Rede zum sächsischen Haushaltsentwurf der Staatsregierung für 2009/2010
116. Landtagssitzung, 10.09.2008
1. Lesung der Gesetzentwürfe der Staatsregierung in Drs 4/12989 und 4/12990
Rede zum sächsischen Haushaltsentwurf der Staatsregierung für 2009/2010
Herr Präsident,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
Herr Ministerpräsident,
mit Ihrem Amtsantritt haben viele Menschen in Sachsen Hoffnungen verbunden.
Sie, Herr Tillich, haben zudem mit Ihren ersten Erklärungen Erwartungen auf eine andere, eine bessere Politik für unser Land geweckt. Heute nun sind Sie gut 100 Tage im Amt, und ich komme nicht umhin festzustellen: Sie haben Ihre Chance nicht genutzt! Sie haben Hoffnungen enttäuscht und geweckte Erwartungen nicht erfüllt.
Ich will gern einräumen, dass Sie bislang noch keine gravierenden Fehler gemacht haben, aber Fehler unterlaufen bekanntlich auch nur jemandem, der überhaupt etwas macht. Wenn man die Leute im Freistaat befragen würde, was denn der neue Regierungschef bislang praktisch zuwege gebracht hat, dann würde wohl kaum jemandem etwas einfallen.
Sie, Herr Tillich, sind ein Ministerpräsident der Ankündigungen, nicht aber der konkreten Taten, doch genau daran werden Sie im kommenden Jahr gemessen werden.
Ich werde darauf im Einzelnen noch zurückkommen.
Lassen Sie mich eingangs nur auf einige wenige Punkte verweisen: Herr Tillich hat kurz nach seinem Amtsantritt beispielsweise einen verbesserten Betreuungsschlüssel für die Kindertagesstätten angekündigt.
Die Absenkung von 1:13 auf 1:12 ist natürlich nicht falsch, aber damit wird nur zu einem Standard zurückgekehrt, den wir in früheren Jahren schon einmal hatten.
Besonders abstrus wird das Ganze aber dadurch, dass die Regierung beabsichtigt, den der Hauptteil der Kosten für diese durchaus vernünftige Maßnahme auf die Kommunen abzuwälzen, die ihrerseits vielfach nicht umhin kommen werden, die Elternbeiträge entsprechend zu erhöhen. Das aber wäre das völlig falsche Signal, und ich bin der neuen Sozialministerin, Frau Kollegin Clauß, dankbar dafür, dass sich in ihrem kürzlichen SZ-Interview gegen höhere Elternbeiträge ausgesprochen hat. Wenn sie es damit ernst meint, dann darf sie aber dem vorliegenden Haushaltsentwurf auf keinen Fall zustimmen.
Der neue Ministerpräsident hatte versprochen, als erstes und möglichst bald unsere Nachbarn in Polen und Tschechien zu besuchen. Geschehen ist diesbezüglich bisher nichts. Für den Papst in Rom aber hat Herr Tillich offenbar Zeit gefunden.
Der neue Ministerpräsident hatte in seiner ersten Erklärung nach der Nominierung einen anderen Umgang mit der Opposition angekündigt. Ich habe heute noch einmal die Post in meinem Büro durchsehen lassen, ein förmliches Gesprächsangebot ist bis dato noch nicht eingegangen.
Und schließlich hat es Herr Tillich auch nicht geschafft, Ordnung in seine Chaos-Koalition zu bringen.CDU und SPD konnten sich über Monate hinweg nicht mal auf einen Termin für die Landtagswahlen einigen. Was soll da erst in den bevorstehenden Haushaltsberatungen werden? Für den Rest der Wahlperiode lässt all das nichts Gutes erwarten.
Herr Ministerpräsident, Sie haben in Ihrer Regierungserklärung im Juni drei Prämissen benannt, nämlich Arbeit, Bildung und Solidarität. Sie müssen sich gefallen lassen, dass wir Ihren Haushaltsentwurf genau daran messen.
Nehmen wir also zunächst das Thema Arbeit. Wir alle freuen uns natürlich, wenn die offiziellen Arbeitslosenzahlen zurückgehen, aber Fakt ist:
Die allermeisten neuen Arbeitsplätze sind nicht auf Dauer gesichert, sind geringfügige Beschäftigungsverhältnisse oder Ein-Euro-Jobs. Was wir stattdessen brauchen, sind gute Arbeit und auskömmliche Löhne. Dazu aber ist vom Ministerpräsidenten nichts zu hören.
Bereits in meiner Erwiderung auf die Regierungserklärung habe ich darauf hingewiesen, dass der CDU/SPD-Koalition abgesehen vom umstrittenen Kommunal-Kombi bislang keine neuen arbeitsmarktpolitischen Instrumente eingefallen sind. Der vorliegende Haushaltsentwurf hat diese Bewertung bestätigt.
Schon vor über fünf Jahren wurde im Landesentwicklungsplan ein Leitbild für den Freistaat Sachsen formuliert, in dem es heißt: „Der Freistaat Sachsen ist als attraktiver Lebens-, Kultur- und Wirtschaftsraum in einem zusammenwachsenden Europa modern und zukunftsfähig weiter zu entwickeln.”
Seit der Formulierung dieses Leitbildes hat sich nicht viel getan. Eher halten die negativen Trends unvermindert an.
Dies betrifft vor allem das Ausmaß der Abwanderung, aber auch die Bedeutung Sachsens als attraktiver Lebensraum für alle Bürgerinnen und Bürger.
Insbesondere die Empfängerinnen und Empfänger von Hartz IV werden die Attraktivität des sächsischen Lebensraumes zunehmend in Frage stellen.
Über Jahre wurde versäumt, Gegenstrategien für die gravierendsten Probleme der Landesentwicklung anzupacken.
Ich nenne hier nur das Ausbluten ganzer Regionen, den immer stärker werdenden Fachkräftemangel, die Potenzierung des Geburtendefizits und die Gefährdung der sozialen Sicherungssysteme.
Diese Probleme lassen sich nicht dadurch lösen, einen neuen Ministerpräsidenten zu wählen und die Regierungsmannschaft umzuformieren. Meine Damen und Herren von CDU und SPD, Herr Tillich und Herr Jurk, es ist zu befürchten, dass Sie das, was Sie in den letzten vier Jahren nicht geleistet haben, auch in der Ihnen noch verbleibenden Zeit nicht schaffen werden.
Der Haushaltsentwurf jedenfalls gibt auf die drängenden Fragen die falschen oder gar keine Antworten.
