestens seit März festgestellten Einnahmeverluste in Höhe von 1,7 Mrd. Euro in den Haushaltsjahren 2011und 2012 zu bewältigen bzw. auszugleichen, wurde jegliche Aussage durch Geschäftsordnungstricks verweigert. Heute ist klar, warum.
Dieses Horrorszenario hatte zu keinem Zeitpunkt eine sachliche oder fachliche Unterlegung. Das zeigte sich spätestens im Juni dieses Jahres mit dem Kabinettsbeschluss zum Haushaltsentwurf, als plötzlich 500 Millionen Euro irgendwo aus dem Nichts auftauchten und die Absenkung dadurch auf 1,2 Milliarden pro Jahr reduziert wurde. Mit dem jetzt vorliegenden Beschlussentwurf zum Doppelhaushalt beträgt das Absenkungsvolumen z. B. für 2011 „lediglich“ noch 987 Mio. Euro. Herr Ministerpräsident, rechnen Sie mal aus, wie groß Ihre Irrtumsrate innerhalb von gerade mal acht Monaten gewesen ist!
Man kann diese Rechnung im Übrigen problemlos weiterführen, wenn man die Höhe der Haushaltsrücklagen, die im Abschluss des Jahres 2010 gebildet werden sowie die von Ihrem Finanzminister konstruierten Abschläge von den zu erwartenden Einnahmen 2011/2012 in der erheblichen Größenordnung von 849 Millionen Euro mit in die Betrachtung einbezieht.
Bei einer Gesamtbewertung kommt man letztlich zu der Einschätzung, dass das Haushaltsvolumen von 2010 faktisch ohne große Not hätte fortgeschrieben werden können.
Herr Ministerpräsident, Sie haben mit Ihrer heutigen Rede versucht, Solidität der sächsischen Staatsregierung als zweites Merkmal Ihrer Haushaltspolitik zu verkaufen. Lassen Sie mich zunächst festhalten, dass ein ausgeglichener Haushalt und solide Regierungspolitik grundsätzlich zwei Paar Schuhe sind. Zu welchen Fehlleistungen diese Regierung fähig ist, ist ja schon durch solche Reizwörter wie Versammlungsgesetz, Denkmalschutz und Ladenöffnungszeiten festgestellt. Meine Analyse geht von folgendem Bild aus: Stellt man sich den Freistaat Sachsen als ein Haus vor, kann man sich fragen, was hat sich denn in den letzten Monaten in diesem Haus im Rahmen der Haushaltsdebatte abgespielt. Da lässt sich feststellen, dass die CDU-FDP-Koalition es ganz offenkundig darauf angelegt hat, den Hausfrieden zu stören und die Wände zum Wanken zu bringen.
In den hinter uns liegenden Aufbaujahren war es vor allem darum gegangen, das Haus Sachsen auf stabile Fundamente und tragende Wände zu stellen. Die schwarz-gelbe Koalition von heute hatte scheinbar nichts Besseres zu tun als durch ihr politisches Handeln an diesen tragenden Wänden Schaden anzurichten.
Eine dieser Wände ist das Verhältnis zwischen Kommunen und Freistaat, wobei die zentralen Elemente Vertrauen und Verlässlichkeit waren. Der Wortbruch der Regierung und der Verhandlungsführer von CDU und FDP beim Finanzausgleichsgesetz stellt einen bislang einmaligen Akt im Zuge sächsischer Haushaltsverhandlungen dar. Allein schon dadurch entstand schwerer Schaden am sächsischen Haus.
Weiterer Schaden am Haus wurde beim Verhältnis zwischen Freistaat und den im Öffentlichen Dienst Beschäftigten angerichtet. Dass man der Regierung und der Koalition nicht trauen kann, weiß jetzt wirklich jeder der über 87.000 Beschäftigten im Staatsdienst.
