Rede zum Politischen Aschermittwoch 2014 in Freital
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Genossinnen und Genossen,
hochverehrte Närrinnen und Narren!
wie es inzwischen auch bei uns gute Tradition ist, will ich auf dieser Veranstaltung zum Politischen Aschermittwoch keine Büttenrede halten, sondern mich ebenso scharf wie grundsätzlich mit der Politik in diesem Land auseinandersetzen, wobei man auch dort bisweilen nicht weiß, ob man eher lachen oder heulen soll.
Ich habe jetzt seit knapp zwei Jahrzehnten in unterschiedlichen Funktionen Aschermittwochsreden auf Veranstaltungen der PDS bzw. der LINKEN gehalten, vor allem natürlich in Sachsen als Parlamentarischer Geschäftsführer bzw. Vorsitzender der Landtagsfraktion. Dies heute ist nun meine erste Rede zum Politischen Aschermittwoch als Mitglied des Deutschen Bundestages.
Als ich 2009 meine Aschermittwochsrede für die sächsische LINKE in Chemnitz gehalten und insbesondere das Landesbank-Desaster und den so genannten Sachsen-Sumpf thematisiert habe, hatte ich eine politische Kernforderung, und die lautete: Ministerpräsident Georg Milbradt muss weg!
Es dauerte nicht einmal sechs Wochen, bis er schließlich seinen Rücktritt erklärte. Ein solcher Erfolg macht Mut, und deshalb fordere ich heute – fünf Jahre später – hier von Freital: Die CDU muss in Sachsen endlich weg aus der Regierung! Fast fünfundzwanzig Jahre an der Macht sind wirklich genug!
Am 30. August sind Landtagswahlen, und die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land haben die Chance, endlich einen politischen Wechsel herbeizuführen.
Seit unserer letzten Veranstaltung hier in Freital ist in der Politik einiges geschehen. Ich kann heute nur einige ausgewählte Punkte aus der Landes- und Bundesebene hier ansprechen.
Natürlich kann ich dabei an den jüngsten Ereignissen in der Ukraine nicht einfach so vorbeigehen, und deshalb soll das auch am Anfang meines Beitrags stehen, denn dort geht es nicht um Karneval, geht es nicht um Aschermittwochsprobleme, sondern geht es im wahrsten Sinne des Wortes um Krieg und Frieden, geht es um die Existenz der Ukraine als eigenständigem Staat und geht es letztlich auch um die Zukunft der europäischen Idee.
Die Berichterstattung der letzten Tage und Wochen über das, was in der Ukraine geschehen ist, waren aus meiner Sicht allerdings überaus einseitig und interessengesteuert. Leider geht es dabei in Wirklichkeit zumeist nicht wirklich um das Schicksal der Menschen in dem überaus fragilen 45-Millionen-Einwohner-Staat. Im Kern geht es um die Frage, ob die Ukraine weiterhin zum unmittelbaren Einflussbereich Russlands gehört oder sich von Russland abwendet und sich dem Westen und insbesondere der Europäischen Union zuordnet. Beide Seiten wollen alles, Kompromissbereitschaft – Fehlanzeige!
Von daher hat nicht nur Russland, sondern auch die EU ein gerüttelt Maß an Mitverantwortung für die jetzt entstandene gefährliche Situation.
Ich bin wahrlich kein Außenpolitiker, will aber doch einmal kurz Revue passieren lassen, was denn in den zurückliegenden Jahren und vor allem in den letzten Tagen und Wochen in der Ukraine geschehen ist.
Im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion erlangten nicht nur die baltischen Staaten, sondern bekam auch die Ukraine ihre staatliche Unabhängigkeit. Die ersten Jahren in Selbständigkeit waren für viele euphorisch, die neugewählte Regierung fuhr ganz bewusst und nachvollziehbar einen Abgrenzungskurs gegenüber Russland, obwohl ein erheblicher Teil der Bevölkerung, vor allem im ländlichen Raum, nicht nur russisch sprachen, sondern sich auch politisch weiter an Russland orientieren wollte.
Da der Aufschwung nicht wie gehofft erfolgte und auch das Handeln der ukrainischen Regierung zunehmend kritisch bewertet wurde. Weder die Korruption noch die allgemeine Kriminalität wurden wirksam eingeschränkt. Es folgte die so genannte orangene Revolution, schon damals vom Westen nicht nur öffentlich und medial, sondern auch finanziell massiv unterstützt. Die Protestierer auf dem Maidan wurden ohne jede Differenzierung als Helden und Freiheitskämpfer gefeiert.
