Sport soll Nationen verbinden – Boykotte sind ein falscher Weg

In der Sportausschusssitzung am 29. März 2023 legten die von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP eine gemeinsamen Erklärung: „Ausschluss von Russland und Belarus aus dem internationalen Sport beibehalten“ vor. Hierzu und auch mit Blick auf die Empfehlung des IOC am Tag zuvor gab André Hahn als sportpolitischer Sprecher der Fraktion folgendes Statement ab:

„Die Bundestagsfraktion der LINKEN hat sich der Erklärung der Koalitionsfraktionen und der CDU/CSU nicht angeschlossen. Wir teilen uneingeschränkt den 1. Absatz ihrer Erklärung hinsichtlich der Verurteilung des Krieges und der Solidarisierung mit dem ukrainischen Volk. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ist durch nichts zu rechtfertigen und die dort begangenen Verbrechen sind entschieden zu verurteilen. Es gibt deshalb diverse Sanktionspakete und massive Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine, wie immer man diese Maßnahmen im Einzelnen auch bewerten mag. Meine volle Solidarität gilt dem ukrainischen Volk und insbesondere auch den Sportlerinnen und Sportlern aus der Ukraine. Deshalb begrüße ich die vielfältige Unterstützung ukrainischer Athleten durch den organisierten Sport und viele Vereine in Deutschland.

Wir sind auch froh über die letzten Sätze in der dem Sportausschuss vorgelegten Erklärung, in der sich die Autoren gegen einen Boykott der Olympischen Spiele in Paris 2024 durch Deutschland aussprechen, auch wenn das IOC anders entscheide sollte, als sie es wünschen. Und ich hoffe, das Gesagte gilt gleichermaßen auch in Bezug auf das IPC und die Paralympischen Spiele sowie Entscheidungen anderer Weltsportverbände und den von ihnen ausgerichteten internationalen Sportveranstaltungen.

Für unsere Ablehnung der vorliegenden Erklärung gibt es eine Reihe von Gründen:

Ich habe bei aller grundsätzlichen Kritik am IOC durchaus Verständnis für das Agieren von Präsident Bach und seine Sorge um die Zukunft des Weltsports. Die Boykotte von Teilen der Sportwelt bei den Olympischen Spielen in Moskau 1980 und im Gegenzug 1984 in Los Angeles sind mir nach wie vor in sehr unguter Erinnerung. Ich meine generell, dass nicht die Politik entscheiden sollte, wer bei internationalen Wettkämpfen starten darf und wer nicht. Wenn man alle Länder, die in der Vergangenheit ebenfalls völkerrechtswidrige Kriege geführt haben oder aktuell noch führen, vom internationalen Sport ausschließen würde – was im Übrigen nicht geschehen ist -, müsste der Bann etliche Staaten betreffen und eben nicht nur Russland.

Und bei allen berechtigten Vorbehalten gegenüber dem Präsidenten und der Regierung von Belarus halte ich auch die Gleichsetzung mit Russland für problematisch. Belarus ist nach meiner Auffassung keine direkte Kriegspartei und wird vor allem wegen seiner Nähe zu Russland sanktioniert. Dass in Minsk ein autokratisches Regime herrscht, steht außer Zweifel, aber wenn man alle Diktaturen dieser Erde für Sportgroßereignisse sperren würde, wären davon mindestens ein Drittel der Welt betroffen; vermutlich sogar noch deutlich mehr… Dass dies innerhalb des IOC mit über 200 nationalen Verbänden nicht durchsetzbar wäre, liegt auf der Hand.

Boykotte im Sportbereich sind meines Erachtens ohnehin ein falscher Weg. Sport soll Nationen verbinden und ist selbst in Krisenzeiten einer der wenigen Bereiche, wo gegnerische oder gar verfeindete Länder sich friedlich messen und miteinander im Gespräch bleiben können.

Deutschland richtet in diesem Jahr die Invictus-Games aus. Damit würdigen wir hier bei uns Sportlerinnen und Sportler von NATO-Armeen und ihren Verbündeten, die in zum Teil völkerrechtswidrigen Kriegseinsätzen dauerhafte Schäden erlitten. Und wir geben für dieses fragwürdige Sportevent 40 Millionen Euro Steuergelder aus mit dem offiziell erklärten Ziel, das Image der Bundeswehr in der Bevölkerung aufzupolieren und mehr Freiwillige für den Militärdienst zu gewinnen. Das nenne ich Doppelmoral.

Und wir müssen uns auch fragen lassen, ob Deutschland künftig noch internationale Sportgroßveranstaltungen austragen wird, wenn der jeweils zuständige internationale Sportverband Russland und Belarus nicht komplett ausgeschlossen hat? Was wir dann z.B. mit der Fußball-Europameisterschaft im kommenden Jahr?

Im Übrigen bis ich grundsätzlich der Ansicht, dass gerade die demokratisch regierten Staaten Mehrheitspositionen im IOC akzeptieren sollten, selbst wenn sie in bestimmten Fragen eine andere Meinung haben. Fakt ist nun mal: Die internationalen Sportorganisationen bestehen nicht nur aus europäischen oder proamerikanischen Mitgliedern.

Letzte Bemerkung: Da ich Boykotte im Sport prinzipiell für falsch halte, werde ich natürlich auch deutsche Athletinnen und Athleten nicht auffordern, internationalen Wettkämpfen fernzubleiben, wenn dort russische Sportler zugelassen sind. Warum sollten sie denn aus politischen Gründen auf ihre Chancen bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen verzichten?“