Wozu Regierung und Koalition fähig sind, hat der gescheiterte Versuch des Ausbremsens des Tarifvertrages bei der Lehrerschaft ebenso gezeigt wie der untaugliche Vorschlag, die Beamtenschaft durch eine Gesetzesänderung durch die Streichung der so genannten Sonderzahlung um einen Teil ihres Jahreseinkommens zu bringen.
Wir als LINKE sagen: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst unseres Landes (egal ob Angestellte oder Beamte) leisten ganz überwiegend eine gute Arbeit, und sie tun dies unabhängig davon, ob der Ministerpräsident Ihnen zum Jahreswechsel einen parteipolitisch motivierten Dankesbrief schreibt. Die Öffentlich Bediensteten haben Anspruch auf eine angemessene Bezahlung. Für eine Kürzung Ihrer Bezüge gibt es keinerlei Rechtfertigung!
Das Verhältnis des Freistaates zu den Kulturräumen des Landes ist eine weitere tragende Wand im Haus Sachsen. Auch hier hat die Koalition nichts anders im Kopf, als durch ihren Angriff auf das Kulturraumgesetz diese Wand einem Stabilitätstest zu unterziehen. Wir als LINKE sagen: Wer die Kultur zusammenstreicht, vergeht sich an den Fundamenten unserer Gesellschaft!
Tragend war bisher auch das Verhältnis zwischen dem Freistaat und den fünf Zweckverbänden im Bereich des Öffentlichen Personennahverkehrs. Auch hier soll nun die Axt an das Fundament gelegt werden, indem man versucht, die Mehrkosten des Citytunnels in Leipzig durch Streichungen bei der Finanzierung des ÖPNV in ganz Sachsen irgendwie aufzufangen. Wir als LINKE sagen: Diese „Untertunnelung“ geht an die Substanz vor allem in den ländlichen Regionen des Freistaates und ist daher entschieden abzulehnen!
Und wenn Sie immer davon reden, dass nicht mehr ausgegeben werden könne, als man einnimmt, dann führen Sie das gerade beim Nahverkehr ad absurdum. Denn Sie nehmen 2011 vom Bund mehrere Millionen mehr ein als im laufenden Jahr und kürzen dennoch die Zuweisungen an die Verkehrsverbünde.
Je mehr die tragenden Wände des Hauses Sachsen ins Wanken gebracht werden, je größer ist die Gefahr, dass das Dach des Hauses der CDU-FDP-Koalition und ihrer Staatsregierung sprichwörtlich auf den Kopf fällt.
Da hilft dann garantiert auch keine Dachmarke mehr, für die im Haushalt der Staatskanzlei Millionenbeträge eingeplant werden sollen. Der politische Schaden, der im Rahmen der Haushaltsdebatte schon bislang angerichtet worden ist, passt eben unter kein Dach. Und wenn man noch so viel Geld für eine Dachmarke in die Hand nehmen wollte.
Wir als LINKE sagen: Auf die teure Beauftragung einer PR-Agentur kann getrost verzichtet werden. Ein Austausch von ungeeigneten Ministern ist allemal billiger, und wir hätten da durchaus einige Ideen!
Am versetzungsgefährdetsten ist dabei sicher der stellvertretende Ministerpräsident Sven Morlok von der FDP. Dass Herr Morlok sowohl fachlich wie auch persönlich völlig überfordert ist, hat inzwischen auch der Koalitionspartner begriffen, denn selbst CDU-Fraktionschef Flath musste kürzlich in einem Interview mit der „Zeit“ bezugnehmend auf abwegige Träume des Wirtschaftsministers einräumen (Zitat): „Wir werden so schnell kein Geberland“ im Länderfinanzausgleich werden, und er ergänzte, es sei schwer, Morlok irgendetwas zu erklären. Ich teile diese Einschätzung und füge für DIE LINKE hinzu: Wer nach fast 16 Monaten im Amt noch immer nicht begriffen hat, dass zu seinem Ressort neben der Wirtschaft auch die Arbeitsförderung gehört, ist ganz offenkundig falsch an seinem Platz!