Im Ergebnis vorgezogener Wahlen kam das ungleiche Duo Juschtschenko und Timoschenko an die Macht, ersterer als neuer Präsident, Julia Timoschenko als Ministerpräsidentin. Die Freude über den Machtwechsel währte nicht lange. Die neue Regierung zerbrach nicht in erster Linie am Druck aus Russland oder den schwierigen Verhandlungen über künftige Gaslieferungen, sondern vor allem an internen Querelen und Machtkämpfen.
2010 wurde dann Janukowitsch zum Präsidenten der Ukraine gewählt. Der Westen akzeptierte zunächst die neuen Machtverhältnisse in der Ukraine, denn Janukowitsch hat keinen Beitritt nach Russland betrieben, sondern vor allem die Interessen seines Landes vertreten, gegenüber Putin ebenso wie gegenüber Obama und der Europäischen Union.
Die wirtschaftlichen Probleme seines Landes, die Korruption und die Kriminalität bekam er jedoch ebenso wenig in Griff wie seine Vorgänger. Hinzu kamen höchst fragwürdige Gerichtsverfahren und Verurteilungen gegen führende Repräsentanten der orangenen Revolution, die nicht nur im Westen, sondern auch im eigenen Land teilweise als politisch motivierte Prozesse angesehen wurden.
Ich kann mir dazu von außen kein fundiertes Urteil bilden und halte es durchaus für möglich, dass Janukowitsch mit der Gefängnisstrafe für Julia Timoschenko sich einer politischen Kontrahentin entledigen wollte. Allerdings frage ich mich auch, wie aus der einstigen Regierungschefin binnen ganz kurzer Zeit eine mehrfache Millionärin geworden ist. Doch auch darum geht es bei den aktuellen Auseinandersetzungen in Kiew nur am Rande.
Auslöser für die Unruhen war die Entscheidung von Präsident Janukowitsch, dass schon weitgehend ausgehandelte Assoziierungsabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen. Auch hier kenne ich nicht alle Hintergründe.
Dass Putin in Moskau davon nicht begeistert war, ist nachvollziehbar und sicher ist von russischer Seite auch politischer Druck ausgeübt worden.
Wer sich die Vertragsentwürfe der EU allerdings ansieht, der erkennt ziemlich schnell, dass vorrangiges, wenn nicht alleiniges Ziel des Abkommens war, die Ukraine dauerhaft an die Europäische Union zu binden, das Land dazu zu bringen, wichtige Beziehungen zu Russland zu kappen oder wenigstens deutlich zu reduzieren, dafür aber so wenig wie möglich an Gegenleistung zu bringen.
Dringend benötigte Finanzhilfen wurden im Vertrag jedenfalls nicht zugesagt.
Die bot nun aber Russland an, und zwar in zweistelliger Milliardenhöhe, aber aus Putins Sicht natürlich nur dann, wenn die Ukraine das Assoziierungsabkommen mit der EU nicht unterzeichnet. Den schon damals drohenden Staatsbankrott vor Augen entschied sich Janukowitsch letztlich für eine Fortsetzung der Kooperation mit Russland. Das kann man für falsch halten, aber es war die Entscheidung eines souveränen Staates mit einer legitimen Regierung, die man eigentlich respektieren sollte.
Dass sich in der Ukraine dagegen Protest artikuliert hat, ist nachvollziehbar und gutes Recht der Opposition. Wir werden vermutlich nie erfahren, ob es seitens des Westens neben der medialen auch finanzielle Unterstützung der Bewegung auf dem Maidan gegeben hat, EU-Politiker – auch aus Deutschland – waren jedoch immer wieder vor Ort, und nicht nur als passive Zuschauer, sondern mit klarer Parteinahme bei dem innenpolitischen Konflikt, natürlich zugunsten der Opposition.
Man stelle sich einmal vor, auf dem Höhepunkt der Proteste gegen die Agenda 2010 und die Einführung von Hartz IV, wären osteuropäische Außenminister, Europaabgeordnete und Landesparlamentarier in Berlin eingeflogen und hätten den Rücktritt der gewählten Bundesregierung gefordert. Das ist natürlich absurd. Doch auf dem Maidan geschah dies fast in jeder Woche, was die hiesigen Medien natürlich völlig in Ordnung fanden.
Das galt auch für die Besetzung von Regierungs- und Verwaltungsgebäuden, den Bau von Barrikaden in der Kiewer Innenstadt und die Bildung von paramilitärischen Einheiten, gegen die von Repräsentanten der EU zu keinem Zeitpunkt protestiert wurde. Ich habe das jedenfalls nicht gehört.
