Rede zur Regierungserklärung von MP Tillich zur Flut 2013
Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren,
es ist den bei der Flutbekämpfung im Einsatz befindlichen Hilfskräften heute schon vielfach und völlig zu Recht Dank ausgesprochen worden. Ich möchte gern noch eine Gruppe erwähnen, die relativ selten gewürdigt wird. Ich meine die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der vom Hochwasser betroffenen Kommunen, die ja im Regelfall auch die Leitung der örtlichen Krisenstäbe übernommen haben.
Stellvertretend für viele möchte ich einmal jene Bürgermeister der am stärksten gebeutelten Orte aus meinem Landkreis namentlich nennen. Andreas Eggert aus Bad Schandau, Olaf Ehrlich aus Reinhardtsdorf-Schöna, Thomas Richter aus Rathen, Klaus Tittel aus Wehlen, Frieder Haase aus Königstein und Klaus-Peter Hanke aus Pirna. Ich könnte natürlich hier auch die Bürgermeister aus Meißen, Grimma oder Döbeln nennen. Ich finde: Die Genannten und auch viele Nichtgenannte haben alles in allem einen tollen Job gemacht, und deshalb verdienen gerade auch sie ein herzliches Dankeschön.
Unbestritten waren auch Mitglieder der Staatsregierung in den Fluttagen und danach im Einsatz. Dennoch komme ich nicht umhin, auch einige kritische Anmerkungen zu machen, vor allem, wenn es darum geht zu bewerten, welche Konsequenzen denn aus dem Jahrhundert-Hochwasser von 2002 gezogen wurden, und welche der versprochenen Maßnahmen in den letzten zehn Jahren realisiert oder eben auch nicht umgesetzt wurden. Dies können heute nur erste Einschätzungen sein, weitere Auswertungen müssen und werden folgen.
Dies gilt im Übrigen auch länderübergreifend, denn es muss natürlich schon geklärt werden, ob die Vorwürfe aus Sachsen-Anhalt, Sachsen hätte vor allem sich selbst geschützt, eigene Überflutungsflächen nicht genutzt und so die Schäden nördlich von uns deutlich vergrößert, teilweise oder gar vollständig zutreffen. Hier muss jedenfalls die Koordination in Zukunft deutlich besser laufen, so wie es diesmal mit Tschechien sehr gut funktioniert hat.
Aber zurück zum Tun bzw. Unterlassen der Sächsischen Staatsregierung. Bereits im Januar 2003 wurde ein Papier bekannt, das folgenden Titel trug: „Zusammengeführte Vorschläge der Unabhängigen Kommission der Sächsischen Staatsregierung und des Staatsministeriums des Innern für eine Neue Konzeption zum Bevölkerungsschutz“. Dieses Papier enthielt exakt 50, zum Teil sehr konkrete Punkte. Wenn man heute nach über einem Jahrzehnt Bilanz zieht über Soll und Haben, über Versprochen und Gehalten, dann sieht diese Bilanz ziemlich düster aus.
Ich kann hier aus Zeitgründen nur einige Dinge erwähnen: So sollten zum Beispiel in Sachsen fünf integrierte Leitstellen für Feuerwehr und Rettungsdienste geschaffen werden.
Diese ohnehin umstrittene Idee sollte ursprünglich bis 2010 umgesetzt werden, Bau und Inbetriebnahmen wurden jedoch mehrfach verschoben, die Großleitstelle in Leipzig wird nun wohl erst im Jahr 2015 eröffnen.
Ebenfalls 2010 sollte eigentlich das BOS-Funknetz, also der neue Digitalfunk zur Verfügung stehen. Davon ist weit und breit nichts zu sehen. Auch der Aufbau eines neuen, leistungsfähigen Sirenensystems ist im Ansatz steckengeblieben, und wo es noch alte Sirenen gibt, wissen die Menschen oft gar nicht, was die einzelnen Warnsignale konkret bedeuten. Und auf die versprochene Harmonisierung der Ländergesetze über den Katastrophenschutz warten wir bis heute ebenfalls vergeblich.
Das gilt auch für die im Papier von 2003 im Punkt 47 zugesagte Aufwertung des Ehrenamtes, z.B. bei den Feuerwehren. Ich habe es schon mehrfach betont: In Sachsen sind zum Glück viele Menschen in ganz unterschiedlichen Bereichen ehrenamtlich tätig, aber es gibt einen ganz gravierenden Unterschied – bei Einsätzen der Feuerwehr geht es oft um Leben oder Tod, sowohl für die Hilfebedürftigen wie auch für die Hilfskräfte selbst, wie nicht zuletzt der Unfall mit neun Verletzten bei Delitzsch gezeigt hat.