Aber zurück zum vorliegenden Haushaltsentwurf der Staatsregierung. Wir als LINKE haben in den Fachausschüssen des Landtages dazu insgesamt 135 Änderungsanträge vorgelegt. Mit diesen Anträgen verfolgten wir ein klares Ziel: Wir wollten und wir wollen die Gerechtigkeitslücke, die durch die CDU/FDP-Staatsregierung seit Jahresbeginn durch konzeptloses Kürzen aufgerissen worden ist, durch ein Paket durchgerechneter LINKER Alternativen im Umfang von etwas mehr als einer Milliarde Euro so weit wie irgend möglich schließen.
Dabei haben wir uns an drei Schwerpunkten zur Sicherung von Sachsens Zukunft orientiert.
Erstens: Der soziale Ausgleich in unserem Land muss erhalten bleiben! Und er muss dort wiederhergestellt werden, wo er durch falsche Weichenstellungen von Regierung und Koalition akut bedroht ist.
Unser zweiter Schwerpunkt: Bildung hat Vorrang! Hier wollten wir für die nächsten beiden Jahre insgesamt 400 Millionen Euro mehr bereitstellen als CDU und FDP, z.B. für den Einstieg in eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels an Kitas, neue Grundschullehrer-Stellen und mehr Ganztagsangebote. Zudem wollen wir die verfassungswidrigen Kürzungen der Regierung bei den freien Schulen und bei der Schulgelderstattung zurücknehmen.
Und der dritte Schwerpunkt lautet: Wir brauchen einen Schutzschirm für Kommunen – nicht nur für Banken! Städte, Gemeinden und die Landkreise sind das Fundament von Staat und alltäglicher Daseinsvorsorge. Deshalb fordern wir eine kommunale Infrastrukturpauschale von jeweils 75 Mio. Euro, eine Rücknahme der Kürzungen beim Kulturraumgesetz sowie nicht zuletzt für beide Haushaltsjahre insgesamt knapp 39 Millionen Euro mehr für den Schulhausbau. Und schließlich wollen wir auch den Kahlschlag beim öffentlichen Personennahverkehr abwenden.
Unsere Fraktion hatte von Anfang an erklärt, dass für sie der Sozialhaushalt zu den Schonbereichen gehört und keinerlei Kürzungen zugestimmt werden kann, sondern dass es
eher um eine Mittelaufstockung gehen müsste. Ich verweise hier auf meine Rede zur 1. Lesung des Haushalts im September.
Ich hatte bereits damals kritisiert, dass im Sozialbereich im Vergleich zum Gesamthaushalt überdurchschnittlich stark gekürzt wird. Zwar kam es im Verlauf der Haushaltsdebatte zu geringfügigen Korrekturen, aber die Kürzungen des Sozialhaushalts im Verhältnis zum Gesamtetat sind sogar noch größer geworden. So sinkt der Haushalt insgesamt im Jahr 2011 um knapp sechs Prozent, im Sozialbereich beträgt die Kürzung aber sage und schreibe 11,5 Prozent.
Diese Vergleichszahlen belegen: Das Soziale hat bei dieser Regierung und der sie tragenden Koalition keinerlei Lobby. Selbst die bislang umfangreichsten Protestaktionen von Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden sowie der landesweit tätigen Vereinen haben die Koalition nicht zum Umsteuern veranlasst. Herr Tillich hat diese Proteste in seiner Rede völlig ignoriert.
Auch die bislang in dieser Schärfe noch nie geäußerte massive Kritik von führenden Vertretern der Kirchen am Sozialhaushalt haben keine nachhaltige Wirkung bei der Koalition ausgelöst. Nach der Devise „Augen zu und durch“ werden in vielen Bereichen dringend benötigte soziale Strukturen zerschlagen und damit notwendige Leistungsangebote bewusst ausgehebelt. Wir als LINKE sagen: Wer so agiert, setzt den ohnehin bereits stark in Mitleidenschaft gezogenen sozialen Zusammenhalt unseres Gemeinwesens in unverantwortlicher Art und Weise aufs Spiel.