Wir als LINKE haben Ihnen aus der Opposition heraus in den letzten zehn Jahren immer wieder Vorschläge unterbreitet und Konzepte vorgelegt, wie der absehbare Negativtrend in Sachsen umkehrbar wäre. Sie haben dies ignoriert. Ich erinnere Sie an die Vorlage von vier Alternativen Haushaltsansätzen, des Alternativen Landesentwicklungskonzeptes ALEKSA, unseres modernen Förderprofils, unserer verschiedenen Gesetzentwürfe, die sich immer wieder speziell dieser Thematik annahmen.
* Wir wollten die Wirtschaftsförderung umsteuern: hin zu einer Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen und strukturschwacher Räume.
* Wir haben Ihnen eine Kommission zur Ermittlung des Fachkräftebedarfs vorgeschlagen;
* Wir haben Initiativen zur Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West unterbreitet. Sie wissen, dies liegt uns als LINKEN seit langem am Herzen.
* Wir forderten Veränderungen in der Ausbildungspolitik: die ist in Sachsen seit Jahren eine einzige Katastrophe.
Nicht genug damit, dass nach wie vor ein erheblicher Überhang von Altbewerbern besteht und die Fördergelder kontinuierlich herunter gefahren werden.
Mit staatlichen Geldern wurden zudem viele junge Menschen quasi direkt für die Arbeitslosigkeit ausgebildet, weil die entsprechenden Ausbildungsgänge im außerbetrieblichen Bereich für sie die billigsten waren.
Zugleich hat die Regierung Unternehmen im Bereich der Zukunftstechnologien gefördert, die heute händeringend Fachkräfte suchen. Entweder kaufen sie sich diese Fachkräfte nun teuer ein – oder die Firmen wandern ab. Und das alles nur deshalb, weil die Förderpolitik für Unternehmen nicht mit der für Ausbildung abgeglichen wurde. Investitionen in die Ausbildung für zukunftsweisende Berufe, gepaart mit einer verbesserten Berufsorientierung gerade auch für junge Frauen:
das wäre eine wirklich sinnvolle Maßnahme gegen die Abwanderung gewesen.
Eine IHK-Studie brachte vor kurzem ans Licht, dass die kleinen und mittelständischen Unternehmen in Sachsen nach wie vor beachtenswerte Anstrengungen an den Tag legen, um auszubilden. Gerade die kleinsten Unternehmen in den strukturschwachen Gebieten haben bewiesen, dass sie sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst sind. Wenn man sich vor Augen hält, dass die Betriebe in allen Lausitzer Alt-Landkreisen weitaus mehr bereit sind, auszubilden als die Großkonzerne im Raum Dresden, dann wirft das Fragen nach der Wirtschaftspolitik des Freistaates auf:
War und ist es nicht so, dass sich die Förderpolitik auf die Entwicklung beispielsweise des Mikroelektronikstandortes Dresden konzentriert hat?
Millionen, ja Milliarden an Steuergeldern sind dafür investiert worden. Nun, nach gerade 15 Jahren, ist die Zukunft von Saxony Valley ungewiss.
Meine Damen und Herren, Verträge über Fördermittel mit den Großkonzernen dürfen eben nicht nur „rote Teppiche” enthalten, sondern sie brauchen auch konkrete Vereinbarungen über die Schaffung von Ausbildungsplätzen!
Genau dies ist offensichtlich versäumt worden. Deshalb fordern wir hier umgehend ein Umsteuern.
Sehr geehrte Damen und Herren, Herr Ministerpräsident Tillich, wir haben es mit tief greifenden, die Gesellschaft umwälzenden Problemen zu tun. Nicht die eine oder andere Einzelmaßnahme kann dabei Abhilfe schaffen, sondern nur ein bewusstes Handeln auf allen Gebieten, die politische Entscheidungen erforderlich machen.
Wir müssen begreifen, dass wir mit jedwedem Handeln, ob bei der Verkehrspolitik oder im Zusammenhang mit der sozialen Infrastruktur wie eben auch bei der Bildungspolitik, Pflöcke für oder gegen die Abwanderung, für oder gegen Zuwanderung einschlagen können.
Gelegentlich wurde in diesem Hohen Haus ein Abwanderungsgipfel vorgeschlagen.
Bis heute wurde er nicht durchgeführt. Warum bereiten Sie, Herr Tillich, jetzt, wo die Enquetekommission des Landtags zum demografischen Wandel kurz vor Abschluss ihrer Tätigkeit steht, nicht gemeinsam mit uns einen Zuwanderungsgipfel für Sachsen vor? Zuwanderung ist langfristig gesehen der einzige Ansatz, um mit den genannten Problemstellungen fertig zu werden.
Wenn man das aber ernst meint, muss man sich über jede junge Frau, jeden jungen Mann freuen, der hierher nach Sachsen zu kommen bereit ist. Doch dafür sind attraktive Arbeitsplätze, ein soziales sowie kulturelles Umfeld und echte Zukunftschancen vonnöten.
Gerade auch aus diesem Grund ist eine Politik gefragt, die zum einen versucht, Menschen im Land, in den Regionen zu halten, und zugleich versucht, zusätzlich Menschen in das Land zu holen, ihnen Lebensperspektiven zu bieten. Wir brauchen eine Politik, die auf regionale Steuerung, regionale Verantwortung und regionale Akteure setzt. Nicht zuletzt, weil es mit einem solchen Ansatz auch möglich ist, mit adäquaten Angeboten auf soziale Probleme vor Ort so zu reagieren, dass soziale Folgekosten sinken und nicht steigen.
Im Prozess des demografischen Wandels verstehen wir LINKEN uns als Anwalt der dauerhaft in den strukturschwachen Regionen lebenden Menschen. Die Fundamentierung des gegenwärtigen Zustandes, der zwischen prosperierenden und abgehängten Regionen unterscheidet, darf nicht zugelassen werden.
Die Herausforderung, die vor denjenigen steht, die sich mit den „vergessenen” Regionen nicht abfinden wollen, besteht darin, eine realistische Perspektive für die von den Metropolen entfernten Gebieten mit niedrigerem Bevölkerungsniveau zu entwickeln. Dies werden Konzepte sein müssen, die der Realität des für diese Regionen typischen Bevölkerungsrückgangs, insbesondere der Überalterung und des rückläufigen Qualifikationsniveaus, Rechnung tragen.