In Kiew waren all die dort agierenden Menschen a priori Kämpfer für Freiheit und Demokratie, denen natürlich die uneingeschränkte Unterstützung des Westens gehören müsse. Dass zu den führenden Kräften auf dem Maidan auch die rechtsextreme „Swoboda“, die Schwesterpartei der NPD, gehörte, wurde völlig ausgeblendet.
Heute sitzen hochrangige Vertreter dieser Partei in der Übergangsregierung und stellen sogar den neuen Generalstaatsanwalt des Landes. Ist es wirklich das, was die Menschen in der europäischen Union wollen. Ich habe da erhebliche Zweifel!
Bis heute ist nicht geklärt, wie es zu der dramatischen Zuspitzung auf dem Maidan kam, bei der auch fast 100 Tote zu beklagen waren. Ganz klar: Jedes einzelne Opfer ist eines zuviel.
Der Gewaltausbruch schreckte alle Seiten auf und es kam unter Vermittlung der Außenminister von Frankreich, Polen und Deutschland zu einer Vereinbarung zwischen der Janukowitsch-Regierung und der Opposition. Kern der Vereinbarung war die Bildung einer Übergangsregierung unter Einbeziehung der Opposition und der Kräfte des Maidan sowie vorgezogene Neuwahlen für das Präsidentenamt, spätestens im Herbst dieses Jahres.
Unterschrieben hat das auch Vitali Klitschko, ein begnadeter Boxer, aber noch ziemlich unbedarfter Politiker. Als er den Kompromiss auf dem Maidan verkündete, wurde er ausgepfiffen und rückte von der Vereinbarung ganz schnell wieder ab. Sieht so verlässliche Politik aus?
Schon einen Tag später wurden weitere Regierungsgebäude besetzt, die Janukowitsch-Villa gestürmt und dann auch der gewählte Staatspräsident per Parlamentsbeschluss abgesetzt, im Übrigen unter Bruch der Landesverfassung.
Niemand im Westen forderte dabei die Einhaltung des kurz zuvor geschlossenen Vertrages zur Bildung einer Übergangsregierung ein. Schließlich hatten ja die vermeintlichen Freiheitskämpfer gesiegt. Zur Rolle der Rechtsextremisten in der neuen Regierung habe ich schon etwas gesagt.
Dass Russland angesichts dieser Entwicklung nun den Geldhahn zudrehte, konnte doch wohl niemanden ernsthaft verwundern. Und dass nunmehr der eher russisch orientierte Teil der Bevölkerung gegen die ohne Wahlen eingesetzte Regierung opponiert, ist mindestens ebenso legitim wie der vorherige Protest gegen Janukowitsch.
Sie befürchteten erhebliche Einschränkungen ihrer bis dato garantierten Minderheitenrechte, und sollten recht behalten. In einem der ersten Gesetze nach der Absetzung Janukowitschs beschloss die Rada die Abschaffung von Russisch als zweiter Amtsprache in der Ukraine. Ein schlimmerer Angriff auf die Rechte der russischen Minderheit im Land ist kaum denkbar.
Als nunmehr die pro-russischen Kräfte Regierungsgebäude auf der Krim besetzten und den gewählten Regional-Regierungschef absetzten, war plötzlich von Putsch die Rede, von Verbrechen gegen die ukrainische Verfassung und sogar von Terroristen, die die Macht auf der Krim an sich gerissen hätten.. Die westlichen, also auch die deutschen Medien transportierten diese Sicht nahezu ohne jegliche Differenzierung. Kritische Stimmen kamen auch hierzulande erst weit nach Mitternacht zu Wort.
Um es klar zu sagen: Russische Truppen haben – außerhalb der bis 2040 geltenden vertraglichen Regelungen zur Schwarzmeerflotte – in der Ukraine nichts verloren. Die Linke steht für eine friedliche Konfliktlösung, ist aber auch gegen einseitige Schuldzuweisungen. Jetzt sind nicht Waffen, sondern ist die Diplomatie gefragt.
Ziel muss es sein, die territoriale Einheit der Ukraine zu erhalten. Eine Spaltung des Landes hätte ungeahnte Folgewirkungen für ganz Europa. Gregor Gysi hat völlig recht: Es darf nicht darum gehen, ob am Ende des Wege Russland oder die EU obsiegt, vielmehr sollte die Ukraine einen ganz zentralen Brückenkopf zwischen den beiden bilden. Bis dahin ist es noch ein langer Weg, aber Krieg ist niemals eine Alternative.
Ich habe jetzt sehr viel zu diesem Thema gesagt, aber ich denke, es war auch notwendig, hier klar Position zu beziehen, denn dieses Problem beschäftigt doch sehr viele Menschen, in der LINKEN, aber ganz sicher auch außerhalb unserer Partei.