Es ist für mich völlig unbegreiflich, dass die Sozialministerin sich alledem widerstandslos beugt und die Kürzungsorgie in ihrem Ressort sogar noch tapfer verteidigt.
Wir bleiben dabei: Wohlfahrts- und Sozialverbände sowie freie Träger, denen staatliche Aufgaben übertragen wurden, müssen auch in die Lage versetzt werden, sie zu finanzieren. Es kann nicht sein, dass die öffentliche Hand Aufgaben delegiert, aber unablässig die Mittel zusammenstreicht. Wer heute in diesen sensiblen Bereichen radikal kürzt, zahlt alsbald das Mehrfache.
So sieht es auch Oberkirchenrat Christian Schönfeld vom Diakonischen Werk in Sachsen, der eine zunehmende Kultur des Wegschauens beklagt und feststellt (Zitat): „Es ist nicht akzeptabel, dass fast 30 Prozent der Familien in Sachsen mit minderjährigen Kindern von Hartz IV leben. Das muss man als Problem doch zur Kenntnis nehmen – zumal es bundesweit lediglich 14 Prozent sind. Entscheidend ist die Frage, wie ich das vorhandene Geld sinnvoll einsetzen kann. Dabei muss das volkswirtschaftliche Denken wieder in den Vordergrund treten und nicht das betriebswirtschaftliche.“ (Ende des Zitats) Wir als LINKE teilen diese Position ausdrücklich.
Skandalös ist derzeit auch der Umgang mit dem bürgerschaftlichen Engagement in seiner ganzen demokratischen Vielfalt. Was sich die Koalition hier geleistet hat, spottet jeder Beschreibung. Wer den Regierungskurs nicht zu 100 Prozent vertritt oder diesem gar kritisch gegenüber steht, dem wird der Geldhahn zugedreht. Beispiele dafür sind die Landes-Senioren-Vertretung oder der Landesfrauenrat, die wichtige basisdemokratische Gremien zur Koordinierung und Hilfe für kommunale Strukturen sind. Das ist offensichtlich nicht mehr gewünscht. So verhindert man bürgerschaftliches Mitwirken und provoziert weitere Politikverdrossenheit.
Die Staatsregierung ignoriert ganze Bereiche völlig und zeigt damit, dass sie bei der Zukunftsgestaltung komplett versagt. Was wollen Sie unternehmen, um vom deutschlandweit letzten Platz bei den Anstrengungen für die Nutzung erneuerbarer Energien endlich wegzukommen?
Warum kürzen Sie gerade bei den anerkannten Naturschutzverbänden? Wo bleibt ein finanziell untersetztes Landeskonzept zur Integration von Migrantinnen und Migranten? Wo bleibt die Reaktion auf die zunehmenden Herausforderungen im Pflegebereich? Wie will man dem wachsenden Ärztemangel begegnen, außer mit der Bildung einer fragwürdigen interministeriellen Kommission? Wo schließlich bleibt ein wirksames Landeskonzept zur Armutsbekämpfung? Auf all diese Fragen gibt es keine wirkliche Antwort. Wir als LINKE werden aber nicht locker lassen, genau diese für CDU und FDP unbequemen Fragen immer wieder zu thematisieren.
Selbiges gilt natürlich auch für den Bildungs- und Hochschulbereich. Als die Staatsregierung Mitte Juni ihren Entwurf für den Doppelhaushalt der Öffentlichkeit vorstellte, war die Rede von „Verantwortung“, die man „für unsere Kinder und Kindeskinder“ übernehme, von einem „leistungsfähigen Bildungssystem“, das Sachsen brauche, und von der „Priorität“, die „Bildung und Forschung“ haben. Die haushaltspolitische Wirklichkeit sieht anders aus.