Die Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge ist dabei der wesentlichste Aspekt, der neue Lösungen (z. B. flexibilisierter und regional angepasster Infrastrukturen) erfordert. Bildung, medizinische Versorgung, der ÖPNV und die Versorgung mit Energie und Wasser sowie der Entsorgung von Abwasser und Abfall müssen für die Menschen in diesen Regionen dauerhaft gewährleistet werden. Wie dies unter den Bedingungen minderausgelasteter Infrastrukturen geschehen kann, ist eine elementare Frage der innerstaatlichen Solidarbereitschaft. Dafür bedarf es sowohl in den Zentren als auch in den zurückbleibenden Regionen gegenseitigen Verständnisses. Dass der Status quo nicht einfach fortgeschrieben werden kann, steht dabei außer Zweifel.
Sachsen hat über Jahre hinweg und viel zu lange vor allem auf so genannte „Leuchttürme” gesetzt. Nur ein Beispiel: AMD und Infineon haben mit ca. 3 Mrd. Euro Fördermitteln über 6.000 direkte Arbeitsplätze geschaffen, weitere 15.000 bei Dienstleistern und Zulieferern. Eine einfache Rechnung zeigt: Wir bräuchten mindestens 50 weitere Leuchttürme, um der Arbeitslosigkeit im Land Herr zu werden.
Allerdings wird man mit den von der Wirtschaft und der CDU gleichzeitig geforderten Niedriglöhnen keine auf dem Weltmarkt konkurrenzfähigen Technologien und Produkte mehr entwickeln können.
Die Politiker fordern mehr Flexibilität der Verwaltung. Doch BMW hatte in Leipzig kein Grund zur Klage.
Weder bei den Arbeitszeitverhandlungen mit den Gewerkschaften, noch bei der Genehmigung durch die Stadt Leipzig. Schon heute wird im Osten fast alles möglich gemacht.
Unmöglich dagegen machen sich viele Politiker. Wieso hat jede Stadt, jeder Landkreis, jede Region ihren eigenen Wirtschaftsförderer? Solcherart Konkurrenz treibt letztlich nur die eingeforderten Subventionen in die Höhe.
Wieso fahren drei ostdeutsche Ministerpräsidenten innerhalb von fünf Monaten in die USA, um dann dort fast die gleichen Leute und Unternehmen zu besuchen? Ihnen geht es vor allem um den Bericht in den Zeitungen ihres Landes und um die Bilder in ihrem Heimatsender. Jeder Strohhalm wird ergriffen, um medienträchtig Kompetenz zu demonstrieren.
Während für Unternehmen das Geld fließt, wird den „Leuchttürmen des Wissens”, den Universitäten, der Strom abgedreht, werden Stellen und Mittel gestrichen.
Haushaltsperren torpedieren jede Planung sowie kontinuierliche Entwicklung und auch der aktuelle Etatentwurf setzt hier keine wesentlich neuen Signale.
Förder- und Haushaltspolitik sind natürlich Machtpolitik. Und bei dieser Machtausübung will sich die von der CDU geführte Staatsregierung möglichst wenig kontrollieren lassen. Förderpolitik dient dazu, sich selbst in gutem Licht darzustellen, sich mit fremden Federn zu schmücken.
Hauptsache, man ist bei der Übergabe von Förderbescheiden und Einweihungen unter sich. CDUMinister, CDU-Landrat, CDU-Bürgermeister, CDU-Landtagsabgeordneter, und wenn es sich gar nicht vermeiden lässt, hin und wieder auch ein Sozialdemokrat. So sah es bisher bei jeder Straßeneröffnung aus.
Diejenigen, die die Straße planten, projektierten, bauten, zahlten, sind auf den Bildern selten zu sehen.
Aber es ist natürlich ein Irrglaube, dass die Staatsregierung, die Bundesregierung, die EU dies bezahlt haben. Bezahlt haben es die Steuerzahler. Die zuständigen Politiker haben nur die Entscheidung getroffen, die Gelder dafür zu bewilligen, und selbst geschah oft nach nicht nachvollziehbaren Kriterien.
Wirtschaftspolitik heißt für uns nicht nur, Förderprogramme für Unternehmen aufzulegen. Im laufenden Haushalt sind mit ca. 600 Mio. Euro für die Wirtschaftsförderung fast ebenso viele Mittel eingestellt wie für die Hochschulen, Universitäten, Fachhochschulen, Berufsakademien und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zusammen.
In anderen Ländern hat man schon längst umgedacht. Dort werden Wissenschaft und Forschung verstärkt gefördert. Dies geschieht an ausgewählten Standorten, um die herum sich dann auch neue Unternehmen ansiedeln. Ich betrachte es als ein positives Zeichen, dass im neuen Haushaltsentwurf Umschichtungen zugunsten der Hochschulen vorgenommen wurden.
Bislang hat die sächsische Regierung immer wieder negative Signale gesetzt:
Mehr als 1.000 Schulen wurden geschlossen. Die Mittel für Volkshochschulen wurden reduziert. Einer Stellenstreichung an den Hochschulen folgte die nächste. Die Mittel für die Technologiezentren sowie die Forschungs-GmbHs wurden gekürzt, obwohl die ursprünglich angestrebten Effekte zumeist nicht erreicht wurden. Zwei Drittel der Technologieförderung ging nach Dresden, andere Regionen wurden abgehängt. Was wir brauchen, ist eine neue Haushalts- und insbesondere eine neue Förderpolitik.
Eine erste grundsätzliche Veränderung, die wir in der Haushaltspolitik anstreben, besteht darin, über den Sinn von Zukunftsinvestitionen neu nachzudenken. Nicht alle im betriebs- oder volkswirtschaftlichen Sinne so bezeichneten „investiven Ausgaben” sind auch Zukunftsinvestitionen.
Die zweite grundsätzliche Veränderung ist das Setzen von strategischen Schwerpunkten – wiederum nach dem Maßstab der Bedeutung für die Zukunftsentwicklung des Landes. Haushaltsstrategisch müssen wir von der kleinteiligen Sicht auf Hunderte und Tausende Einzelposten – separiert durch die Haushaltshoheit der einzelnen Ministerien – wegkommen und uns fragen, wo die wirklichen Schwerpunkte für die Entwicklung des Landes liegen.
Drittens bedarf auch die Förderpolitik des Landes einer tief greifenden Umstrukturierung in die Richtung einer Bündelung von Förderinstrumenten auf zukunftsfähige Schwerpunkte, darunter umfassender als bisher auf die Verknüpfung von Wissenschaft und innovativen Technologien. Sie muss durch eine systematische Evaluierung der Förderprogramme flankiert werden, deren wichtigster Maßstab die erreichten Ergebnisse und Wirkungen der Förderungen sind. Es kann nicht so bleiben, dass ein Förderziel als erreicht angesehen wird, wenn die Fördermittel abgeflossen sind.