Am Montag bekam ich übrigens eine Presseanfrage, ob ich angesichts der russischen Aggression in der Ukraine nicht doch auf meine Reise zu den Paralympics nach Sotschi verzichten wolle, um ein klares politisches Zeichen zu setzen.
Ähnliches hatte man mir seitens der Grünen schon angeraten, um gegen die ohne Zweifel völlig inakzeptable Diskriminierung von Homosexuellen, Bisexuellen und Transgendern in Russland zu protestieren. Bei diesem Thema gilt aus meiner Sicht dasselbe wie bei dem Konflikt in der Ukraine. Jetzt ist die Stunde der Diplomatie, und es ist immer besser, miteinander als übereinander zu reden. Ich habe schon die wechselseitigen Boykotte der Olympischen Spiele von 1980 in Moskau und 1984 in Los Angeles für absolut falsch gehalten. Boykotte bringen politisch wenig bis gar nicht, sie schaden aber immer dem Sport, und das haben gerade die behinderten Athletinnen und Athleten nicht verdient.
Deshalb bleibe ich bei meiner Entscheidung und werde morgen nach Sotschi reisen. Dort werde ich – darauf habe ich gegenüber der deutschen Botschaft Wert gelegt – sowohl Vertreter der russischen Duma wie auch Repräsentanten der Ukraine zu Gesprächen treffen.
Und wenn jetzt gerade aus CDU-Kreisen die Forderung erhoben wird, man solle die russische Regierung international isolieren, dann wird es ja wohl doch noch erlaubt sein, daran zu erinnern, dass es der sächsische Ministerpräsident war, der auf dem Semperopern-Ball noch im Jahr 2009 dem russischen Präsidenten Putin den sächsischen Dankesorden für dessen Verdienste überreicht hat. Als Vorsitzender der Landtagsfraktion habe ich diese Entscheidung damals im Übrigen kritisiert.
Sehr verehrte Anwesende, liebe Genossinnen und Genossen,
ich bin ja nun in der Bundestagsfraktion u.a. auch sportpolitischer Sprecher, ein Amt, das ich im Übrigen im Landtag über 15 Jahre hinweg neben all meinen sonstigen Funktionen quasi nebenbei wahrgenommen habe. Auf Bundesebene wird es nun aber wirklich ernst, denn dort geht es um richtig viel Geld, wenn es um die Förderung der Leistungssportes in Deutschland geht.
Doch darüber will ich heute gar nicht sprechen; ich war vielmehr entsetzt über Joachim Gauck, der angesichts der in der Tat relativ mageren Ausbeute unserer Olympiastarter beim Empfang der Sportler in München allen Ernstes erklärte, er sei schließlich auch der „Präsident der Pechvögel und Verlierer“. Ein sensibler Umgang mit aufgrund ihres Abschneidens enttäuschten Athleten sieht ganz sicher anders aus. Als ich das las, fühlte ich mich wieder einmal darin bestätigt, dass ich diesen Mann in der Bundesversammlung nicht mit gewählt habe.
Erst vor kurzem hatte Herr Gauck ja auf der so genannten Sicherheitskonferenz in München erklärt, Deutschland müsse endlich wieder mehr internationale Verantwortung übernehmen und meinte dabei ausdrücklich auch militärisches Eingreifen. Ich meine: Wenn ein ehemaliger Pfarrer unverhohlen für mehr Kriegseinsätze plädiert, dann verliert er selbst jedwede Glaubwürdigkeit.
Auch wenn ich jetzt im Bundestag arbeite, interessiere ich mich natürlich auch nach wie vor sehr für das, was hier in Sachsen passiert.
Vor zwei Wochen traf ich den früheren Ministerpräsidenten Georg Milbradt im Zug von Berlin nach Dresden. Er hat mich keines Blickes gewürdigt, ja nicht einmal mein „Guten Tag“ erwidert. Damit kann ich leben, schließlich haben wir als Linke im Landtag, habe auch ich persönlich wegen des Landesbank-Desasters mit Nachdruck seinen Rücktritt gefordert.
Womit ich nur schwer leben kann, ist allerdings die Tatsache, dass bis zum heutigen Tag kein einziger der zuständigen Politiker strafrechtlich oder wenigstens materiell zur Verantwortung gezogen, weder der damalige Ministerpräsident noch sein Finanzminister und auch nicht die Mitglieder des Verwaltungsrates. Für mich ist das nach wie vor ein Skandal!