Die Hochschulen leiden seit Jahren an einer strukturellen Unterfinanzierung. Nun erhalten sie zwar einen Globalhaushalt, der ihnen weitgehende Autonomie in der Verwendung der finanziellen Mittel gewährt, der tatsächlich aber die Verwaltung des Mangels durch die Hochschulen selbst bedeutet. Sie bekommen immer mehr Aufgaben übertragen, ohne die dafür nötigen Mittel zu erhalten. Auch die Finanzierung der Studentenwerke wird immer weiter zurückgefahren. Sachsen liegt inzwischen mit 50 € bundesweit an letzter Stelle bei den Landeszuschüssen pro Studierenden. Zum Vergleich: Thüringen z.B. bringt es auf knapp 107 €. Dennoch will die Staatsregierung in den kommenden beiden Jahren insgesamt 3 Millionen bei den Zuschüssen für die Studentenwerke einsparen. Die LINKE lehnt diese Kürzungen ab!
Und noch ein Detail sei angeführt, das zeigt, wie gerade das lebenslange Lernen hierzulande beschnitten wird. Die Weiterbildung, bei deren Förderung Sachsen ohnehin schon an letzter Stelle im Bundesvergleich liegt, erhält abermals weniger Mittel. Im Ergebnis werden die Volkshochschulen die Kursgebühren erhöhen müssen, was wiederum soziale Benachteiligung schafft.
Der Lehrermangel wird in den kommenden Jahren das bildungspolitische Problem Nummer eins in Sachsen sein; dass zurzeit rund 50 Prozent aller Grundschullehrer/innen wie pädagogische Hilfskräfte bezahlt werden, befördert die Abwanderung des Lehrernachwuchses.
Wir als LINKE sagen: Ein Bildungsland schafft man langfristig nicht durch Tarif-Unrecht und eine schlechte Entlohnung der Pädagogen!
In der Kulturpolitik erleben wir derzeit ein besonderes Trauerspiel, und zwar die Demontage des Kulturraumgesetzes und den dadurch verursachten massiven Abbau von Kultur in Sachsen. Die Teilfinanzierung der Landesbühnen Sachsen aus Kulturraummitteln in Höhe von 3,7 Mio. € stellt eine enorme Belastung für die sächsische Kulturlandschaft und eine Gefährdung des Kulturlandes Sachsen insgesamt dar. Dazu kommen die Kürzungen beim Strukturfonds. Mit diesem Vorgehen legt die CDU/FDP-Koalition ohne nachvollziehbaren Grund die Axt an dieses bundesweit einmalige Instrumentarium der solidarischen Kulturfinanzierung. Die Proteste der Kulturschaffenden dagegen sind sehr verständlich und haben die Unterstützung der LINKEN.
Auch hinsichtlich der Kinder- und Jugendpolitik setzt die Staatsregierung eindeutig die falschen Prioritäten. Sie bietet finanzpolitische Kosmetik an, denn Mehrausgaben in diesem Bereich, die allein aus steigenden Kinderzahlen und dem Rechtsanspruch auf Betreuung resultieren, sind keine zukunftsorientierte Politik, geschweige denn Investitionen in die Bildung der nächsten Generation. Was CDU und FDP veranstalten, ist Kinderbetreuung nach Kassenlage: Das kostenfreie Vorschuljahr wird abgeschafft, die Kita-Pauschale für die Kommunen stagniert trotz steigender Kosten, die Jugendpauschale wird auf dem um ein Drittel gekürzten Niveau von 2010 eingefroren, das Freiwillige Soziale Jahr und die Demokratiebildung werden halbiert. Eine Verbesserung der Fachkraft-Kind-Relation in den Tagesstätten ist nicht in Sicht.
