Selbstbewusstsein des Parlaments und direkte Demokratie stärken – Aufgaben 20 Jahre nach Landtags-Neukonstituierung
Aus Anlass der Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag der Konstituierung des Sächsischen Landtags im Jahr 1990 erklärt der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Dr. André Hahn:
Nach 20 Jahren funktionierender repräsentativer Demokratie in Sachsen steht nun die Stärkung der anderen Säule der politischen Entscheidungsfindung, der direkten Demokratie, auf der Tagesordnung. Dazu hat DIE LINKE erst vor wenigen Wochen einen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht, der u. a. die Hürde für das Zustandekommen von Volksentscheiden von mindestens 450.000 auf 175.000 Unterschriften bzw. maximal fünf Prozent der Wahlberechtigten absenkt. Dass es trotz vieler die Menschen bewegender Streitfragen bisher nur einen einzigen Volksentscheid gegeben hat, entspricht sicherlich nicht der Absicht der Abgeordneten des 1990 gewählten Sächsischen Landtages, die die gültigen Hürden der direkten Demokratie in der Landesverfassung offensichtlich zu hoch gelegt haben.
Nachbesserungsbedarf besteht aber auch beim Selbstbewusstsein des Parlaments gegenüber der Regierung. Der langjährige Präsident des Sächsischen Landtags, Erich Iltgen, hat in seiner Ansprache auf der bereits gestern stattgefundenen Festveranstaltung meiner Fraktion „20 Jahre LINKE Politik im Landtag“ darauf hingewiesen, dass im Unterschied zur Praxis in alten Bundesländern in Sachsen der Landtagspräsident die Gesetze unterschreibt. Diese Regel musste aber 1991 hierzulande erst durchgesetzt werden; sie trägt der Tatsache Rechnung, dass das Parlament die Gesetze beschließt – und nicht die Regierung. Dieses Recht hat das Parlament über viele Jahre faktisch selbst mit der Mehrheit der CDU bzw. fünf Jahre lang von CDU und SPD wieder aus der Hand gegeben, indem es der Regierung beispielsweise Ermächtigungen beim Haushaltsvollzug eingeräumt hat, die den vom Parlament nach jeweils monatelangen mühevollen Beratungen beschlossenen Landeshaushalt gegebenenfalls zur Makulatur werden lassen. Alles, was der Ministerpräsident heute zum Verhältnis von Regierung und Parlament bzw. Opposition gesagt hat, war schlicht zutreffend, findet sich aber in Sachsens Realität nicht wieder.
In 20 Jahren hat sich im Parlament vieles bewegt. Unsere Fraktion, die nicht zuletzt wegen der Defizite in punkto direkte Demokratie seinerzeit nicht der neuen sächsischen Verfassung ihre Zustimmung geben konnte, hat diese Verfassung mehr als ein Dutzend Mal im Regelfall erfolgreich gegen Beschneidung, Aushöhlung und Verletzung durch diejenigen vor dem höchsten sächsischen Gericht verteidigt, die den Wortlaut der Verfassung einst beschlossen hatten. Denn Sachsens Verfassung garantiert allen Bürgerinnen und Bürgern wichtige Grundrechte, die auch wir zu schätzen gelernt haben. Heute sind sich alle Demokratinnen und Demokraten einig, dass die damals geschaffene Ordnung verbesserungsbedürftig, aber auch verbesserungsfähig ist. Dieses Potenzial sollten wir zusammen insbesondere zur Stärkung direkter Demokratie nutzen.