Die sächsische Staatseegierung hat inzwischen für Gutachten, Vergleiche, Klageverfahren und Rechtsanwaltskosten einen dreistelligen Millionenbetrag ausgegeben, weit mehr als sie durch so genannte freiwillige Zahlungen einiger Manager eingenommen hat. Es ist also so gekommen, wie wir es von Anfang an vermutet haben: Sachsen bleibt am Ende auf den gesamten Kosten des Zusammenbruchs der Landesbank sitzen, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler werden alles in allem fast 4 Milliarden Euro an Schadenssumme zu tragen haben.
Schadensersatzklagen gegen die durchweg CDU-hörigen Bankmanager sind gescheitert, weil die zuständige Staatsanwältin angeblich vergaß, ein Berufungsschreiben an das zuständige Landgericht persönlich zu unterschreiben.
Die existierende Manager-Haftpflichtversicherung der Landesbank, die die Freistaat zumindest einen hohen zweistelligen Millionenbetrag hätte bringen, kam nicht oder zumindest nicht in vollem Umfang zum Zuge, weil die Staatsregierung schlichtweg versäumte, den Eigentümerwechsel an die Landesbank Baden–Württemberg gemäß den Geschäftsbedingungen offiziell an die Versicherung zu melden.
Ich frage: Von was für Dilettanten werden wir eigentlich regiert?
Zu diesen Dilettanten gehört auch der stellvertretende Ministerpräsident unseres schönes Bundeslandes Sven Morlock, jedenfalls bis Ende August noch. In die Geschichte eingehen wird der Mann nicht durch seine Politik, schon gar nicht durch kluge Entscheidungen, sondern wohl vor allem durch seine wahnwitzige Idee, Pendler an der Autobahnraststätte zu belästigen und ihnen kostenlose Eierschecken anzubieten, um sie zur Rückkehr nach Sachsen zu bewegen.
Einen adäquaten Arbeitsplatz hatte er übrigens nicht im Gepäck. Beim zweiten Autobahn-Date bot er den sächsischen Pendlern dann allen Ernstes einen kostenlosen Toilettenbesuch an.
Primitiver geht es wohl kaum. Wäre ich Herrn Morlock auf ein so einer Tour begegnet, hätte ich ernsthaft an Auswanderung gedacht.
Das hätte mir aber auch nichts genutzt, denn Herr Morlock kann ja nicht genug bekommen und sucht uns nun mehr auch in Berlin heim. Da die FDP aus dem Bundestag geflogen ist und auch nur noch einer Landesregierung angehört, ist Morlock als Mitglied es Bundesrates der einzige Liberale, der momentan noch im Bundestag reden darf. Das hat er inzwischen mehrfach getan und dabei gegen die Rentenpolitik ebenso gewettert wie gegen den gesetzlichen Mindestlohn. So warf er der Koalition zum Beispiel die Ausplünderung der Rentenkassen vor. Dabei vergaß er offenbar, dass er in Dresden noch immer mit der Partei von Kanzlerin Merkel koaliert. Besonders pikant wurde das Ganze noch dadurch, dass Morlocks Redezeit, in der er die CDU frontal angriff, der Union angerechnet wurde, weil sie in Sachsen mit der FDP koaliert und diese im Bundestag nicht mehr vertreten ist.
In jedem anderen Bundesland hätte der Ministerpräsident seinem Stellvertreter derartige Auftritte schlichtweg untersagt, doch selbst dazu fehlt Herrn Tillich ganz offensichtlich das Format.
Deshalb sage ich: Es wird allerhöchste Zeit, dass die FDP auch aus dem Sächsischen Landtag verschwindet.
Wenn ich über Morloks skurrile Auftritte im Bundestag berichtet habe, dann bin ich auch gleich bei der Politik der so genannten GroKo, der von CDU/CSU und SPD gebildeten Großen Koalition. Im Januar hat Bundeskanzlerin Merkel nach den längsten Koalitionsverhandlungen in der Geschichte der Bundesrepublik ihre Regierungserklärung abgegeben.
Lasst mich dazu zunächst einmal mit einem Zitat aus dem Berliner „Tagesspiegel“ beginnen, der den Auftritt von Frau Merkel bewertet hat.
Die nächsten Sätze sind also nicht von mir, sondern von einer renommierten Zeitung, die nun wahrlich alles andere als ein linkes Kampfblatt ist, und darin konnte man lesen (Zitat):
„Erich Honecker ist auferstanden. Der Vorsitzende des Staatsrates der DDR und Generalsekretär des Zentralkomitees der SED tauchte am Mittwoch im Bundestag als Untoter auf – zumindest als untote historische Figur. ‚Der Mensch steht im Mittelpunkt’, rief da Angela Merkel, aufgewachsen in der Deutschen Demokratischen Republik – und die ganz große Koalition applaudierte nach der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland minutenlang.