Den vierten Punkt sehen wir darin, das verfassungsmäßige Budgetrecht des Landtages, also der Legislative, auszubauen und neu auszufüllen. Unsere alternative Vorstellung ist nicht die einer kleinlichen Bevormundung der Exekutive, sondern der Aufbau eines Systems von Zielvereinbarungen, in denen die Schwerpunkte und erwarteten Ergebnisse des Einsatzes öffentlicher Mittel enthalten sind.
Dies muss mit dem Aufbau eines wirkungsvollen Controllings des Haushaltsvollzugs verbunden werden.
Und fünftens streben wir strategisch an, die eigene Verantwortung und die Entscheidungsspielräume der regionalen und kommunalen Ebene über den Einsatz ihrer Mittel – auch und gerade in Erwartung grundlegender Strukturreformen der öffentlichen Hand – schrittweise bedeutend zu erweitern.
Meine Damen und Herren,
immer wieder wird betont, dass Bildung, Wissenschaft und Forschung wichtig für die Gesellschaft, insbesondere für den Erfolg der sächsischen Wirtschaft sind.
Alle reden von der Wissensgesellschaft oder der Informationsgesellschaft.
Doch es reicht nicht, eine Wissensgesellschaft nur zu postulieren. Dafür müssen auch die Grundlagen gelegt werden.
Es stimmt: Jährlich setzt der Freistaat viel Geld im Bildungsbereich ein: für Kitas, Schulen, Berufsausbildung und Hochschulen zusammen eine Summe von über drei Milliarden Euro. Das sind mehr als 20 Prozent des Landeshaushalts. Doch die Ergebnisse dieses Mitteleinsatzes halten einer kritischen Betrachtung nicht einmal ansatzweise stand.
Nach wie vor erlangen ca. 9 % eines Jahrgangs – das sind mehr als 4.000 Jugendliche – nicht mal einen Hauptschulabschluss. Das bedeutet: In 17 Jahren CDU-Regierung haben über 80.000 Jugendliche in Sachsen die Schule ohne Abschluss verlassen.
Viele Schüler mit Hauptschulabschluss wurden nach der Schule zudem mangels Lehrstellen im Berufsbildungsgrundjahr bzw. im berufsvorbereitenden Jahr geparkt, was den Steuerzahler Millionen gekostet hat.
Obwohl die finanziellen Rahmenbedingungen des Freistaates in den nächsten Jahren eher enger als weiter werden, gilt: Ausbildung und Qualifikation sind ohne Zweifel die Schlüsselressourcen im 21.Jahrhundert. Investitionen in Wissenschaft und Forschung sind daher Investitionen in die Zukunftsfähigkeit des Freistaates Sachsen.
Das notwendige lebenslange Lernen bedarf, um erfolgreich zu sein, einer Gesamtstrategie, und das heißt aus unserer Sicht einer Vernetzung von Reformen im Vorschul- und Schulbereich mit der Hochschulentwicklung.
„Aufstieg durch Bildung“ lautet die kürzlich vom Ministerpräsidenten ausgegebene Devise. Er tut damit so, als ob es lediglich von jedem Einzelnen abhänge, zu den Aufsteigern in dieser Gesellschaft zu gehören oder nicht. Wer sich richtig anstrenge, der schaffe es schon, in dieser Gesellschaft nach oben zu kommen.
Da möchte man doch vom MP gerne wissen, was er den vielen hoch qualifizierten Frauen antwortet, die nicht in diverse Spitzenämter gelangen, weil die traditionell eine Männerdomäne sind. Und was er dazu sagt, dass viele Frauen trotz gleich guter Qualifikation für dieselbe Arbeit noch immer schlechter entlohnt werden als ihre männlichen Kollegen. Und schließlich: Es sind doch nicht alle, die ohne Erwerbsarbeit auskommen müssen oder in Armut leben, ungebildet oder schlecht ausgebildet.
Was die Rede vom „Aufstieg durch Bildung“ so problematisch macht, ist ihre Ignoranz gegenüber gesellschaftlichen Zusammenhängen bzw. Strukturen, die das Gegenteil von dem bewirken, was vollmundig verkündet wird, denn sie behindern den „Aufstieg durch Bildung“ oder verhindern ihn gar. Das gegliederte Schulwesen gehört dazu.
Das Plädoyer des Ministerpräsidenten für die sogenannten Spätzünder in allen Ehren, doch er ignoriert das Kernproblem: Die Aufteilung der Schülerinnen und Schüler nach der vierten Klasse erfolgt viel zu früh. Sie legt die Heranwachsenden schon in jungen Jahren auf einen bestimmten Bildungsweg fest, der ebenso maßgeblich das weitere Leben prägt.
Das belegt die mangelnde Durchlässigkeit des sächsischen Schulwesens, die eher eine nach unten als nach oben ist. Statt daran herumzuexperimentieren, wäre es nur konsequent, endlich das längere gemeinsame Lernen einzuführen.
Der Kultusminister hat auf seiner Pressekonferenz zum Schuljahresbeginn behauptet, dass „die Unterrichtsversorgung in allen Schularten grundsätzlich gewährleistet“ sei. Daran hegen wir starke Zweifel. Ich nenne nur ein Beispiel:
Seit Jahren kann der Unterricht an den Berufsschulen nicht vollständig abgesichert werden.
Mindestens 250 zusätzliche Stellen werden benötigt.
DIE LINKE fordert vom Kultusminister, den Mangel an Lehrerinnen und Lehrern an den sächsischen Schulen umgehend abzustellen. Wir brauchen zur Absicherung des Unterrichts, der Schuleingangsphase und der Ganztagsangebote deutlich mehr Stellen für Pädagogen.
Mit dem vorliegenden Entwurf des Doppelhaushalts lässt sich die Vollzeitbeschäftigung der Lehrerinnen und Lehrer, wie sie Bezirkstarifvertrag und Grundschulvereinbarung vorsehen, definitiv nicht realisieren.
Der Haushalt widerspricht auch der Ankündigung des Kultusministers, gut ausgebildete Lehramtsanwärter im Freistaat Sachen halten zu wollen. Denn dieser sieht einen extremen Abbau gerade im Bereich der Referendare vor.
452 Stellen sollen hier gestrichen werden. Betroffen sind davon alle Schularten. DIE LINKE fordert keine Absenkung, sondern eine Erhöhung der Stellen für Referendare, um den künftigen Bedarf an Lehrkräften in Sachsen zu sichern und die längst überfällige Verjüngung der Lehrerschaft einzuleiten.
