Zuverlässigkeitsüberprüfungen im Luftverkehr mit Augenmaß

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung für  strengere Zuverlässigkeitsüberprüfungen schießt in einigen Punkten weit über das eigentliche Ziel hinaus. So wird mit dem Zugriff auf das Zentrale Verfahrensregister der Staatsanwaltschaften in unverhältnismäßiger Weise in Grundrechte der betroffenen Bürgerinnen und Bürgern eingegriffen, ohne einen nennenswerten Sicherheitsgewinn zu erzielen. Auch im hochsensiblen Bereich des Luftverkehrs gilt der rechtsstaatliche Grundsatz, dass der Zweck nicht alle Mittel heiligt!

 


Auszug aus dem Plenarprotokoll 19/149 vom 05.03.2020

Tagesordnungspunkte 19 a und 19 b sowie Zusatzpunkt 7:

19a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rahmenbedingungen luftsicherheitsrechtlicher Zuverlässigkeitsüberprüfungen Drucksachen 19/16428, 19/16717, 19/16955 Nr. 5 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres und Heimat (4. Ausschuss) Drucksache 19/17585

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Inneres und Heimat (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Manuel Höferlin, Stephan Thomae, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Abschaffung der Zuverlässigkeitsüberprüfungen für Privatpiloten und Luftsportler Drucksachen 19/16481, 19/17585

in Verbindung mit

ZP7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Irene Mihalic, Dr. Konstantin von Notz, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Persönliche Eignung nach § 6 des Waffengesetzes wirksam gewährleisten Drucksache 19/17520

Dr. André Hahn (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Luftverkehr war und ist eines der symbolträchtigen Ziele für Anschläge von Terroristen. Deshalb ist es absolut richtig, dass nur solche Personen Zugang zu sicherheitsrelevanten Bereichen in Flughäfen erhalten, deren Zuverlässigkeit gründlich überprüft wurde. Hier sind wir uns alle einig.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung schießt aber in einigen Punkten tatsächlich weit über das eigentliche Ziel hinaus. Insbesondere die Schaffung der Möglichkeit des Zugriffs von Luftsicherheitsbehörden auf das zentrale Verfahrensregister der Staatsanwaltschaften sehen wir kritisch, weil hier unverhältnismäßig in Grundrechte der betroffenen Bürgerinnen und Bürger eingegriffen wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Anhörung im Innenausschuss hat gezeigt, dass unsere Bedenken auch von mehreren Sachverständigen geteilt werden. Denn mit der Ermöglichung des Zugriffs auf das Zentrale Staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister wird dessen strenge Zweckbindung, wonach die dort gespeicherten Daten ausschließlich für Strafverfahren genutzt und verarbeitet werden dürfen, weitgehend ausgehebelt.

Und noch ein Punkt begründet unsere Ablehnung: Wir halten es für völlig inakzeptabel, dass die Regierungsfraktionen in ihrem Änderungsantrag im Wege des sogenannten Omnibusverfahrens gleich auch noch Änderungen am Waffengesetz vornehmen wollen, ohne vor dem Hintergrund der Ereignisse von Halle und Hanau noch einmal grundsätzlich die aktuellen Erfordernisse zu debattieren. Beides, also Zuverlässigkeitsprüfung und Waffengesetz, hat ganz offenkundig nichts miteinander zu tun. Aber der Opposition wird dadurch die Möglichkeit genommen, zu einem hochbrisanten Thema eine Expertenanhörung durchzuführen. Die Koalition setzt darauf, dass auf diese Weise hoch umstrittene Regelungen einfach mal so durchgewunken werden. Wir als Linke lehnen ein derartiges Verfahren entschieden ab.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN])

Abgesehen davon wäre es beim staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister zumindest möglich gewesen, den Zugriff auf Straftaten mit einer besonderen Tatschwere einzuschränken oder eine Beschränkung hinsichtlich des betroffenen Personenkreises vorzunehmen. Selbst ins Erziehungsregister für Verfehlungen Jugendlicher soll Einblick genommen werden. Es kann doch aber wohl nicht gewollt sein, dass jemand, gegen den zum Beispiel im Zusammenhang mit Unterhaltsstreitigkeiten ein Ermittlungsverfahren läuft, deshalb keine Zulassung als Pilot erhält; darauf wurde ja auch in der Anhörung hingewiesen. Auf die Problematik der Einbeziehung des Verfassungsschutzes, dessen Auskünfte einer gerichtlichen Prüfung weitgehend entzogen sind, hat Herr Höferlin zu Recht hingewiesen.

Kernpunkt unserer Kritik: Wir halten es für höchst bedenklich, wenn immer mehr Personen, die mit der Strafverfolgung gar nichts zu tun haben, auf diese spezifischen Daten zurückgreifen können.

Wir als Linke meinen: Auch im hochsensiblen Bereich des Luftverkehrs gilt der rechtsstaatliche Grundsatz, dass ein möglicherweise legitimer Zweck nicht alle Mittel heiligt, die denkbar sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb werden wir den Gesetzentwurf ebenso ablehnen wie den Antrag der FDP, der es leider versäumt hat, die gegenwärtige Praxis von Zuverlässigkeitsprüfungen grundsätzlich zu hinterfragen. Stattdessen wollen Sie Ausnahmen für Ihre mit Fluglizenz ausgestattete Klientel. Dafür stehen wir nicht zur Verfügung, und da sind wir uns ausnahmsweise sogar mal mit der Union einig.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)