Es fehlte nur noch das rhythmische Klatschen, das man aus der Volkskammer im inzwischen abgerissenen Palast der Republik kannte, und es wäre vielleicht (doch) ein paar Leuten im Lande aufgefallen: Der Satz stammt von Erich Honecker.“ Ende des Zitats aus dem „Tagesspiegel“.
Das nenne ich doch wirklich mal eine interessante Berichterstattung.
Und in der Tat, die Rede der Bundeskanzlerin strotzte nur so vor Allgemeinplätzen und Plattitüden, dass man sich unweigerlich an vergangene Zeiten erinnert fühlte.
Wer die realen Sorgen und Nöte vieler Menschen bei uns kennt und jetzt die Regierungserklärung von Frau Merkel gehört hat, der musste denken, dass sie von einem anderen Land gesprochen hat. Was war da nicht alles zu hören: Die Wirtschaft wächst, die Beschäftigung ist auf dem höchsten Niveau, die Menschen schauen optimistisch in die Zukunft. Deutschland sei Wachstumsmotor und Stabilitätsanker in Europa und habe eine Regierung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt.
Ist es denn wirklich im Interesse der Menschen, das Deutschland nach wie vor drittgrößter Rüstungsexporteur der Welt ist und die Bundeswehr in immer neue Kriegseinsätze schicken will?
Warum kommen immer mehr ältere Menschen mit ihrer Rente nicht über die Runden, warum wächst im Osten fast jedes vierte Kind in Hartz-IV-Haushalten auf und warum werden die Schlangen an den Essensausgaben der Tafeln immer länger? Was tut die Bundesregierung für bezahlbare Strompreise und gegen die Ausspähung weiter Teile der Bevölkerung durch in- und ausländische Geheimdienste? Diese und viele andere Themen wurden im Bundestag in der Aussprache zur Regierungserklärung allein durch DIE LINKE angesprochen.
Auf eine schönfärberische Rede der Kanzlerin reagierten wir mit klarer Kritik und konkreten Alternativen zur herrschenden Politik.
Unsere Positionen zu den erstgenannten Fragen sind ganz klar: Wir wollen ein Verbot sämtlicher Rüstungsexporte! Wir lehnen neue Auslandeinsätze der Bundeswehr entschieden ab und fordern die schnellstmögliche Beendigung der laufenden Aktivitäten, also auch den unverzüglichen Rückzug der deutschen Truppen aus Afghanistan.
Ich muss mich heute schon aus Zeitgründen auf eine grundsätzliche Bewertung des Koalitionsvertrags beschränken.
Die längsten Koalitionsverhandlungen in der Geschichte der Bundesrepublik mit dem wahrscheinlich längsten Finale (Stichwort: Mitgliederentscheid der SPD) haben ein erbärmliches Ergebnis gebracht: Eine Koalition, die die soziale Spaltung im Land vertieft und lobbyhörig ist. Die Koalition von CDU/CSU und SPD ist nicht nur von dem Politikwechsel, den die SPD im Wahlkampf versprochen hat, himmelweit entfernt, sondern sie setzt in weiten Teilen die Politik von Schwarz-Gelb fort, weil viele Themenbereiche gar nicht angefasst wurden, z.B. in der Steuerpolitik und in der Finanzmarktregulierung.
Dort, wo es leichte Kursänderungen gibt, sind diese nicht weitgehend und konsequent genug. Der Osten wird weiterhin in vielen Punkten massiv benachteiligt.
Nahezu jedem positiven Ansatz folgt der Pferdefuß. Ja, es wird wohl einen Mindestlohn von 8,50 Euro geben, aber gestreckt über mehrere Jahre und mit einem Einfallstor für zahlreiche Ausnahmen.
Ja, es kommt die Mütterrente, aber Kinder die nach 1992 geboren wurden, sind bei der Rente immer noch ein Drittel weniger wert und finanzieren sollen es allein die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler der Rentenversicherung, in die Beamte, Freiberufler und auch Politiker nicht einzahlen müssen.
Ja, es wird eine höhere Rente für Geringverdiener geben und die Möglichkeit, nach 45 Beitragsjahren schon mit 63 abschlagsfrei in Rente zu gehen, aber die Zugangsbedingungen sind für viele faktisch unerreichbar.
Gregor Gysi hat in seiner Rede noch auf einen anderen ebenso bemerkenswerten wie erschreckenden Umstand hingewiesen: Die finanziell untere Hälfte der Bevölkerung – also insgesamt 40 Millionen – besitzt ein Prozent des Vermögens in der Bundesrepublik. 0,65 Prozent der Gesamtbevölkerung besitzen 20 Prozent des Vermögens, also ca. zwei Billionen Euro. Das kann und das darf so nicht bleiben! Deshalb brauchen wir eine Millionärssteuer und deshalb brauchen wir eine Anhebung des Spitzensteuersatzes, damit nicht länger die so genannte „Mitte der Gesellschaft“ nahezu alles bezahlt.