Im Widerspruch zur Devise „Aufstieg durch Bildung“ steht auch die Weiterbildung. Bei der Pro-Kopf-Förderung im Bereich der Volkshochschulen steht Sachsen bundesweit an vorletzter Stelle. Für DIE LINKE steht deshalb fest: Wir brauchen endlich eine Erhöhung der Mittel für die Volkshochschulen.
Im Juli brachte die Staatsregierung nach langem Hin und Her in der Koalition und unter den hochschulpolitischen Akteuren in erster Lesung den Entwurf für ein neues Hochschulgesetz ins Parlament ein.
In einer Situation struktureller Unterfinanzierung der Hochschulen wollen CDU und SPD die demokratische Mitbestimmung einschränken und Entscheidungsstrukturen zentralisieren. Wir halten das für den falschen Weg!
Ein großes Manko ist zudem das Festhalten am Hochschulkonsens ohne ausdrückliche Rücknahme der darin enthaltenen Stellenkürzungen. Wir als LINKE fordern den Erhalt der vorhandenen Stellen im Lehrbetrieb.
Der allgemeine Trend der Deregulierung von Arbeitsverhältnissen nimmt im Wissenschaftsbetrieb spezifische Formen der Herausbildung einer neuartigen Schicht hochqualifizierter, aber gering entlohnter schein-selbstständiger Wissenschaftler an. Unter den Beschäftigten der Hochschulen bildet sich eine Zwei-Klassen-Gesellschaft heraus. Den hauptberuflich Beschäftigten, darunter Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter, steht eine wachsende Zahl prekär Beschäftigter gegenüber.
Darunter fallen Lehrbeauftragte und Beschäftigte, die nebenberuflich oder in Teilzeit tätig sind. An den sächsischen Hochschulen betrug der Anteil der nebenberuflich Tätigen im Jahr 2005 knapp 15 Prozent. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten liegt inzwischen schon bei rund 22 Prozent.
Immer neue Befristungen, unsichere sowie niedrige Einkommen erzeugen soziale Unsicherheit und beeinträchtigen die Arbeitsmotivation der Betroffenen. Schaden nimmt aber zugleich auch die Qualität der Lehre an den Hochschulen.
Zu zwei der drei postulierten Schwerpunkte von Ministerpräsident Tillich habe ich bereits Stellung genommen. Nach der Arbeit und der Bildung komme ich nun zur Frage der Solidarität.
Wer erwartet hatte, dass die neue Regierung mit dem Haushaltsentwurf endlich den großspurig angekündigten und in der Tat dringend notwendigen familien- und sozialpolitischen Aufbruch einleiten würde, muss tief enttäuscht sein. Auch hier zeigt sich: Der Austausch von Regierungspersonal bedeutet noch lange keinen Politikwechsel.
Wir haben nach wie vor erhebliche Zweifel, ob der Ministerpräsident überhaupt bereit ist zur Kenntnis zu nehmen, dass in den letzten Jahren die Zahl derer, die unterhalb der offiziellen Armutsgrenze leben müssen, erheblich gestiegen ist. Verantwortlich dafür ist auch die Staatsregierung, die sämtlichen Hartz-Gesetzen nicht nur zugestimmt hat, sondern diese teilweise gar noch verschärfen wollte.
Wo bleibt der Protest des Ministerpräsidenten oder der neuen Sozialministerin gegen eine kürzlich an der TU Chemnitz vorgelegte Skandalstudie, nach der der Regelsatz für Bezieher von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld eigentlich auf 132 Euro gesenkt werden könnte? Mit wissenschaftlicher Analyse hat dieses Papier nichts zu tun; vielmehr ist es eine blanke Verhöhnung von mehr als einer halben Million betroffener Menschen in Sachsen. Und dazu schweigt Herr Tillich bis heute.
DIE LINKE bleibt bei ihrer Forderung: Hartz IV muss revidiert werden! Bis dahin ist es aber zumindest erforderlich, dass der Eckregelsatz umgehend auf 435 Euro angehoben wird, selbst wenn auch das noch unterhalb der Armutsgrenze liegt.
Darüber fordern wir seit langem, dass die von uns wiederholt kritisierten Ungerechtigkeiten bei der Weitergabe der Bundesmittel für Kosten der Unterkunft an die Kommunen durch das Land endlich ausgeräumt werden.
Das schließt auch die Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen der Landkreise und kreisfreien Städte ein, anstatt weiterhin eine Berechnungsformel anzuwenden, die Kommunen mit überdurchschnittlich hoher Zahl von Hartz-IV-Betroffenen massiv benachteiligt.
Anstatt selbst Landesmittel bereit zu stellen, um die Lebenslage der Ärmsten in Sachsen zumindest zu lindern, wurde durch einen Handstreich der so genannten Landesdirektion Leipzig das vom Stadtrat der Messestadt beschlossene Sozialticket für Bedürftige gestoppt. Das ist nicht nur ein völlig inakzeptabler Eingriff in kommunale Selbstverwaltung, sondern es zeigt auch, wie ernst es der Staatsregierung mit der Armutsbekämpfung in Sachsen ist.
Bezüglich der Haushaltsansätze in der Kinder-, Jugend- und Familienpolitik könnte man auf den ersten Blick konstatieren: In einigen Bereichen gibt es sogar Mittelaufstockungen, die sicher von der Koalition in den Vordergrund gestellt werden. Bei genauerem Hinsehen verdüstert sich allerdings das Bild erheblich.
Zwar werden für den veränderten Betreuungsschlüssel in den Kitas zusätzlich 14 Millionen Euro eingestellt, aber 21 weitere Millionen sollen die Kommunen zahlen. Auf diesen Punkt habe ich eingangs schon hingewiesen. Wir erwarten, dass der Freistaat die gesamten zusätzlichen Aufwendungen trägt.
Der Planansatz für das Schulvorbereitungsjahr wird mehr als halbiert, weil die Kommunen die zur Verfügung stehenden Mittel bisher nur unzureichend abgerufen hätten. Noch vor zwei Jahren wurde dieses Programm als der Durchbruch gefeiert.
Wenn es nun kleinlaut reduziert wird, dann wohl vor allem deshalb, weil die Förderrichtlinien viel zu spät kamen und hohe bürokratische Hürden eventuelle Antragsteller abschrecken.
Offen bleibt auch die finanzielle Untersetzung der wahrlich nicht nur von uns erhobenen Forderung nach einem kostenlosen Mittagessen in Schulen und Kitas sowie nach einem kostenfreien Vorschuljahr. Diese ersten Schritte zu einer kostenlosen Kita-Betreuung werden erneut nicht gegangen, obwohl in Sonntagsreden selbst Vertreter der Koalition dafür plädiert haben.