Hier sagen wir als LINKE: Wenigstens der Betreuungsschlüssel an Kindergärten muss endlich verbessert werden, wie es der Ministerpräsident bei seinem Amtsantritt versprochen hatte. Ein jeder Haushalt ist auch Ausdruck politischen Willens einer Staatsregierung, und die politische Botschaft von Herr Tillich und Frau Clauß an die jungen Menschen in Sachsen ist: „Kinder und Jugendliche sind weniger wert.“ Das aber ist ausdrücklich nicht die Position der LINKEN.
Ähnlich haarsträubend ist der Umgang der Staatsregierung und der Koalitionsfraktionen mit dem Thema Gleichstellung von Frau und Mann. Die drastischen Kürzungen bis hin zur quasi Abwicklung des Landesfrauenrates Sachsen sind weder inhaltlich noch finanziell zu begründen, sondern eine bewusste politische Entscheidung gegen ein modernes Land und gegen die engagierte Arbeit zahlreicher Frauen und auch Männer. Mit dieser Entscheidung wird nicht nur offensichtlich, dass Schwarz-Gelb ein Riesenproblem mit emanzipierten Menschen, insbesondere mit Frauen, hat, es zeigt auch die Rückwärtsgewandtheit sächsischer Politik.
Wir als LINKE sagen dazu: Solange es in unserem Land viel weniger Frauen als Männer in Führungspositionen, viel weniger Väter als Mütter in Elternzeit, viel mehr Jungen als Mädchen in technischen Ausbildungen und deutlich mehr Mädchen als Jungen mit Abitur gibt, hat Sachsen noch viel zu tun und muss die Geschlechtergleichstellung umfassend aus dem Landeshaushalt fördern.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, zum Thema „Polizeireform und innere Sicherheit“ hatten wir ja gestern schon eine Aktuelle Stunde auf Antrag der LINKEN. Deshalb heute nur noch soviel: Es ist ein grundlegender Fehler dieser Staatsregierung, wenn sie dem Irrglauben erliegt, dass öffentliche Sicherheit und Ordnung ausschließlich nach Kassenlage gewährleistet werden kann. Nicht nur wir als Opposition, sondern auch die gewerkschaftlichen Interessenvertretungen der sächsischen Polizistinnen und Polizisten stellen fest, dass die Sicherheit des Freistaates Sachsen durch die Pläne der Regierung zum fortgesetzten Personalabbau ernsthaft gefährdet ist und droht, nachhaltig Schaden nimmt.
Zusätzlich zu den bereits beschlossenen 2.441 Stellen sollen weitere 800 Stellen gestrichen werden. Das ist nicht mehr zumutbar. Herr Ministerpräsident, Ihre Politik macht Sie bzw. die Regierung zum Sicherheitsrisiko Nr.1 in Sachsen.
Wir als LINKE fordern den weiteren Stellenabbau bei der Polizei sofort auszusetzen, eine vollumfängliche Aufgabenkritik vorzulegen und dann gemeinsam mit den Gewerkschaften ein Leitbild für die sächsische Polizei zu erstellen, welches hier im Landtag beraten und beschlossen werden muss. Das sind Sie den Polizistinnen und Polizisten schuldig, die Tag für Tag einen unverzichtbaren Dienst für unser Land leisten.
Die Konsequenzen dieses Doppelhaushalts fasse ich in einem Satz zusammen:
Erst wenn die letzte Buslinie auf dem Land eingestellt, der letzte Jugendklub geschlossen und der letzte ordentlich bezahlte Arbeitsplatz abgeschafft ist, werden auch führende sächsische CDU- und FDP-Politiker feststellen, dass mit den eingesparten Geldern kein Staat mehr zu machen ist.
Denn wo die Gesellschaft keine Zukunft hat, fehlt auch dem Staat die Perspektive – da können Sie noch so viele Demografiekongresse veranstalten. Eines Tages wird Sachsen zwar vielleicht keine Schulden mehr haben, aber auch keine Jugend. Das Kernproblem Ihres Haushaltsentwurfs ist nicht, dass Sie zu viel oder zu wenig Geld ausgeben, sondern dass Sie Steuergelder mit vollen Händen für das Falsche rauswerfen und zukunftsträchtige Potenziale tot sparen. Ihre Politik ist schlicht von vorgestern.