Kein einziges Wort findet sich im Vertrag zu Volksentscheiden auf Bundesebene oder einem schnellstmöglichen Ende des Kooperationsverbotes in der Bildung. Anderes, so die längst überfällige Ost-West-Rentenangleichung, wird auf die lange Bank geschoben.
Große Koalition, kleine Veränderungen – so lässt sich die Vereinbarung von CDU/CSU und SPD wohl am besten zusammenfassen.
Ein anderes Thema beschäftigt die Menschen in diesem Land nun schon seit Monaten. Ich meine die NSA-Affäre. Deshalb will ich auch dazu einige Anmerkungen machen.
Gregor Gysi hat in seiner Erwiderungsrede auf die Bundeskanzlerin darauf aufmerksam gemacht, dass wir dank Edward Snowden ja nunmehr wissen, dass sage und schreibe 80 Prozent aller Übermittlungen per Internet, Handy, SMS oder über soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter abgehört und kontrolliert werden, auch und gerade durch Geheimdienste der Vereinigten Staaten von Amerika. Ich finde, diese Praxis muss sofort beendet werden. Es geht eben nicht nur um das Handy der Kanzlerin, sondern um Millionen im Regelfall völlig unbescholtener Bürgerinnen und Bürger in diesem Land.
Die Auftritte des damaligen Bundesinnenministers Friedrich In Washington waren einfach nur peinlich. Er ließ sich mit Halbwahrheiten und Falschaussagen abspeisen anstatt ganz klar Korrekturen von den Amerikanern einzufordern. Ich meine: Der Mann hätte wegen dieses Versagens zurücktreten sollen und nicht wegen seiner Plaudereien über die Vorwürde gegen den SPD-Politiker Edathy.
Gregor Gysi hat es auf den Punkt gebracht, als er am Mittwoch in Richtung der Bundesregierung sagte: „Wenn Sie Ihre Unterwürfigkeit gegenüber den USA nicht aufgeben, gibt es keine Partnerschaft und keine Freundschaft.“
Das Thema Geheimdienstkontrolle wird mich in den nächsten Jahren ja ganz sicher weiter beschäftigen. Ich bin im Januar im Bundestag in geheimer Wahl in das dafür zuständige Parlamentarische Kontrollgremium gewählt worden, und habe dabei nicht nur die erforderliche „Kanzlermehrheit“ erreicht, sondern sogar auch mehr Stimmen bekommen als Hans-Christian Ströbele von den Grünen.
Das mag daran liegen, dass mich viele CDU-Leute noch nicht kennen, aber ich verspreche Euch: Sie werden mich kennenlernen!
Ich bin nun also gewählt und damit einer von neun Mitglieder des mehr als 600-köpfigen Bundestages, der die Geheimdienste kontrollieren soll, wenn sie sich denn kontrollieren lassen, woran ich nicht zuletzt nach meinen Erfahrungen in Sachsen erhebliche Zweifel habe.
Für einige Kollegen von CDU und SPD gibt es nun allerdings ein echtes Problem. Die geltende Geschäftsordnung des Gremiums sieht nämlich vor, dass der Vorsitz der Kommission jährlich zwischen Mehrheit und Opposition wechselt.
Das bedeutet, dass jetzt die CDU den Vorsitz übernimmt, im Jahr 2015 aber ich dem Gremium vorstehen würden. Ein Linker als Chef der Kontrollinstanz über alle Geheimdienste der Bundesrepublik, also über den Bundesnachrichtendienst (BND), das Bundesamt für Verfassungsschutz und den Militärischen Abschirmdienst (MAD) – das ist nicht nur für die Koalition, sondern vor allem für die Nachrichten-Dienste offenbar eine Horror-Vorstellung. So etwas hat es in Deutschland noch nie gegeben.
Deshalb gab es Pläne, die bislang geltenden Regularien dahingehend zu ändern, dass der Ausschussvorsitz nicht mehr jährlich wechselt und nur noch die regierungstragenden Fraktionen dafür in Frage kommen. Die Entscheidung erfolgt noch in diesem Monat – man darf gespannt sein. Ich frage: Wovor haben CDU und SPD eigentlich Angst?
Aber vielleicht wissen sie ja, dass mit mir nicht zu Spaßen ist und ich mich nicht mit halbherzigen Antworten abspeisen lasse. Das gilt natürlich auch für den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre, der aus meiner Sicht unbedingt eingesetzt werden muss.