Die Staatsregierung gefällt sich gern in Aussagen über das so wichtige bürgerschaftliche Engagement.
Auch wir halten das Ehrenamt für eine unverzichtbare Säule unseres Gemeinwesens und möchten an dieser Stelle den Hunderttausenden, die sich freiwillig in vielen Bereichen engagieren, ganz herzlich danken. Für uns ist es völlig unverständlich, wenn gerade hier die Landesmittel gekürzt werden sollen.
Eigentlich müsste man sie aufstocken, denn bekanntlich gab es für das Programm „Wir für Sachsen“ wesentlich mehr Anträge auf eine kleine Aufwandsentschädigung, als sie auf Grund der eingestellten Mittel bewilligt werden konnten. Gleiches gilt für die Förderung zahlreicher Selbsthilfegruppen vor allem von älteren, behinderten und chronisch kranken Menschen. Diese Mittel werden um ein Fünftel gekürzt. Für uns ist das nicht hinnehmbar!
Nicht einverstanden sind wir auch mit der Reduzierung der Landeszuweisungen für die soziale Arbeit der Wohlfahrtsverbände. Allein der Paritätische Wohlfahrtsverband soll pro Jahr 50.000 Euro weniger Zuschüsse erhalten. Hier ist die Staatsregierung auf der falschen Spur und Nachbesserungen dringend geboten sind.
Welchen Stellenwert die Fragen der Gleichstellung von Frau und Mann in der Staatsregierung haben, zeigen die geplanten Mittelkürzungen um etwa 6 Prozent.
Eigentlich bedürfte es einer beträchtlichen Aufstockung. Gleiches gilt im Übrigen für den Haushaltstitel „Zuwendungen für Vorhaben zum Schutz vor häuslicher Gewalt und vor Menschenhandel“.
Aus unserer Sicht, und das belegen auch Expertisen, dürften die Mittel hier nicht ansatzweise ausreichen. Es kann doch nicht sein, dass es beispielsweise in neuen Großkreisen wie Nordsachsen und im Erzgebirgskreis keinen einzigen vom Freistaat geförderten Platz in einem Frauen- oder Kinderschutzhaus gibt.
Kritikwürdig sind auch die im Haushaltsentwurf veranschlagten Ansätze im Gesundheitsbereich, vor allem die erhebliche Absenkung der Landesmittel für die Krankenhausfinanzierung. Hier erwarten wir dringend Aufklärung. Wir brauchen endlich ein verbindliches Rahmenkonzept über die Entwicklung der sächsischen Krankenhauslandschaft, anstatt die Sache dem Selbstlauf zu überlassen oder den hier völlig unangebrachten so genannten Marktmechanismen zu opfern.
Wir haben schon heute nach Thüringen den mit Abstand höchsten Privatanteil im Vergleich zu anderen Bundesländern. Deshalb muss Schluss sein mit weiteren Krankenhausverkäufen in Sachsen.
Der Haushaltentwurf reagiert überhaupt nicht auf den fortschreitenden Ärztemangel. Hier soll nach wie vor alles der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen überlassen bleiben. Das hat schon bislang nicht funktioniert.
Bekannt ist auch der Umstand, dass die meisten gesetzlich Krankenversicherten in Sachsen ab 1. Januar durch die Einführung des Gesundheitsfonds mit erheblichen Beitragssteigerungen rechnen müssen. Und auch der Freistaat soll durch den umstrittenen Finanzausgleich kräftig zur Kasse gebeten werden. Das ist nun auch der Staatsregierung aufgefallen, immerhin kommt so eine Beitragssteigerung gerade in einem Superwahljahr nicht gut an.
Deshalb redete man öffentlich von einer möglichen Verfassungsklage. Ein für 130.000 Euro bestelltes Gutachten liegt inzwischen vor. Doch die Klage wurde bis heute nicht eingereicht. Wie lange will die Staatsregierung damit eigentlich noch warten?
Unser Fazit lautet: Der Sozialhaushalt hinkt weit hinter den aktuellen Anforderungen her, verharrt im „weiter so“ und ist zum Teil sogar rückwärts gewandt. Auf die entscheidenden sozialpolitischen Fragen werden keine überzeugenden Antworten gegeben.
Eine solidarische Gesellschaft bedarf natürlich auch innerer Sicherheit. Die Sicherheitspolitik galt gemeinhin lange Zeit als eine Domäne der CDU. 18 Jahre nach der friedlichen Revolution hat die CDU diese Domäne auch in Sachsen verloren. Seit 1999 ist das Vertrauen der Polizei in die Regierung in dem Maße gesunken, wie durch intransparente und mit Blick auf die Sicherheit völlig kontraproduktive Reformen bei der Polizei deren Stabilität unterminiert wurde.
Musste man sich bei Staatsminister Rasch wenigstens nur über Intransparenz der Reformen aufregen, steht unter Buttolo nun auch die Fachlichkeit zur Disposition. Viele Polizistinnen und Polizisten schütteln nur noch den Kopf und sind sauer. Die CDU erweist sich mehr und mehr als die größte Verunsicherung für die sächsische Polizei. Der Umgang des Innenministers mit den Personalstellen bei der Polizei spottet jeder Beschreibung.
Seit 2004 wurden die Beamten veralbert und hingehalten, bis es schließlich zu jener fatalen Entscheidung der Regierung kam, jede fünfte Polizistenstelle abzubauen. Seit Bekanntwerden dieses Planes laufen die Polizeidirektionen und die Gewerkschaften Sturm, weil damit der Charakter der Polizei verändert würde.
Der mühselige, aber erfolgreiche Aufbau der Prävention würde damit gekippt werden, die Polizei wäre dann nur noch eine Interventionstruppe.
Es ist auch unserem Einsatz zu verdanken, dass dieser Unsinn letztlich relativiert werden musste. Aber auch mit der Erweiterung des Einstellungskorridors sind die Probleme nicht gelöst.
Bereits ohne Personalkürzungen zeigen sich in der Personalstruktur der Landespolizei ernsthafte Defizite, auf die kurz- und mittelfristig reagiert werden muss. Der Altersdurchschnitt ist alarmierend.
Gerade einmal 14 Prozent der Beschäftigten sind unter 30 Jahre – es existiert also ein erheblicher Bedarf an Verjüngung in der Polizei.