2009 machten der Ministerpräsident und die CDU mit dem Versprechen nach Einführung einer Feuerwehrrente Wahlkampf, um anschließend die Kameradinnen und Kameraden vor den Kopf zu stoßen. Sie haben die Chance, diesen Fehler zu korrigieren, indem Sie dem Gesetzentwurf der LINKEN zur überfälligen Einführung einer solchen Rente im Herbst ihre Zustimmung geben.
Darüber hinaus – und das ist mir persönlich nach wie vor ein wichtiges Anliegen – bekräftige ich die Forderung nach Einführung einer allgemeinen Elementarschaden-Pflichtversicherung. Hätte man diese Versicherung bereits als Konsequenz aus der Flut von 2002 eingeführt, wäre vielen Menschen im Jahr 2010 und auch ganz aktuell das Gezerre um Darlehen, Hilfen und Zuschüsse erspart geblieben.
Inzwischen hat ja offenbar auch der Ministerpräsident begriffen, dass es immer mehr Betroffene gibt, die sich gar nicht mehr oder nur zu utopischen Preisen versichern können. Außerdem geht es ja nicht nur um Hochwasserschäden. Der Orkan „Kyrill“ oder auch der Tornado in Großenhain haben gezeigt, dass es wirklich jeden treffen kann.
Durch die Verteilung der Risiken – ob durch Flut, Hagel, Blitzeinschlag oder Sturm – auf alle Eigentümer bebauter Grundstücke, also Privatpersonen und Unternehmen sowie Bund, Länder und Kommunen wäre die Belastung für den Einzelnen vergleichsweise gering, und der Staat müsste künftig nicht bei jedem extremem Witterungsereignis mit rasch zusammen gezimmerten Hilfsprogrammen einspringen.
Schon 2002 habe ich eine solche Versicherung gefordert. Damals sind mir Dirigismus, Gleichmacherei und Rückkehr zur Planwirtschaft vorgeworfen worden, heute plädieren das Deutsche Institut für Wirtschaftforschung (DIW) – nun wahrlich kein linker Verein – ebenso dafür wie die Justizministerkonferenz, und selbst Herr Tillich und die Bundeskanzlerin denken jetzt laut darüber nach.
Nun aber muss auch endlich gehandelt werden. Ich hoffe, dass es nicht noch einer weiteren Flut bedarf, bis sich die Staatsregierung spürbar bewegt. Sachsen muss sich auf Bundesebene für die Einführung einer solchen Pflichtversicherung gegen Elementarschäden mit allem Nachdruck stark machen!
Heute Abend steht ja noch ein NPD-Antrag auf der Tagesordnung, mit dem eher halbherzig die Pflichtversicherung für Elementarschäden unterstützt werden soll und die Ausreichung von zusätzlichen EU-Geldern zur Beseitigung der Hochwasserschäden an Sachsen gefordert wird. Dieser Antrag geht schon deshalb ins Leere, weil die Pflichtversicherung schon Gegenstand von Entschließungsanträgen ist, die jetzt gleich abgestimmt werden, aber dass gerade die NPD jetzt nach Unterstützung seitens der EU verlangt, also von einer Institution, die sie eigentlich abschaffen möchte, zeigt die Verlogenheit dieses Antrags. Ich bin sehr sicher: Die demokratischen Fraktionen in diesem Haus werden es nicht zulassen, dass die Nazis hier versuchen, aus dem Leid der Hochwasseropfer politisches Kapital zu schlagen.
Zum Schluss möchte ich gern noch eine Bitte äußern. Tourismusvereine, Hotels und Pensionen berichten in den letzten Tagen über eine zunehmende Zahl von Stornierungen in überfluteten Gebieten, aber auch in Orten, die überhaupt nicht betroffen waren. Hier droht neues Ungemach, hier drohen neuerliche Einbußen. Ich appelliere an alle Urlauber, sich sorgfältig zu informieren und nicht vorschnell umzubuchen. Gerade die Hochwassergebiete und die angrenzenden Regionen brauchen jetzt wirklich jeden Gast, in der Sächsischen Schweiz und anderswo. Auch das ist eine wirksame Unterstützung für den Wiederaufbau!