Auch ein anderes Thema beschäftigt die Menschen im Land sehr, wie man an den Leserbriefseiten der Tageszeitungen erkennt, ich meine die jüngst von CDU/CSU und SPD beschlossene Erhöhung der Abgeordnetenbezüge.
Binnen weniger Monate die Diäten zum 1.1.2015 um satte 830 Euro im Monat anzuheben, ist schlichtweg unanständig und angesichts der allgemeinen Einkommensentwicklung niemandem vermittelbar.
Deshalb haben wir als LINKE im Bundestag dagegen gestimmt. Da wir die zusätzlichen Gelder nun aber dennoch bekommen werden, hat die Fraktion sich darauf verständigt, aus dieser Erhöhung 100.000 Euro für die 15 SOS-Kinderdörfer in Deutschland zu spenden.
Darüber hinaus spenden die Abgeordneten Monat für Monat insgesamt 12.000 in einen Spendenfonds des Fraktionsvereins, aus dem soziale, politische und kulturelle Projekte im Land unterstützt werden. Dies ist ein klares Signal dafür, dass wir uns das Geld nicht einfach in die Tasche stecken, sondern Gutes damit tun, und deshalb sollte man auch darüber reden.
Ganz zum Schluss noch etwas vermeintlich Unpolitisches. Im September 2009, also vor knapp fünf Jahren war ich als damaliger Fraktionsvorsitzender bei meinem Amtsvorgänger Peter Porsch zu Gast, um ihm zum 65. Geburtstag zu gratulieren.
Pünktlich zum Jubiläum hatte er Post von seiner Versicherung bekommen. Ich nenne aus Datenschutzgründen hier nicht den Namen, aber es ist jene, die im Fernsehen immer mit einem gewissen Herrn Kaiser geworben hat.
In dem Schreiben anlässlich seines Geburtstages, dessen Kopie mir dieser Tage beim Büroumzug, wieder in die Hände fiel, hieß es u.a.: „Wer wie Sie auf viele Jahre Lebenserfahrung zurückblicken kann, weiß auch, wie nah unbeschwerte und … belastende Tage in der Familie beisammen liegen können. Besonders wenn man einen Menschen lieb gewonnen hat und dann doch einmal Abschied nehmen muss, weil eben niemand ewig lebt…. Hand aufs Herz: Haben Sie dafür gesorgt, dass Ihre Angehörigen im Fall des Falles von belastenden (Kosten) für eine Bestattung freigehalten werden?
Ersparen Sie sich und Ihren Angehörigen solche Diskussionen und sorgen Sie mit einer Sterbegeldversicherung rechtzeitig vor!“
Das ist kein Scherz – ich habe den Brief im Original gesehen!
Ich kann mir nicht helfen: Irgendwie ist unsere Gesellschaft in vielen Bereichen ziemlich krank. Wir wollen eine andere, eine solidarische Gesellschaft, in der es solche Schreiben nicht mehr gibt. Bis dahin ist es ein langer Weg, aber wir haben die Kraft und auch die Ausdauer, ihn zu gehen.
George Bernhard Shaw hat einmal gesagt: „Demokratie ist ein Verfahren, das garantiert, dass wir nicht besser regiert werden, als wir es verdienen.“ Ich bin sicher, immer mehr Menschen in diesem Land spüren: Sachsen hat besseres verdient als Stanislaw Tillich und seine CDU! Der sicherste Weg zur Ablösung der Union ist eine starke LINKE. Packen wir es an!
Liebe Närrinnen und Narren,
ich komme jetzt zum Ende und will dabei nun doch einmal auf den Reim zurückgreifen:
Für Politik gilt, hört man lästern,
was schert mich mein Geschwätz von gestern.
Ich bin da anders, liebe Leut,
und drum schließ’ ich diese Rede heut
fast harrgenau wie vor zehn Jahr’.
Was damals galt, ist heut noch wahr.
Lasst uns um Wählerstimmen ringen
Und Politik zum Bürger bringen.
Und wenn Querelen weitergehn,
lasst uns nach andern Köpfen seh’n.
Und wer’s zu bunt treibt, warte, warte,
der sieht schon bald die Rote Karte.
Vielleicht gelingt uns dann der Coup:
Wir legen an Prozenten zu,
zieh’n stärker in die Parlamente ein.
Das müsste doch zu schaffen sein!
In diesem Sinne mach ich Schluss,
weil ich für andre weichen muss.
Ob mit, ob ohne Quotenfrau,
Euch allen ruf ich zu: Hellau!