Schlimm genug, dass Sie ständig Volks- und Betriebswirtschaft verwechseln, ja, Sie verstehen nicht einmal etwas von moderner Betriebswirtschaft: Jeder gute Unternehmer weiß, dass gerade die Pflege der sozialen Kompetenzen in einer Welt der unbegrenzten Kommunikation eine unabdingbare Bedingung für wirtschaftlichen Erfolg ist.
Sie aber, meine Damen und Herren der CDU/FDP-Staatsregierung, schaffen es vielleicht gerade noch, die Schlaglöcher auf der Autobahn flicken zu lassen. Doch Sie haben keine Ahnung, wie man Menschen motiviert – jedenfalls nicht durch Kürzung des Einkommens – oder in Problemsituationen stabilisiert – wohl kaum dadurch, dass man weder etwas für Schulpsychologen noch für Jugendarbeiter übrig hat. Der Treppenwitz des schwarz-gelben Doppelhaushalts jedoch ist, dass Rücklagen angehäuft werden, mit denen Sie von CDU und FDP für die Zukunft gar nichts anzufangen wissen.
Sie haben keine Perspektive für dieses Land außer, wenn ich Ihr bisheriges gesetzgeberisches Wirken mal kurz zusammenfassen darf: der Dreifaltigkeit von sonntäglichem Autowaschen, erleichtertem Baumfällen und sinkendem Arbeitseinkommen. Mit echter Lebensqualität hat dieses – mit Verlaub – kleingeistige und missgünstige Gesellschaftskonzept nichts zu tun.
Deshalb haben Sie ja auch massive Kommunikationsprobleme. Und daher sah sich die CDU-Fraktion genötigt, eine ganzseitige Anzeige in einer großen Regionalzeitung zu schalten, um der Bevölkerung den – Zitat – „sächsischen Geiz“ irgendwie zu erklären zu versuchen, der aber kein sächsischer, sondern ein von der sächsischen CDU gewollt ist.
Nun ist ja ein marktmächtigen Anbieter von Kommunikationstechnologie mit dem Spruch „Geiz ist geil“ in die jüngere Werbegeschichte eingegangen. Dass es allerdings die in der besagten Anzeige mit Foto präsentierte Familie – Sie gestatten mir die jugendsprachliche
Ausdrucksweise – geil findet, dass Sie sich am Landeserziehungsgeld vergriffen haben, und das kostenlose Vorschuljahr wieder streichen, ist höchst unwahrscheinlich.
Der „Geiz“, den Sie mit Ihrer Großanzeige auf Kosten der Steuerzahler feiern, senkt nämlich nicht die alltäglichen Kosten der sächsischen Familien. Nein, mit Ihrem Geiz, meine Damen und Herren von CDU und FDP, schröpfen Sie das Haushaltsbudget der Menschen in Sachsen. Besonders der Menschen mit Kindern.
Wer für Generationengerechtigkeit ist, kann diesen Haushaltsentwurf nur ablehnen. Und das werden wir tun, wenn Sie unser letztes Kompromissangebot ablehnen – die 25 Änderungsanträge, auf die wir uns jetzt bei den abschließenden Haushaltsberatungen beschränken.
Wir tun das, weil wir wissen: Der Schatten, den Ihre schwarz-gelbe Geiz-Politik wirft, ist zu lang, als dass Sie ohne große Mühe darüber springen könnten. Wir kommen Ihnen deshalb aus Gründen der Höflichkeit und im Interesse des Landes etwas entgegen. Wenn das auch nichts hilft, bleibt den Menschen in Sachsen nur die logische Konsequenz, sich beim nächsten Mal die Stimmen für CDU und FDP zu sparen. Dieser Geiz wäre eine Wohltat für unser Land!
Herzlichen Dank!