Große Probleme gibt es auch bei den Polizeirevieren in Sachsen. Bei einer vorgeschriebenen Sollzahl von 5.691 Beamten stehen tatsächlich nur 4.587 Ist-Stellen zur Verfügung. Der Grund sind Stellen, die entweder gar nicht besetzt sind oder durch Abordnungen, Fortbildung, Elternzeit oder Dienstunfähigkeit nicht zur Verfügung stehen. Das sind ca. 20% aller Stellen in den Revieren und Posten! Allein im Jahr 2007 hat die Polizei ca. 91.500 Mehrarbeitsstunden geleistet hat, die Wochenendeinsätze sind dabei noch gar nicht eingerechnet!
Die sächsische Polizei arbeitet absolut am Limit, und es ist katastrophal, dass im Haushaltsentwurf nicht ausreichend Vorsorge dafür getroffen wird, um ein Mindestmaß an Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger zu garantieren.
Ich verkneife mir heute nähere Ausführungen zum Verfassungsschutz, zumal sich der Untersuchungsausschuss damit noch intensiv befassen wird, nachdem die über ein Jahr währende Blockade der Ausschussarbeit vom Verfassungsgericht ganz eindeutig verurteilt worden ist. Wohl selten hat eine Regierung eine derartige Klatsche vor dem höchsten Gericht des Landes einstecken müssen. Und seien Sie sicher: Wir drängen weiter auf Aufklärung!
Herr Präsident, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch einige grundsätzliche Bemerkungen zum Haushaltsentwurf.
Jeder weiß, dass im kommenden Jahr Landtagswahlen stattfinden, und es ist nicht akzeptabel, dass die Regierung beabsichtigt, einen Haushalt zu beschließen, der weit über die zu Ende gehende Legislaturperiode hinausreicht. Die LINKE bleibt daher bei ihrer Forderung, dass im Dezember lediglich ein Ein-Jahres-Haushalt verabschiedet werden soll.
Auch ob die im Haushaltsentwurf vorgesehenen Instrumente zur Zukunftsvorsorge taugen, wird sich erst noch zeigen müssen. Nehmen wir nur das Neuverschuldungsverbot, das in der Haushaltsordnung gesetzlich verankert werden soll. Seit 2006 hat der Freistaat Sachsen keine neuen Schulden aufnehmen müssen.
Für die Jahre 2007 und 2008 wurde auf der Grundlage der beschlossenen Haushaltsgesetze die Nettokreditaufnahme mit Null veranschlagt. Das zeigt: Auf der Grundlage der Verfassung des Freistaates Sachsen sowie der gültigen Sächsischen Haushaltsordnung kann man schon jetzt erfolgreich weitere Schulden vermeiden. Insofern besteht gesetzlich überhaupt kein Handlungsbedarf. Das Ganze ist also eine Mogelpackung.
Wer daran zweifelt, muss nur die Rede von Herrn Tillich in der 15. Sitzung der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen vom 3. Juli 2008 lesen. Im Stile eines Strebers werden alle anderen Ministerpräsidenten sowie die Vertreter des Bundestages belehrt, dass unabhängig von den Ergebnissen der Föderalismuskommission II der Freistaat Sachsen seinen eigenen Weg gehen und der Erste sein will, der das Verschuldungsverbot gesetzlich verankert. Herr Tillich will offenbar ein Alleinstellungsmerkmal und er will der Musterschüler der Nation sein.
Ein solches Alleinstellungsmerkmal hat Sachsen jedoch schon, nur eignet sich das nicht zum Vorzeigen: Seit dem Notverkauf der Sachsen LB hat der Freistaat eine Bürgschaft von 2,75 Milliarden Euro in seinen Büchern. Das ist das größte über dem Land schwebende Haushaltsrisiko seit 1990.
Darüber hat der MP vor der Föderalismuskommission wohlweislich nicht gesprochen. Die Bürgschaft ist auch nicht Bestandteil der im Haushalt aufgeführten Zukunftsfonds, ganz im Gegenteil. Diese Zukunftslast findet man ohne jede Erläuterung versteckt im Einzelplan 15 im Titel „Zuführung an Bürgschaftssicherungsrücklage“, in der 832 Mio. Euro für die Zukunftslasten aus dem Notverkauf gebunkert sind.
Sollte die Bürgschaft über diesen Rahmen hinaus im geplanten Doppelhaushalt fällig werden und würde per Haushaltsordnung Neuverschuldung verboten, kann die auftretende Differenz nur durch Haushaltssperren ausgeglichen werden, die im Regelfall zuerst die sozial Benachteiligten treffen. Auch das verschweigt die Staatsregierung in den Verlautbarungen zum vorliegenden Etatentwurf.
Zur Zukunftsvorsorge des Freistaates Sachsen gegenüber den Kommunen lässt sich folgendes sagen: Vorsorge gegenüber Konjunkturschwankungen und fortbestehenden Steuerschwächen sächsischer Kommunen ist notwendig, aber es bedarf dazu nicht des 2-Säulen-Modells des Finanzministers. Dieses Modell ist das typische Ergebnis eines faulen Kompromisses.
Der geplante „Kommunaler Vorsorgefonds“ in Höhe von 317 Mio. Euro, den der Freistaat zentral verwalten will, ist ein völlig überflüssiges Instrument. Die im Haushaltsgesetz ausgebrachten Regelungen zur Bildung kommunaler Vorsorgerücklagen reichen vollkommen aus. Die Kommunen des Freistaates Sachsen bedürfen keiner Vorsorgevollmacht durch den Finanzminister.
Ein weiteres angeblich modernes Instrument der Staatsregierung heißt Sondervermögen. Diese Vermögen sind mit klangvollen Namen – wie zum Beispiel „Zukunftsfonds Sachsen“ – im Artikel 15 des Haushaltsbegleitgesetzes dargestellt. Gegen Zukunftsfonds an sich gibt es keine Einwände. Aber schaut man sich die Konstruktion dieser Fonds näher an, dann läuten alle Alarmglocken.
Die Grundkonstruktion ist einfach. Man nehme 4 Mrd. Euro Haushaltsmittel aus der Europäischen Förderperiode 2007 bis 2013, aus den Fonds EFRE und ESF sowie Mittel aus dem Programm ELER, überführe diese in die Zukunftsfonds und lasse sie dann zur Freude der Fachminister und zum Glücke des Finanzministers ein munteres Eigenleben führen, und zwar an jeglicher parlamentarischer Kontrolle vorbei führen. Ich verweise hier auf die Artikel 4 und 15 des Haushaltsbegleitgesetzes. Wenn das nicht korrigiert wird, wird der Verfassungsgerichtshof wohl wieder Arbeit bekommen.
Die Linksfraktion hat weder etwas gegen die Bildung von Zukunftsfonds, noch haben wir etwas gegen die Errichtung von so genannten revolvierenden Fonds.
Ganz im Gegenteil. Wir haben dies seit Jahren gefordert und die bisherige Politik der verlorenen Zuschüsse kritisiert. Zukunftsvorsorge und Zukunftsfonds sind mit uns zu machen, allerdings nicht nach einem Konstruktionsmuster, bei dem die Gestaltungsfreiheit der Regierung zunimmt und zugleich die Kontroll- und Einflussmöglichkeit des Parlaments massiv beschnitten wird.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen:
Sie, Herr Ministerpräsident Tillich, predigen „Arbeit, Bildung und Solidarität“.
Doch wo Sie „Arbeit“ draufschreiben, ist Armut drin: Das Gros der neuen Arbeitsplätze, mit denen die Statistik geschönt wird, sind geringfügige Beschäftigungen und Ein-Euro-Jobs. Sozial ist eben nicht alles, was Arbeit schafft, wie Ihre Parteivorsitzende Angela Merkel immer wieder behauptet. Sozial ist, was gute Arbeit schafft, von der man leben kann!
Und wo Sie, Herr Tillich, von mehr „Bildung“ reden, geht es nur um die Verfeinerung von Benachteiligung. Statt das gegliederte Schulwesen mit seiner sozialen Spaltung abzuschaffen, wollen Sie mit ein bisschen Kosmetik „Durchlässigkeit“ vortäuschen, wo Ihre Partei seit 1990 Mauern zwischen den Schularten gebaut hat.
Ihre „Solidarität“ schließlich, Herr Tillich, kommt wie eine schlechte Seifenoper daher: Ein Ministerpräsident, der sich beim Skatspielen und im Zoo als Patenonkel von Drillingskindern fotografieren lässt, aber weder gegen Hartz IV noch für die volle Pendlerpauschale das Wort ergreift, inszeniert Inseln der Gemütlichkeit inmitten einer Politik der sozialen Kälte. Die Sachsen sind glücklicherweise zu klug, als dass Sie mit dieser Methode dauerhaft punkten
könnten.
Nein, was Sie „Arbeit, Bildung, Solidarität“ nennen, ist in Wirklichkeit – Armut, Benachteiligung und weitere soziale Spaltung der Gesellschaft.
Sie, Herr Tillich, verwechseln Fürbitten mit Regieren.
Statt endlich gegen den Gesundheitsfonds Klage einzureichen, beschwören Sie die Wirkung Ihrer diplomatischen Klimmzüge in Hinterzimmern.
Statt konkrete Reformen des sächsischen Schulwesens anzustoßen, für das Ihre Landesregierung verantwortlich ist und niemand sonst, betteln Sie um mehr Geld vom Bund, der sich aber ansonsten bitteschön aus dem Landes-Thema Bildungspolitik heraushalten soll.
Ihr verzweifelter Versuch, den Paragrafen-Pranger aus der Gruft zu zerren und zum Leben wiederzuerwecken, um daraus kurzfristig Kapital zu schlagen, ist allerdings mehr als lächerlich, denn das Projekt ist bereits einmal zur Total-Pleite einer Regierung geworden, der Sie jahrelang selbst angehörten. Von Ihnen war übrigens zu diesem Thema nie etwas zu vernehmen.
Herr Tillich, gute Politik funktioniert eben nicht nach den Prinzipien des „Sinnlos-Telefons“ bei Radio PSR, bei dem gute Laune und lustige Pointen im Mittelpunkt stehen. Gute Politik lebt von Ideen, von Mut und Entschlusskraft – deshalb war Kurt Biedenkopf auch so erfolgreich. Mit dem Übergang zu Georg Milbradt war es mit den Ideen vorbei. Jetzt, meine Damen und Herren, sind auch noch Mut und Entschlusskraft verloren gegangen. Man merkt der CDU-Spitze an:
Es geht mit der Union als Regierungspartei in Sachsen zu Ende, und das ist gut so!
Die Bürgerinnen und Bürger des Landes haben im kommenden Jahr klare Alternativen: Herr Tillich und seine CDU stehen in punkto Arbeit für Niedriglöhne, die Drangsalierung von Hartz-IV-Empfängern und für eine Entlastung der Großkonzerne. DIE LINKE steht für einen gesetzlichen Mindestlohn, für die Abschaffung der Hartz-Gesetze und für eine gezielte Förderung der klein- und mittelständischen Unternehmen in Sachsen.
Im Bildungsbereich stehen Herr Tillich und seine CDU für eine Selektion nach der 4. Klasse, für einseitige Elitenförderung und für eine Ausrichtung von Schule und Wissenschaft an den zumeist sehr einseitigen Forderungen der Wirtschaft.
DIE LINKE dagegen steht für ein längeres gemeinsames Lernen bis mindestens zur 8. Klasse, für Chancengleichheit und individuelle Förderung von hochbegabten wie schwächeren Schülern, und wir setzen auf eine möglichst hohe Allgemeinbildung für alle statt auf vordergründige Wirtschaftskompatibilität.
In diesem Zusammenhang kann ich die Koalition nur davor waren, sich im fahlen Lichte der Spitzenposition des jüngsten Bildungsmonitors zu sonnen. Urheber dieser Studie ist die berühmtberüchtigte Initiative „Neue Soziale Marktwirtschaft“, die Bildung allein an den Interessen der wirtschaftlichen Verwertbarkeit misst. Die gleiche Stiftung hatte übrigens Georg Milbradt zum Ministerpräsidenten des Jahres erkoren. Wenig später ist er mit seiner Landesbank untergegangen. Auch beim sogenannten Bildungsmonitor ist also Vorsicht dringend geboten.
Und wenn es schließlich um Solidarität geht, dann stehen Herr Tillich und seine CDU für die Stärkung der ohnehin schon Starken und überlässt die Schwachen weitgehend ihrem Schicksal. DIE LINKE dagegen steht für soziale Gerechtigkeit und dafür, dass jeder nach Maßgabe seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen wird.
Wir wollen nicht nur kosmetische Korrekturen, wir wollen einen nachhaltigen Politikwechsel auch und gerade hier bei uns in Sachsen! Wir als LINKE sind inhaltlich gut vorbereitet, wir sind zuversichtlich und wir sind bereit, noch mehr Verantwortung für unser Land zu übernehmen.
Ich weiß nicht so recht, ob ich den Sozialdemokraten zu ihrem wahrlich grandiosen Generationswechsel vom Wochenende gratulieren soll, aber ich will dennoch heute mal im Stil von Franz Müntefering schließen: Haushaltsentwurf schlecht. Koalition auch. DIE LINKE im Kommen. Gut für Sachsen. Glück auf!